Gendern
Mittlerweile ist es in wissenschaftlichen Texten üblich, genderneutral zu formulieren und das generische Maskulinum (also die männliche Form, die für alle Geschlechter steht) zu vermeiden. Diskussionen zur konkreten Form und zum Sinn der Sache werden heiß geführt. Wir stellen einige Versionen vor, wie Gleichberechtigung im Text verankert werden kann und weisen auf Probleme und sogenannte Hyperkorrekturen hin. Die Übungen sollen diese Schwierigkeiten unterstreichen und Möglichkeiten aufzeigen, wie drohende Probleme umgangen werden können.
Egal, welche Variante im Text gewählt wird: Man sollte sich für eine Form entscheiden und die konsequent umsetzen. (Außer bei wörtlichen Zitaten. Hier wird der Text so übernommen, wie er ursprünglich formuliert war.)
Am besten sind geschlechtsneutrale Formulierungen, die sich im Deutschen nur leider nicht immer anbieten. Hier können zum Beispiel Partizipformen helfen: die Verwitweten (statt Witwe und Witwer), die Studierenden, die Beratenden, die Interviewenden und die Interviewten, Lehrernde (statt Lehrerinnen und Lehrer).
Manchmal sind Synonyme passend, etwa Kinder (statt Mädchen und Jungen), Jugendliche, Mitglieder (nicht Mitgliederin, das wäre eine Hyperkorrektur), Gäste (statt Besucher; auch Gästin wäre eine Hyperkorrektur), Feuerwehrleute, Kaufleute, Kundschaft (statt Kunde), Publikum (statt Zuschauer), Lehrkraft, Person, Mensch. Statt von jedermann ist es leicht, von alle zu sprechen.
Es gibt Formulierungen, die nur scheinbar Geschlechtergerechtigkeit markieren, häufig jedoch genau das Gegenteil bewirken, also gesellschaftliche Hierarchien manifestieren. So sollte es statt Krankenschwestern und Krankenpfleger lieber medizinisches Personal oder Pflegekräfte (alternativ Pfleger*innen etc.) heißen. Bitte nicht von Putzfrauen und -männern, sondern von Reinigungskräften schreiben. Bei Chef und Sekretärin wird schnell deutlich, wie die traditionelle Verteilung in der Arbeitswelt ist. Hier kann man von Vorgesetzten und Assistent*innen oder Mitarbeiterenden sprechen. (Interessanterweise ist ein Sekretär meist eine gehobene Position.)
Geschlechtsneutrale Bezeichnungen für Nonnen und Mönche sind vermutlich noch nicht etabliert.
(Im Englischen gelten Personenbezeichnungen wie officer, judge oder teacher problemlos für alle Geschlechter. Hier bereitet sogar das Personalpronomen keine Schwierigkeit. Wo im Deutschen „er“ oder „sie“ nicht problemlos mit „es“ ersetzt werden kann, weil das respektlos wäre, hat sich statt „he“ und „she“ das (eigentliche Plural-)Pronomen „they“ durchgesetzt. Auch das Possessivpronomen (seine/ihre) wird verwendet: „their“.)
Vorteil:
Alle Geschlechter werden repräsentiert, Dopplungen vermieden und die Lesbarkeit wird nicht aufgrund typografischer Besonderheiten erschwert.
Nachteil:
Nicht für alle Bezeichnungen gibt es entsprechende Begriffe. Gerade in Fachsprachen kann das zulasten der Präzision gehen – sind Kaufende, Mietende und Wählende wirklich synonym zu Käufer*innen, Mieter*innen und Wähler*innen?
Sind keine neutralen Bezeichnungen möglich, dann ist das Sternchen eine Option, also das Asterisk (*). Es wird zwischen die maskuline und die feminine Endung gesetzt: der*die schlaue Leser*in, der*die Intendant*in, Patient*in und so weiter.
Vorteil:
Hier sind alle Geschlechter gemeint.
Nachteil:
Problematisch sind Formen, die mit einem Umlaut daherkommen: der*die Arzt*in oder der*die Ärzt*in, der*die Koch*in oder Köch*in funktioniert nicht oder ist sehr schwer lesbar. Hier ist es besser, einfach beide Formen zu nennen, etwa der*die Arzt*Ärztin oder der Arzt oder die Ärztin.
An die Stelle des Gendersterns kann auch ein Doppelpunkt gesetzt werden, Schüler:innen, Leser:innen, Proband:innen.
Vorteil:
Hier sind alle Geschlechter gemeint. Typografisch sticht der Doppelpunkt nicht so heraus wie der Genderstern.
Nachteil:
Auch hier sind Formen mit Umlaut kompliziert, also der:die Arzt:in oder Ärzt:in, der:die Bauer:in oder Bäuer:in. Hier gilt das Gleiche wie beim Genderstern: Beide Formen nennen, etwa der:die Arzt:Ärztin oder der Arzt oder die Ärztin.
Auch mit einem Unterstrich zwischen männlicher und weiblicher Endung werden alle Geschlechter angesprochen: Matros_innen, Künstler_innen, Fahrer_innen.
Vorteil:
Alle Geschlechter sind gemeint.
Nachteil:
Die Umlautproblematik ist die gleiche wie beim Doppelpunkt oder Genderstern.
Diese Version, die Gleichbehandlung im Schreiben zu verankern, ist recht üblich. Hier wäre von LehrerInnen und von PolitikerInnen die Rede.
Vorteil:
Frauen und Männer werden in einem Begriff repräsentiert.
Nachteil:
Die geschlechtliche Binarität wird betont. Menschen, die sich weder als weiblich noch männlich definieren, sind nicht angesprochen.
