Konzeption und Umsetzung

Soziale Phänomene, Einstellungen oder Werte sind in der Regel nicht direkt aus der Wirklichkeit ablesbar. Ihre Erklärung fußt auf theoretischen Konstrukten, die in Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit erarbeitet wurden. Daher muss der Untersuchungsgegenstand zunächst theoretisch konstruiert und modelliert werden (siehe dazu die entsprechenden Einträge im Glossar), bevor Daten per Fragebogen erhoben werden können. Erst wenn klar ist, was gemessen werden soll, kann man überlegen, wie dies sinnvollerweise geschehen kann. Zuerst werden also Hypothesen gebildet, die geprüft werden sollen. Daher spricht man von hypothesenprüfenden Verfahren. Wie diese Theoriearbeit konkret aussieht, lässt sich nicht pauschal sagen und hängt vom Forschungsdesign der Untersuchung ab.

Im Forschungsprozess werden zwei Schritte unterschieden (siehe auch Gütekriterien):

  1. Konzeptspezifikation
    • Definition: Wie lässt sich das zu untersuchende Phänomen begrifflich fassen? Welche Merkmale hat es? Was ist ein-, was ausgeschlossen? Wodurch lässt es sich von anderen Phänomenen abgrenzen?
    • Dimensionale Analyse: Welche Aspekte („Dimensionen“) des zu untersuchenden Phänomens werden durch die Definition bezeichnet und angesprochen?
  2. Operationalisierung
    • Bestimmung der Variablen: Durch welche Variable(n) lässt sich der theoretisch modellierte Untersuchungsgegenstand erschließen?
    • Messbarkeit der Variablen: Wie bekomme ich Zugriff auf die Variablen? Können die Variablen direkt beobachtet werden (manifeste Variablen) oder nicht (latente Variablen)? Für latente Variablen müssen Indikatoren gefunden werden.
Beispiel 1: Schichtzughörigkeit
Soll die Schichtzugehörigkeit einer bestimmten Gruppe von Menschen erfasst werden, so ist vorab zu klären, was Schichtzugehörigkeit eigentlich ist. Dafür wird man die Forschungsliteratur heranziehen, die dieses Konstrukt beschreibt und modelliert. Vermutlich stellt man fest, dass Schichtzugehörigkeit ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist, das Phänomen also aus mehreren Dimensionen besteht, z.B. Einkommen, Bildungsabschluss, Beruf, Freizeitgestaltung. In welchem Verhältnis die einzelnen Dimensionen stehen und welche Aussagekraft sie für das Konstrukt Schichtzugehörigkeit insgesamt haben, muss vorab theoretisch modelliert und plausibilisiert werden. Ist dies geschehen, kann überlegt werden, wie sich diese Dimensionen erfassen oder messen lassen. Welche Variablen geben verlässlich Auskunft über welche Aspekte? Und wie bekommt man welchen Zugang zu diesen Variablen? So könnte etwa das Einkommen der untersuchten Gruppe abgefragt werden.
Beispiel 2: Rassismus

Soll untersucht werden, ob eine bestimmte Personengruppe rassistische Einstellungen hat, muss vorab theoretisch geklärt werden, was Rassismus ist und wodurch rassistische Einstellungen gekennzeichnet sind. Auch hierfür würde man vorab die entsprechende Fachliteratur zur Konzeptspezifikation heranziehen, ehe man überlegt, welche Variablen verlässlich Auskunft darüber geben können, ob und in welchem Maß die befragten Personen rassistische Einstellungen haben. Eine mögliche Operationalisierung könnte etwa sein, Aussagen vorzubereiten, die die verschiedenen Dimensionen des Phänomens abdecken und zu denen sich die Befragten verhalten sollen.

Beispiel 3: Lesekompetenz
Soll untersucht werden, ob und in welchem Maß SchülerInnen über Lesekompetenz verfügen, muss vorab theoretisch modelliert werden, was es heißt, lesekompetent zu sein und woran erkannt werden kann, ob jemand lesekompetent ist. Dazu würde man fachdidaktische Literatur heranziehen und vorhandene Lesekompetenzmodelle prüfen. Danach hieße es, Aufgaben für die ProbandInnen zu entwickeln, deren Bearbeitung die Aspekte von Lesekompetenz verlangen. Anhand der Ergebnisse können Rückschlüsse auf die Lesekompetenz der ProbandInnen gezogen werden. So könnte es etwa um Aufgaben gehen, in denen Informationen aus einem Text extrahiert werden müssen, oder um Aufgaben, die nur mit einem spezifischen Textsortenwissen angemessen bearbeitet werden können. Doch Achtung: Gemessen wird nicht absolut, ob eine Person im definierten Maß lesekompetent ist, sondern nur, ob diese Person ihre vorhandenen Kompetenzen zum Zeitpunkt der Untersuchung abrufen und einsetzen konnte. Dass sich Kompetenz und Performanz, also die Anwendung und der Einsatz der vorhandenen Kompetenzen, nicht zwangsläufig entsprechen, hat wahrscheinlich jedeR schon einmal in Prüfungen erlebt.