Von der Frage zur Methode

Vom Thema zur Fragestellung

Die Anlässe, sich weiterführend und wissenschaftlich mit etwas zu beschäftigen, können ganz unterschiedlich sein – eine interessante Beobachtung im Alltag, im Seminar oder in der Literatur aufgeworfene Fragen. Damit die Untersuchung gelingt, muss die erste Idee oder Frage zu einem plausiblen und funktionierenden Konzept ausgearbeitet werden (Forschungsdesign). Auf dem Weg vom Thema zur Fragestellung sind drei Schritte relevant:

  1. Thematische Entfaltung
    Was gehört alles zum Thema? Was gehört nur am Rande dazu, was gar nicht? Welche Forschungsgebiete werden davon berührt?
  2. Thematische Eingrenzung und Fokussierung
    Inwiefern lässt sich das Thema untergliedern und eingrenzen? Was will ich in meine Untersuchung einbeziehen, was nicht? Wo liegt mein Fokus? Welche Schwerpunkte setze ich? Was muss ich auf jeden Fall einbeziehen, wo gibt es Spielraum?
  3. Fragestellung entwickeln
    Welche Frage(n) habe ich an mein Thema? Was will ich wissen? Welches Erkenntnisinteresse ist damit verbunden? Über wen oder was sollen Aussagen getroffen werden?

Es empfiehlt sich, diese Fragen schriftlich zu beantworten, sei es in Form einer Mind-Map, einer übersichtlichen Tabelle oder als Notizen. Die konzeptionelle Planung der Arbeit sollte in mehreren Durchgängen immer weiter konkretisiert werden, bis eine plausible und im Rahmen des Schreibprojekts handhabbare Fragestellung entwickelt wurde. Kleinere Verschiebungen und Modifikationen sind später immer noch möglich und bisweilen wünschenswert, schließlich ist das Schreiben selbst ein eigener Erkenntnis- und Lernprozess. Das Grundgerüst der Arbeit, oder anders formuliert: das zu untersuchende Forschungsproblem, sollte jedoch so früh wie möglich feststehen. Darauf bauen alle nachfolgenden Entscheidungen und Schritte auf. Es empfiehlt sich, dieses Grundgerüst mit dem/der BetreuerIn zu besprechen. Es ist auch sinnvoll, Feedback von Peers zu erbitten. Dies hilft der eigenen Vergegenwärtigung und legt bestehende Fragen oder Unsicherheiten offen.

Mehr zur Fragestellung gibt es auf dem Schreibportal.

Von der Fragestellung zur Methode

Mit der Festlegung auf eine Fragestellung, mit der weitere Unter- oder Detailfragen verbunden sein können, sind bereits die methodischen Weichen gestellt. Auch wenn immer mehrere methodische Zugänge möglich sind, schließt eine klare Fragestellung bestimmte Wege aus und verengt die Auswahl. Um herauszufinden, welche methodischen Werkzeuge geeignet und praktikabel sein könnten, muss die Forschungsfrage operationalisiert werden. Hierfür sind vier Schritte entscheidend:

1. Theoriebildung
Die Theoriebildung gilt es in zweierlei Hinsicht zu leisten: in Hinblick auf die mit dem Forschungsproblem verbundenen Inhalte und Konzepte sowie in Hinblick auf methodische Fragen. Für beides ist eine Auseinandersetzung mit dem Stand der Forschung unerlässlich: Was gibt es über mein Thema bereits zu wissen? Auf welche Forschungsergebnisse, theoretischen Modelle und Konzepte kann ich zurückgreifen? Auf welchen Annahmen basieren mögliche Methoden? Welches Leistungsvermögen haben sie unter welchen Voraussetzungen? Ziel sollte eine eigene fundierte Vorstellung vom Gegenstand der Untersuchung sein, mit der alle weiteren Fragen verhandelt und methodische Entscheidungen getroffen werden können.
2. Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
Die Datengrundlage muss spezifiziert werden: Mit welchem Material erhalte ich Zugriff auf meine Fragestellung? Wer oder was ist aussagekräftig? Zu bestimmen, welches Material, welche Daten die Grundlage und damit der Gegenstand meiner Untersuchung sind, ist essentieller Bestandteil des Forschungsdesigns. Daten existieren nicht an und für sich, sondern werden von den ForscherInnen während der konzeptionellen Ausgestaltung als Daten identifiziert und plausibilisiert. Die Theoriebildung bzw. die Theoriearbeit ist hierfür Grundlage.

