Nominalstil
Sätze im Nominalstil sind durch Nomen (Substantive) und Substantivierungen geprägt. Das ist nicht per se falsch oder unschön – es kommt vielmehr auf die Häufung an. Werden Sätze oder gar ganze Texte vor allem mit Substantivierungen formuliert, leidet die Lesbarkeit. Sätze im Verbalstil wirken hingegen aktivierend und beschleunigen den Lesefluss. Mit den richtigen Verben wird außerdem meist deutlicher, wer oder was in welcher Weise involviert ist.
Beispiel
das Hervorrufen = etwas ruft XY hervor
das Aufzeigen = die Untersuchung hat aufgezeigt
die Verursachung = jemand verursacht etwas
eine Messung durchführen = etwas messen
Zudem produzieren aneinandergereihte Nomen komplizierte Bezüge, was schwer lesbar und fehleranfällig ist.
Beispiel
Bei der Wortfolge das Aufspüren des Fehlers durch das Auswerten des Quellcodes entsteht die Reihe „das des durch das des“, wenn man die Nomen weglässt. Bis die Lesenden erkannt haben, wie hier was womit zusammenhängt, müssen sie den Satz vermutlich mindestens zweimal lesen.
Aus dem gleichen Grund sollten doppelte oder dreifache Genitive vermieden werden.
Beispiel
das Ziel der Untersuchung des Waldes war = den Wald zu untersuchen, ziele darauf ab
die Größe der Stichprobe der Untersuchung betrug 16 ProbandInnen = die Strichprobe umfasste 16 ProbandInnen
Manchmal ist ein treffendes Adjektiv viel kürzer und präziser. Allerdings sollte man gut überlegen, ob ein LINKAdjektiv überhaupt nötig ist.
Beispiel
eine von Vorannahmen nicht geprägte Untersuchung = eine unvoreingenommene Untersuchung
Aufgabenbeschreibung
Die folgenden Satzbeispiele enthalten stilistische Mängel oder Ungenauigkeiten (und sind alle aus Texten, die kurz vor der Publikation noch einmal lektoriert und hier teilweise verfremdet wurden). Im Eingabefeld können Sie sich ausprobieren und die Sätze nach Belieben umbauen. Tipp: Seien Sie bei schwierigen Fällen konsequent und formulieren Sie den gesamten Satz neu, statt nur einzelne Teile zu „reparieren".
Nominalstil Übung 1
Die Klarstellung des Gesetzes betont seit dem 01. September 2009 die Möglichkeit zur Willensäußerung für den Fall der Einwilligungsfähigkeit durch eine Patientenverfügung.
Seit dem 01. September 2009 ist das Gesetz anders/neu formuliert. Nun wird betont, dass eine Willensäußerung dann möglich ist, wenn der Patient dies in seiner Patientenverfügung festgelegt hat.
Seit dem 01. September 2009 ist das Gesetz anders/neu formuliert. Nun wird betont, dass eine Willensäußerung in Form einer Patientenverfügung dann möglich ist, wenn der Patient dazu noch in der Lage ist.
Insgesamt liest sich der Satz sperrig und ruft komplizierte, uneindeutige und teils falsche Bezüge auf. Eine „Klarstellung des Gesetzes“ etwa als Genitivkonstruktion ist schwer nachvollziehbar. Wer hat was klargestellt? Es wurde vermutlich eher novelliert (Fachtermini: genaue Bedeutung und korrekte Verwendung beachten). Eine „Klarstellung“ kann nichts betonen, sondern nur infolge einer Klarstellung kann das Gesetz etwas betonen oder hervorheben. Die Verbindung aus Einwilligungsfähigkeit und Patientenverfügung ist nicht ganz eindeutig: In der Verfügung wird nicht verankert sein, ob der Patient einwilligungsfähig ist, was aber durch „für den Fall“ so verstanden werden könnte.
