Sommerlektüretipps: Die Nominierungslisten zum Deutschen Jugendliteraturpreis und zum Preis der Leipziger Buchmesse 2023

Sommerzeit ist Lesezeit – und damit Gelegenheit, sich mit den Nominierungslisten des Preises der Leipziger Buchmesse und des Deutschen Jugendliteraturpreises zu beschäftigen. Beide wurden am 23.3. 2023 verkündet, der Preis der Buchmesse am 27.4. verliehen, während der Deutsche Jugendliteraturpreis am 20.10. im Rahmen der Frankfurter Buchmesse verliehen wird.

Für den Deutschen Jugendliteraturpreis wurden 32 Titel von 669 eingereichten Bewerbungen aus rund 7.500 Titeln nominiert, die jährlich auf dem deutschen Kinder- und Jugendliteraturmarkt erscheinen. Der Deutsche Jugendliteraturpreis kann in dieser unübersichtlichen Fülle an Angebot eine erste Orientierungshilfe bieten. Die Nominierungen der Kritikerjury sind in die Kategorien Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch gegliedert, gesondert herausgestellt werden der Preis der Jugendjury und der Sonderpreis Neue Talente. Die Zusammenstellung der nominierten Titel ist in Form und Inhalt abwechslungsreich und die kurzen Inhaltsangaben der Jurys wirken teilweise sofort lesemotivierend. Vertreten sind neben Romanen spielerische Bilderbücher zum Mitmachen (Wie man bis eins zählt oder Spinne spielt Klavier), Versromane (Die Sonne, so strahlend und Schwarz) und Graphic Novels (Harte Schale, Weichtierkern).

Auch auf inhaltlicher Ebene stellt die Nominierungsliste eine Auswahl an Literatur dar, die eine Vielfalt an Identifikationsangeboten für Kinder und Jugendliche bietet: Die Titel handeln unter anderem von dem Verhältnis zwischen den Generationen (Wie anders ist alt), queerer Liebe (Queergestreift), Verlust (Birdie und ich) und Kinderarmut (Nordstadt). Viele Protagonist:innen scheinen auf der Suche nach ihrer Identität für sich und innerhalb der Gesellschaft zu sein, stellen dabei aber verschiedene Lebensbereiche in den Fokus. Die Vorsitzende der Kritikerjury, Prof. Dr. Iris Kruse fasst zusammen: „Es sind kraftvolle Titel, die mit beachtlicher Kreativität Themen verhandeln, die für ein gerechtes und gutes Zusammenleben in einer Gesellschaft wichtig sind.“ Die Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis kann daher auch für den Deutschunterricht interessant sein und die Bücherwahl für das kommende Schuljahr inspirieren. Lit4School wird in den nächsten Wochen und Monaten nominierte Titel in der Datenbank aufnehmen und – sofern schon vorhanden – die Praxistipps für eine Umsetzung im Unterricht des Arbeitskreis Jugendliteratur verlinken.

Perspektivreich für den Deutschunterricht – und somit lohnend für die Sommerlektüre von Lehrkräften – sind auch die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse: Neben Dinçer Güçyeters Unser Deutschlandmärchen, dem Gewinner, wurden Ulrike Draesners Die Verwandelten Joshua Groß’ Prana Extrem, Clemens Setz’ Monde vor der Landung sowie Angela Steideles Aufklärung nominiert. Auch auf dieser Liste findet sich eine Fülle von Themen und Formen: Das Gewinnerbuch Unser Deutschlandmärchen zeichnet in experimentellen Formen, die Gebete, Monologe, Dialoge und Chöre verbinden die Suche einer türkisch-deutschen Familie nach Sprache und Heimat. Im Mittelpunkt steht das Anwerbeabkommen der Bundesrepublik Deutschland, dessen Folgen für die Angeworbenen vor allem aus weiblicher Sicht dargestellt werden. Unser Deutschlandmärchen könnte als Gegenstand des Deutschunterrichts vor allem für westdeutsche Bundesländer mit einem hohen Anteil Türkeistämmiger interessant sein.

Eine ganz andere, aber ebenfalls weiblich dominierte und transnationale Familiengeschichte erzählt Ulrike Draesners Die Verwandelten. In der Begründung der Jury heißt es: “Die Verwandelten sind Frauen, die im Zuge von Krieg und Ideologie ihre Rolle oder gar ihre Identität wechseln mussten. Ulrike Draesner folgt den weiblichen Linien einer verzweigten Familie, um über Macht und deren Wirkung zu erzählen. Die zeitlich und regional unterschiedlich gefärbte Sprache des Romans, die auch Humor kennt, führt drängend zu Fragen der Gegenwart.”

