Zitieren

Einen Überblick über das große Thema Zitieren bietet das Video, in dem wir kurz die wichtigsten Aspekte erklären.

Es gibt – grob vereinfacht – zwei Arten, wie Zitate in wissenschaftliche Texte eingebunden werden können: Als Beleg der eigenen Forschungsperspektive, also als wissenschaftliches Fundament oder Forschungsstand, und als Quelle oder konkrete Belegstelle.

1. Das wissenschaftliche Fundament oder der Forschungsstand

Das idealisierte (und damit nur bedingt praxistaugliche) Selbstbild wissenschaftlichen Arbeitens sieht einen permanenten Fortschritt vor. Aufbauend auf allem, was zu einem Thema, zu einer Fragestellung oder zu einem Problem bereits gesagt oder geforscht wurde, werden neue Aspekte beleuchtet, neue Daten erhoben oder alte, fragwürdige Zusammenhänge kritisiert. Zitationen dienen dazu, das wissenschaftliche Fundament, auf dem ein Text steht, kenntlich zu machen. Sie dienen als Beleg der eigenen Forschungsperspektive.

Wichtig ist, dass es mittlerweile in den meisten Fachbereichen kaum mehr möglich ist, einen tatsächlich umfänglichen Forschungsüberblick darzustellen. Dennoch muss der eigene Argumentationsgang mit Zitaten(LINK AUF ZITATFORMEN) kenntlich gemacht werden (auch um jedem LINKPlagiatsverdacht aus dem Weg zu gehen). Die Phrase „viel hilft viel“ ist hier gänzlich unangemessen. Es kommt eher darauf an, die für den Wissenschaftsbereich und die eigene Perspektive wichtigen Texte und Argumente aufgerufen zu haben. Wer zum Beispiel mit der Grounded Theory eine Untersuchung aufziehen will, muss nicht die Entstehungsgeschichte dieses methodischen Werkzeugs mit Zitaten belegen. Viel wichtiger wäre es, die Verknüpfung von Untersuchungsgegenstand und Methode (oder Theorie) plausibel zu entfalten.

Beispiel
In Anlehnung an Sereno und Rayner (2003) wurde eine Kombination aus EEG und Eyetracking gewählt. Bislang gibt es keine Studie, die beide Methoden für diesen Untersuchungsgegenstand miteinander verknüpft hat.

Der Verweis, wie die Methoden verknüpft werden sollen, steht im ersten Satz als sinngemäßes Zitat und gibt Orientierung. Im zweiten Satz gibt es keine Belege, weil bisher noch niemand etwas dazu veröffentlicht hat.

Oft erscheint es wie eine Gratwanderung, wann nun zu viel und wann zu wenig zitiert wird. Häufig werden Leseprotokolle angefertigt, die den eigenen (vielleicht begeisterten) Erkenntnisweg mehr oder weniger gut dokumentieren – nur dass dies für einen wissenschaftlichen Text nicht relevant ist. Oder es werden Autoritäten aufgerufen, mit denen der eigene Gedanke geadelt und abgesegnet werden soll. Die Idee ist dann etwa: „Wenn Jürgen Habermas oder Judith Butler dieses oder jenes auch schon argumentiert haben, dann bin ich auf der richtigen Seite und repräsentierte ganz nebenbei, was ich gelesen habe.“ Besser als Namedropping ist allerdings eine knapp dargestellte und gut begründete Auswahl, die zeigt, dass man in der Lage ist, Wichtiges von Unwichtigem, Relevantes von weniger Relevantem trennen und fokussiert argumentieren zu können. Zitate sind Brücken zwischen Argumenten und theoretischen Entwürfen. Dabei gilt: Gut dosiert ist halb gewonnen.

2. Quellen und Belegstellen: Das Datenmaterial

Zitate, also Textpassagen oder Aussagen anderer, gelten in anderen Kontexten als Belegstellen oder Quellen für die eigene Argumentation. In diesem Fall haben wir es mit konkreten Materialien zu tun, die Zitate als empirische Grundlage der Argumentation bereitstellen. Wichtig ist, präzise zu zitieren und anschließend intensiv mit den Zitaten zu arbeiten. Nicht selten kommt es vor, dass der folgende Text das Zitat noch einmal wiederholt oder Quellen und Belegstellen unverbunden neben dem Text stehen, ohne sie tatsächlich zu verwenden. Der Rest (Status der Quelle, Art und Weise des Umgangs mit einem Zitat, wie viele Belegstellen es für eine konkrete Aussage braucht usw.) kommt auf den methodischen oder theoretischen Blick und den Fachbereich an.