Aufgabenbeschreibung
Die folgenden Satzbeispiele enthalten stilistische Mängel oder Ungenauigkeiten (und sind alle aus Texten, die kurz vor der Publikation noch einmal lektoriert und hier teilweise verfremdet wurden). Im Eingabefeld können Sie sich ausprobieren und die Sätze nach Belieben umbauen. Tipp: Seien Sie bei schwierigen Fällen konsequent und formulieren Sie den gesamten Satz neu, statt nur einzelne Teile zu „reparieren".
Nominalstil Übung 2
Die Einblicke in die Entwicklung bioethischer Positionen im Italien der vergangenen zwei Jahrzehnte ermöglichen vor diesem Hintergrund Aufschlüsse über Tendenzen der Kulturgenese eines für Fragen der Ordnung zentralen Themenfeldes.
Die in Italien geführten bioethischen Debatten der letzten zwei Jahrzehnte zeigen/verdeutlichen Tendenzen und Entwicklungen, die für die Ordnung und ihre Begründung von entscheidender Bedeutung sind.
Die präzise Verwendung von Verben „aktiviert“ die Sätze und gibt ihnen Dynamik. Zudem provozieren viele Nomen unklare Bezüge, die sich allerdings im Nomendschungel verstecken. Hier: die „im Italien der Jahrzehnte“ oder „die Kulturgenese eines Themenfeldes“.
Aufgabenbeschreibung
Die folgenden Satzbeispiele enthalten stilistische Mängel oder Ungenauigkeiten (und sind alle aus Texten, die kurz vor der Publikation noch einmal lektoriert und hier teilweise verfremdet wurden). Im Eingabefeld können Sie sich ausprobieren und die Sätze nach Belieben umbauen. Tipp: Seien Sie bei schwierigen Fällen konsequent und formulieren Sie den gesamten Satz neu, statt nur einzelne Teile zu „reparieren".
Nominalstil Übung 3
Anwesende auf der Baustelle haben deswegen bspw. die Pflicht zum Tragen von Sicherheitsschuhen und Schutzhelmen.
Anwesende auf der Baustelle sind deswegen verpflichtet, Sicherheitsschuhe und Schutzhelme zu tragen.
Wer sich auf einer Baustelle bewegt, ist daher verpflichtet, Sicherheitsschuhe und Helm zu tragen.
Die „Pflicht zum Tragen" lässt sich aktivischer und schöner mit einem Verb ausdrücken. Auch die „Anwesenden" ist eine umständliche Formulierung. Schließlich: Jeder Helm soll den Kopf schützen. Es braucht also eine gute Begründung für den Begriff Schutzhelm (was jedoch nicht falsch ist).
Aufgabenbeschreibung
Die folgenden Satzbeispiele enthalten stilistische Mängel oder Ungenauigkeiten (und sind alle aus Texten, die kurz vor der Publikation noch einmal lektoriert und hier teilweise verfremdet wurden). Im Eingabefeld können Sie sich ausprobieren und die Sätze nach Belieben umbauen. Tipp: Seien Sie bei schwierigen Fällen konsequent und formulieren Sie den gesamten Satz neu, statt nur einzelne Teile zu „reparieren".
Nominalstil Übung 4
Dieses Defizit in der Aufmerksamkeit für die Umgebung veranlasste beispielsweise das Verbot zur Interaktion mit Mobiltelefonen während des Autofahrens.
Die geringere Aufmerksamkeit für die Umgebung veranlasste beispielsweise das Verbot, während des Autofahrens ohne Freisprechanlage zu telefonieren.
Während des Autofahrens ohne Freisprechanlage zu telefonieren, lenkt ab und ist deshalb verboten. Es sei denn, man nutzt eine Freisprechanlage.
Eine (beim Autofahren verbotene) Interaktion mit dem Telefon ist kurz und bündig mit "telefonieren" umschrieben. Die Einschränkung (die Freisprechanlage) lässt sich einfach einflechten oder sogar in einen zweiten Satz verschieben.