Sächsichen Lehrkräften möchten wir besonders Angela Steideles Aufklärung ans Herz legen: Dieser Roman über das Leipzig des 18. Jahrhunderts wird erzählt von Dorothea Bach, der ältesten Tochter Johann Sebastian Bachs. Auch hier dominiert also ein weiblicher Blick und stiftet ungewöhnliche Einsichten in die Kultur der Aufklärung, in Musik, Dichtung und Wissenschaft des 18. Jahrhunderts. Durch den “fremden” Blick Dorothea Bachs erweisen sich viele der behandelten Themen als überraschend aktuell.

— Silke Horstkotte und Charlotte Nagels



Sie sprechen mehr als eine Sprache? Dann gehören Sie damit zur großen Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen! 

Laut einer Spracherhebung des Leibniz-Instituts und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gaben im Jahr 2018 ein Fünftel der Befragten an, mehr als eine Sprache in ihrem Haushalt zu sprechen. Über ein Drittel aller Schüler*innen sprechen bei der Einschulung neben dem Deutschen noch mindestens eine weitere Sprache, wie das Mercator Institut für Sprachförderung in einem Faktencheck feststellt. Spätestens mit dem Fremdsprachenunterricht in der Schule werden alle Kinder und Jugendlichen mehrsprachig. Diese individuelle Mehrsprachigkeit bedeutet nach heutigem Konsens nicht, dass beide (oder mehrere) Sprachen auf muttersprachlichem Niveau beherrscht werden müssen. Vielmehr definiert sie sich durch die „Fähigkeit […], in mehreren Sprachkontexten zu kommunizieren – und dies unabhängig davon, auf welche Weise die beteiligten Sprachen erworben oder wie gut sie beherrscht werden“.

Sprachliche Vielfalt ist gesellschaftliche Realität und gerade in Schulen und Kitas für viele Kinder alltägliche Normalität. Eine Grundannahme dabei ist, dass für eine effektive Sprachförderung eine sprachenfreundliche Atmosphäre und Wertschätzung von Mehrsprachigkeit die Basis sind – dabei sollte nicht nur auf die (prestigeträchtigen) Schulfremdsprachen eingegangen werden, sondern auch auf die Sprachen die die Schüler*innen aus ihren Familien oder migrationsbedingt mitbringen. Sprachen bieten Zugang zu Wissen und Kultur. Mehrsprachigkeit kann sich zudem positiv auf die kognitive und sprachliche Entwicklung auswirken. Studien zeigen zum Beispiel, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, leichter weitere Sprachen lernen und sich besser in andere hineinversetzen können.

Wie kann in Schule und KiTa eine entsprechende Wertschätzung von Mehrsprachigkeit sichtbar gemacht werden?

Anstatt eines „Deutschgebots“ auf Schulhof oder im Unterricht kann zum Beispiel eine freie Sprachwahl bei Gruppen- oder Partnerarbeit angeboten werden – natürlich nur, wenn alle Beteiligten die Sprache beherrschen und einverstanden sind. Das Schulhaus kann mehrsprachig beschildert werden, Begrüßungen können in den verschiedenen Sprachen der Schüler*innen gelernt werden. Schüler*innen können sogenannte Sprachportraits anfertigen, wobei sie in die Umrisse eines Körpers alle Sprachen mit Farben malen und vorstellen, weshalb welche Sprache an welcher Stelle des Körpers verortet wurde. Sprachvergleiche können im Unterricht angestellt werden. Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt und sie sollen zu einem unterstützenden Umgang führen.

Wir, als Team von Lit4School, möchten Bücher vorstellen, die mehrsprachig sind oder Mehrsprachigkeit einbeziehen und sichtbar machen. Diese Bücher können in einer Leseecke zur freien Verfügung stehen, vorgelesen werden – auch unter Einbezug von Eltern – und gemeinsam besprochen werden. 

Hier eine Auswahl unserer Bücher, die sich mit Mehrsprachigkeit beschäftigen:

Mehrsprachige Bilderbücher:

Romane über Mehrsprachigkeit: 

— Anne Seeger


„Die Gefahr einer einzigen Geschichte“ oder „The danger of a single story“ – der so betitelte Vortrag der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie ist mit fast 9,5 Millionen Aufrufen auf youtube (Stand November 2021) eines der am meisten gesehenen Videos einer TEDx-Konferenz.

Von welcher Geschichte erzählt die Autorin? Adichie schrieb schon als Kind Geschichten. Geschichten, in denen zunächst ausschließlich weiße Menschen des globalen Nordens vorkamen und das, obwohl sie selbst nie außerhalb Nigerias gewesen war. Denn die Protagonist*innen ihrer Geschichten ähnelten den Figuren, die sie selbst aus ihren Kinder- und Jugendbüchern kannte.