Beispiel
Thema der Untersuchung sind Sozialisationseffekte im Leseerwerb. Nach der thematischen Entfaltung, Eingrenzung und Zuspitzung steht die Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen lesebezogenem Selbstkonzept und Lesekompetenz? Und die Unterfrage oder Konkretisierung: Können SchülerInnen mit schwachem lesebezogenem Selbstkonzept schlechter lesen als SchülerInnen mit einem starken lesebezogenen Selbstkonzept? Ob dies eine lohnenswerte und relevante Fragestellung in der Fachdidaktik sein könnte, lässt sich nur sagen, wenn der Forscher/die Forscherin in das Fachgebiet eingearbeitet ist, die theoretischen Grundlagen kennt und gute Gründe hat anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten bestehen könnte. Um die Forschungsfrage beantworten zu können, muss geklärt werden, wie ein Zugriff auf die Aspekte der Forschungsfrage möglich wird: Welches Material, also welche Daten können etwas über die individuellen lesebezogenen Selbstkonzepte der SchülerInnen aussagen?

3. Operationalisierung
Als Operationalisierung bezeichnet man den Versuch, ein theoretisches Konstrukt am Gegenstand beschreib- oder messbar zu machen. Die Operationalisierung der Forschungsfrage – deren Übersetzung in beobachtbare, messbare oder rekonstruierbare Handlungen – ist zentraler Bestandteil des Forschungsdesigns und Grundlage aller methodischen Entscheidungen. Sie ist eng verbunden mit der Wahl des Untersuchungsgegenstands, der die methodische Übersetzung der Forschungsfrage bestimmt. Um ein theoretisches Konstrukt oder ein soziales Phänomen operationalisieren zu können, braucht es Wissen zum Konstrukt oder Phänomen und zu möglichen methodischen Zugängen und deren Leistungsvermögen

Beispiel
Für die Operationalisierung des lesebezogenen Selbstkonzepts muss klar sein, wie sich dieses Konstrukt theoretisch modellieren lässt, aus welchen Bestandteilen es sich zusammensetzt, welche Faktoren es wie beeinflussen können etc. So würde erkennbar werden, dass Lektüregewohnheiten ebenso relevant sind wie Selbstaussagen (z.B. „Ich bin ein/eine LeserIn.//Ich bin kein/keine LeserIn.“). Die Überlegung ist also, wie die Lektüregewohnheiten der SchülerInnen möglichst umfassend und unverfälscht erfasst werden können und mit welchen Verfahren die Befragten zu Selbstaussagen verleitet oder dazu gebracht werden können, sich zu vorgegebenen Selbstaussagen zu verhalten. Ob Fragebögen, Leseprotokolle oder andere Instrumente passen, ist nicht nur abhängig davon, welches Ziel die Untersuchung hat, sondern bestimmt wesentlich, wie diese Daten ausgewertet werden können und müssen.

4. Methodenfragen
Mit der Operationalisierung gehen unvermeidlich methodische Entscheidungen einher. Diese sollten bewusst getroffen, reflektiert und mit dem/der BetreuerIn der Arbeit abgesprochen werden. Neben den sachbezogenen Erwägungen sind die Rahmenbedingungen ein wichtiger Faktor. Was ist nötig, um eine Forschungsfrage plausibel zu beantworten? Was ist im zeitlichen Rahmen des Schreibprojekts möglich? Die Passung zwischen sachbezogener Plausibilität und projektbezogener Machbarkeit ist wichtig, was gerade für zeitlich stark begrenzte Abschlussarbeiten nicht immer ganz leicht ist. Um den Aufwand für einzelne methodische Vorgehensweisen einzuschätzen, kann es hilfreich sein, sich mit den BetreuerInnen der Arbeit und anderen Studierenden auszutauschen.

 


Literatur
Fragestellung|Design
Die Fragestellung ist das Herz jeder wissenschaftlichen Arbeit. Sie bedingt methodische Entscheidungen und weist den weiteren Weg der Untersuchung.