Episodisches Interview

Diese Interviewform kombiniert Befragung und Erzählung. Es handelt sich also um eine nachgefragte oder gesteuerte Narration, ein Interview, das zwischen einem Leitfadeninterview und einem narrativen Interview steht. Interessant ist diese Form etwa, wenn es um das subjektive Wissen, persönliche Erfahrungen und Einschätzungen, gepaart mit Fachwissen geht, vor allem in speziellen Berufsfeldern und Fachthemen. Die Form eignet sich aber auch für psychologisch komplexere Themen, wo die Selbsteinschätzung relevant ist, zum Beispiel Krankheitsgeschichten. Hier interessiert nicht das ganze Leben der Befragten, sondern nur die Passagen, von denen der/die Befragte ausgeht, dass sie für seinen/ihren Krankheitsverlauf wichtig sind.

Typische Fragen

„Was ist Ihre Erfahrung mit …?“
„Wie schätzen Sie … ein?“
„Erzählen Sie doch mal, wie Sie darauf gekommen sind.“

Der oder die Befragte kann in erzählenden Passagen weiter ausholen, in denen episodisches Wissen erkennbar ist, also persönliche Erfahrungen geschildert werden. In den schnell darauf folgenden Nachfragen der Interviewerin oder des Interviewers wird wiederum semantisches Wissen deutlich, das heißt Wissen um Begriffe und wie diese in Beziehung stehen. In der Auswertung werden narrativ-episodische Elemente mit semantischen oder regelhaften Elementen verbunden. Episodische Interviews sind eine gute Basis für die Theoriebildung in rekonstruktiven Verfahren und für die Entwicklung von Typen und Mustern.

Wichtig ist, der interviewten Person vorab zu sagen, was auf sie zukommt („Ich werde immer mal wieder darum bitten, dass Sie etwas über [den Untersuchungsgegenstand] erzählen.“). Im Interview wechseln sich Erzählaufforderungen, konkrete Fragen und Bitten um persönliche Einschätzungen ab. Vorteilhaft ist, dass diese Form recht nah an einem natürlichen Gespräch ist. Allerdings fällt es nicht allen Befragten leicht, einfach so zu erzählen – was themenabhängig sehr unterschiedlich sein kann. Hier ist Erfahrung mit dieser Fragetechnik von Vorteil.

Beispiel
Die Forschungsfrage lautet: Warum engagieren sich Menschen politisch? Was sind ihre Beweggründe?
Für die Forschungsfrage ist nicht die ganze Lebensgeschichte politischer AktivistInnen interessant, sondern nur die Epidosen, die sie dazu veranlasst haben, sich politisch zu engagieren. Eine gute Einstiegsfrage ist: „Was heißt für Sie, politisch engagiert zu sein?“. Dem schließt sich eine Frage nach privater Erfahrung an: „Wenn Sie sich daran erinnern, als Sie das erste Mal in dieser Gruppe waren. Wie war das damals?“ Dieser Wechsel von Erzählaufforderungen, Fragen nach Konkretem („Wann hat sich die Gruppe in Ihrem Wohnort gegründet?“) und subjektiven Definitionen ist typisch für das episodische Interview.

Ähnlich funktioniert das problemzentrierte Interview. Details zu dieser Methode gibt es auf dieser Seite.

 


Literatur
Uwe Flick (2011): Das episodische Interview. In: Gertrud Oelerich, Hans-Uwe Otto (Hg.): Empirische Forschung und soziale Arbeit. Ein Studienbuch, VS, S. 273–280.