Die Form ist nach den gültigen Rechtschreibregeln eigentlich falsch, weil es innerhalb eines Wortes keine Großbuchstaben gibt. Sie lässt sich zudem schlecht beugen und noch schlechter lesen, etwa im Singular bei der/die aktive LehrerIn oder ein/eine aktive/r LehrerIn.
Bei den Bezeichnungen mit Umlaut gibt es die gleichen Schwierigkeiten wie beim Genderstern oder beim Doppelpunkt.
Bei dieser Schreibweise wird ausschließlich die männliche Form verwendet. Wer sich für diese Variante entscheidet, sollte bei der ersten Personenbezeichnung im Text eine Fußnote einfügen, in der zum Beispiel steht: „Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.“
Vorteil:
Die Lesbarkeit wird nicht eingeschränkt. In der Fußnote „alle Geschlechter“ zu schreiben, umgeht die geschlechtliche Binarität (also nur Männer und Frauen anzusprechen, nicht aber Menschen, die sich dort nicht verorten).
Nachteil:
Die männliche Wortform suggeriert, dass es sich nur um Männer handelt. Ist die Rede von Schülern, Politikern oder Ärzten ist also nicht klar, ob auch Frauen dabei waren. Wird an manchen Stellen doch eine weibliche Bezeichnung verwendet, werden Genderunterschiede manifestiert, etwa wenn es heißt der Chef und die Sekretärin oder Ärzte und Krankenschwestern. So ist es sehr schwer, sich vorzustellen, dass es auch die Chefin und der Sekretär oder Ärztinnen und Pfleger sein können.
Manchmal entstehen unglückliche Formulierungen wie die weiblichen Patientinnen, was redundant ist. Hier ist es besser, von Patientinnen zu sprechen, wenn es sich um Frauen handelt.
Nonbinäre Menschen mitzudenken ist noch schwieriger, als weibliche Personen mitzulesen.
In dieser Version werden die Dinge umgekehrt, und es wird für alles die feminine Version aufgerufen. Die Begriffe Lehrerinnen oder Politikerinnen sollen demzufolge beide Geschlechter repräsentieren. Dass jeweils kein einzelnes Geschlecht herausgehoben ist, wird dann zumeist in einer Fußnote am Beginn des Textes vermerkt.
Vorteil:
Die Hierarchien werden, wenn man so will, umgekehrt. Diese Version ist grammatisch sauber und behindert zumindest auf den ersten Blick die Lesbarkeit nicht.
Nachteil:
Das generische Maskulinum ist im Bewusstsein der Lesenden häufig so solide eingeübt, dass konsequent feminine Formen für Verwirrung sorgen können. Intuitiv liest es sich wiederholt so, als ob tatsächlich nur Frauen gemeint wären. Der Satz: “Studentinnen der Medizinischen Fakultät haben sich im Vergleich zum Vorjahr bei ihren Examensergebnissen signifikant verschlechtert.“ provoziert schnell das Bild, es würde sich nur um die weiblichen Studierenden handeln.
Nonbinäre Menschen finden keine Erwähnung.
Bei dieser Variante wird beliebig zwischen femininen und maskulinen Formen gesprungen.
Vorteil:
Beide Geschlechter werden – im Idealfall – zu gleichen Teilen repräsentiert.
Nachteil:
Wenn doch mal nur die eine oder andere Gruppe adressiert werden soll, wird die Sache sehr kompliziert (etwa Patientinnen in einer gynäkologischen Praxis). Wird zum Beispiel ein Hörer-Sprecherin-Modell beschrieben, sollte es nicht in der Erklärung dazu plötzlich Hörerin und Sprecher heißen. Das könnte verwirrend sein. Zudem greift auch hier der beschriebene Reflex: Man liest das Geschlecht unweigerlich mit.
Auch bei dieser Variante wird die geschlechtliche Binarität betont.
Bei dieser Version wird konsequent von Arbeiterinnen und Arbeitern oder von Bürgern und Bürgerinnen gesprochen.
Vorteil:
Die Ausdrucksweise ist formal korrekt und beachtet die Gleichbehandlung. Welche Form zuerst genannt wird, ist egal, da eine tatsächliche Gleichberechtigung nicht zwangsläufig den Damen den Vortritt lässt, wie es der Knigge verlangen würde. Diese Form eignet sich eher für das Sprechen als für das Schreiben.
Nachteil:
Sie behindert den Rede- und Lesefluss und produziert sehr viel Text. Man hat schon Menschen von “Behörden und Behördinnen” reden hören, was eine hyperkorrekte Form wäre, also auch an Stellen eingesetzt wird, an denen es gar nicht passt. Wenn Texte viel von oder über Personen(-gruppen) berichten, kann diese Schreibweise einige Stolpersteine bereithalten.
Die geschlechtliche Binarität wird betont. Menschen, die sich weder als weiblich noch männlich definieren, sind nicht angesprochen.
In manchen Fachbereichen haben sich Abkürzungen etabliert, die für sehr oft genutzte Personenbezeichnungen eingesetzt werden. So ist es in den Erziehungswissenschaften nicht unüblich von SuS zu schreiben, also von Schülerinnen und Schülern. Hier empfiehlt sich trotzdem, beim ersten Auftauchen im Text zu schreiben: „Die Schülerinnen und Schüler (kurz SuS) wurden befragt, …“
Vorteil:
Diese Form ist sehr kurz und gut lesbar.
Nachteil:
Es gibt nur sehr wenige Fachbereiche, in denen solche Abkürzungen etabliert sind. Ob es sinnvoll ist, sich selbst Kurzformen auszudenken, kann man nicht pauschal sagen, sondern hängt vom Thema der Arbeit ab.
Auch hier bleibt eine binäre Geschlechterverteilung dominant.