Gruppendiskussion
In manchen Fällen ist es sinnvoll, statt einzelner Interviews Gruppendiskussionen zu führen. Der grobe Ablauf ist wie bei narrativen Einzelinterviews, das heißt, eine Eingangsfrage oder ein Erzählstimulus bildet den Anfang. Wenn die Gruppe zu diesem ersten Input nicht weiterdiskutieren zu können scheint, stellt der Forscher oder die Forscherin immanente, das heißt sich thematisch einfügende oder aus der Diskussion hervorgehende Fragen. Abschließend, wenn noch Zeit und Energie übrig ist, folgen examnente, also weiterführende und vom eigentlichen Kern der Debatte wegführende Fragen.
Sinnvoll für …
Gruppendiskussionen sind vor allem dann sinnvoll, wenn es ein gruppenbezogenes Erkenntnisinteresse gibt, wenn etwa gruppenbezogene Interaktionen erforscht werden sollen. In anderen Fällen müssen Vor- und Nachteile gut abgewogen sein. Die Zusammenstellung der Gruppe hängt genuin vom Forschungsinteresse ab. Neben praktischen Fragen (welche Gruppe lässt sich überhaupt wie auf eine Diskussion dieser Art ein?) gibt es prinzipiell viele Möglichkeiten, Diskussionsrunden zusammenzustellen, etwa als möglichst homogene oder möglichst heterogene Gruppen. Die Fragestellung ist entscheidend.
Vor- und Nachteile
In Gruppen können eigendynamische Gespräche entstehen, die mehr Informationen zutage fördern als es in Einzelgesprächen (also in Interviews) möglich ist. Dies kann mitunter erkenntnisreich sein.
Das auch an anderen Stellen erkennbare Problem der sozialen Erwünschtheit kann in Gruppen besonders ausgeprägt sein. JedeR einzelne spricht schließlich immer mit und vor einer ganzen Gruppe, in der mögliche offene oder unterschwellige Meinungsführerschaften existieren. Dies kann einen am Ende nicht bestimmbaren Bias, also eine Art qualitativen Messfehler provozieren. Hinzu kommt, dass die Auswertung von Gruppendiskussionen aufwendig ist, allein die Transkription nimmt eine Menge Zeit in Anspruch.
Ein Sonderfall, der vor allem in den Medienwissenschaften und der Marktforschung anzutreffen ist, sind fokussierte Interviews. Stimulus ist oft ein Film, ein Text oder eine Situation, die alle TeilnehmerInnen kennen. Der Fokus liegt darauf, wie die Einzelpersonen diesen Stimulus wahrgenommen haben und darauf reagieren. Weniger interessant sind die Gesprächsanteile innerhalb der Gruppe. Der Interviewer oder die Interviewerin greift stärker ein als bei Interviews ohne diesen Fokus.
- Vogl, Susanne (2019): Gruppendiskussion. In: Baur, Nina & Blasius Jörg (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 695–700.
- Bohnsack, Ralf & Przyborski, Aglaja & Schäffer, Burkhard (Hrsg.) (2010): Das Gruppendiskussionsverfahren in der Forschungspraxis. Opladen: Budrich.
- Kühn, Thomas & Koschel, Kay-Volker (2011): Gruppendiskussionen. Wiesbaden: Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften.
- Przyborski, Aglaja & Monika Wohlrab-Sahr (2014): Qualitative Sozialforschung: ein Arbeitsbuch. 4. erweiterte Auflage. München: Oldenburg, S.88–101.