Negativbeispiel

„Psychologische Versuche verschaffen sich selten vor Festlegung des Versuchsdesigns Klarheit darüber, welche sprachlichen Strukturen […] mit den untersuchten mentalen Vorgängen korrelieren“ (Hartung, 1998: 48). Man kann also davon ausgehen, dass viele psychologische Experimente im Vorfeld gar nicht beachten, wie die Sprache mit den mentalen Vorgängen zusammenhängt.

Hier wird einfach wiedergegeben, was schon direkt zitiert wurde. Solche Redundanzen sollte man vermeiden, sondern das Zitat für sich stehenlassen und darauf aufbauend weiter argumentieren.

Negativbeispiel

Connexine sind entwicklungsgeschichtlich eine alte Proteinfamilie; beim Menschen sind bislang 21 Isoformen identifiziert worden (Söhl & Willecke, 2004). Viele Faktoren beeinflussen auf verschiedene Weise die Leitfähigkeit von Gap Junction-Kanälen.

Das indirekte Zitat, so sinnvoll es für die Grundlagen des Textes sein mag, wird im Folgesatz nicht weiter aufgegriffen. Stattdessen fokussiert der zweite Satz bereits einen sehr spezifischen Teil. Dass beides inhaltlich zusammenhängt, muss man wissen, ergibt sich aber nicht aus dem Text.

Was muss zitiert werden?

Zitate müssen relevant sein und der eigenen Argumentation sichtlich helfen. Zu häufig wird wissenschaftliches Schreiben damit verwechselt, jede Kleinigkeit, jede Deutung und jede Prämisse belegen zu wollen oder zu müssen. Allgemein anerkannte Annahmen müssen nicht zitiert werden.

Beispiel

Der Klimawandel ist ein Thema, das aus den Medien nicht mehr wegzudenken ist.

Hier muss keine Quelle angeführt werden, weil diese Aussage als allgemein gültig und bekannt vorausgesetzt werden kann.

Wer etwa mit leitfadengestützten Interviews arbeitet, sollte kurz und knapp darlegen, wie die Methode genau aussieht. Eine langwierige Einordnung in die methodischen Entwicklungen der Soziologie ist überflüssig, es sei denn, die Methode ist selbst der Untersuchungsgegenstand.

Wo beginnt der eigene Gedanke?

Die Grenze ist schwer zu definieren und nicht leicht zu finden. Gerade in Haus- oder Bachelorarbeiten kann man prinzipiell nur sehr bedingt etwas tatsächlich Neues, Eigenes argumentieren. Das ist nicht schlimm, weil Studierende in Haus- oder Bachelorarbeiten vor allem zeigen sollen, dass sie wissenschaftliche arbeiten können. Auch haben vergleichende Arbeiten oft einen reproduzierenden Charakter. Hier liegt die Eigenleistung eher im selbstständigen Gedanken oder in der eigenen Formulierung, etwa einer Umschrift oder Verarbeitung theoretischer Abfolgen und ihr Vergleich zu anderen Theorien.

In Masterarbeiten oder Dissertationen, gehen die Dinge (je nach Fachbereich) häufig durcheinander. Wer etwa nach einer längeren theoretischen Auseinandersetzung mit Judith Butler, Julia Kristeva oder Gayatri Chakravorty Spivak eine Arbeit zum Thema Sex und Gender schreibt, wird nur schwer trennscharf die eigene Position von den theoretischen Wurzeln, aus denen sie erwachsen ist, unterscheiden können. Das Gelesene beeinflusst das Gedachte und das Fremde wird zum Eigenen. Die Eigenleistung besteht dann schließlich darin, verschiedene Theorien (geschickt) zu kombinieren, zu verarbeiten und vor allem anzuwenden oder Methoden zu nutzen – sauber und detailliert nachvollziehbar mit dem Ziel einer neuen empirischen Erkenntnis. Auch hier muss allgemein Anerkanntes nicht zwangsläufig belegt werden.

Finden, Lesen, Zitieren
Wie recherchiert es sich am besten? Wie werden Quellen und Belege im Text verbaut? Warum ist Literaturverwaltung mit Datenbanken eine feine Sache und was genau ist ein Plagiat?