Als Adichie zum ersten Mal ein Buch des nigerianischen Schriftstellers Chinua Achebe liest, macht sie eine bestärkende, augenöffnende Entdeckung: Figuren, die ihr Leben widerspiegeln, die ihr ähnlich sind und sie repräsentieren. Adichie weist anhand weiterer Beispiele daraufhin, wie iel Macht Geschichten haben und welche Gefahr damit einhergeht, wenn nur eine Perspektive beziehungsweise eine Erzählung über eine Region oder Gruppe an Menschen gelesen oder gehört wird: die – der Realität innewohnende – Komplexität wird zugunsten von Stereotypen und Vorurteilen aberkannt.

Wie können wir dieser „einzigen Geschichte“ entkommen und unseren Blick weiten? Wir brauchen neue Geschichten und diverse Erzählungen. Und aus diesem Grund sollten Gruppen, die weniger gesellschaftliche Macht haben, zum Beispiel Migrant*innen, Schwarze Menschen oder Personen mit Behinderung, die Möglichkeit bekommen, ihre Geschichten zu teilen. Und wo, wenn nicht im Kindergarten oder in der Schule wäre ein geeigneter Ort, an dem wir lernen, zuzuhören und zu erzählen, diese verschiedenen Geschichten zu lesen und zu schreiben?

Seit der Tötung George Floyds im Mai 2020 und den sich anschließenden Protesten zum Thema „Black Lives Matter“ bekomme das Thema Rassismus und Anti-Diskriminierung in der Bildung endlich auch in Deutschland mehr Aufmerksamkeit, so die Literaturwissenschaftlerin Élodie Malanda und die Pädagogin und Kulturmittlerin Sarah Berg.  In ihrem Vortrag „Wie es beginnt- Racial Diversity im Kinder- und Jugendbuch“, der am 21. Oktober im Haus des Buches in Leipzig stattfand, stellten sie Bücher vor, die eine positive, selbstermächtigenden Wirkung erzielen können. Sie schlugen Literatur vor, die dazu beitragen soll, dass alle Kinder sich in Figuren mit selbstbewusst handelnden und fordernden Akteur*innen wiedererkennen.

Wie wählt man nun als Pädagog*in Bücher aus?  Hier liefert die „Fachstelle Kinderwelten für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung“ Prüffragen, um Kinderbücher besser einschätzen zu können. Die Fragen können anregen den aktuellen Kanon zu überdenken und bewusste Neuanschaffungen zu tätigen:

  1. Welche Kinder finden sich mit ihrer Familienkultur – ihren Sprachen, Festen, Alltagsabläufen, Wohnformen, Interessen, Äußerlichkeiten wieder? Welche nicht?
  2. Welche Personen haben (k)eine aktive Rolle?
  3. Wer wird als „normal“ dargestellt? Wer muss seinen Wert beweisen?
  4. Liegen der Charakterisierung einzelner Menschen Vorurteile über bestimmte Gruppen zugrunde?
  5. Auf wessen Kosten funktionieren die Witze oder die „Moral von der Geschichte“?

Lit4School versucht die Suche nach den neuen, diversen Geschichten zu vereinfachen. Wie unser Blogbeitrag aus dem Juli 2021 dargelegt, ist es Lit4School ein Anliegen Gegenstände für den Literaturunterricht vorzuschlagen, die bisher keine oder nur wenig Berücksichtigung gefunden haben. Das zeigt sich unter anderem in unserem Auswahlkriterium „Diversität“.

Denn Bücher haben eine große Bedeutung:  Kinder machen sich durch das Betrachten und Lesen ein Bild von sich, von anderen Menschen und der Welt. Wie erstrebenswert scheint es da, wenn die uns umgebende reale Vielfalt auch in Kinder- und Jugendbüchern sichtbar(er) wird.

— Anne Seeger


Am 21. März wird weltweit der Internationale Tag gegen Rassismus begangen. An diesem Tag wurden im Jahr 1960 in der südafrikanischen Stadt Sharpeville 69 Menschen ermordet. Sie hatten sich mit 5000 anderen versammelt, ohne einen Pass bei sich zu tragen. Die Versammelten waren angetreten, sich verhaften zu lassen, so wie es die Rechtslage ihres Staates für diesen Fall vorsah – ziviler Ungehorsam in der Nachfolge Mahatma Gandhis. Die Ermordeten waren Schwarze Bürger*innen, die Täter Polizisten, Vertreter eines Staates, in dem die Segregationspolitik der Apartheid herrschte. Also eine Politik, die die schwarze Mehrheitsbevölkerung unterdrückte, vom öffentlichen Leben in weiten Bereichen ausschloss, Schwarze zu Menschen zweiter Klasse erklärte, um einer weißen Minderheit massive Vorteile zu verschaffen.

Der Ermordeten von Sharpeville gedenken wir in anderer Form als etwa der Opfer der Sachsenkriege Karls des Großen. Während diese Geschichte im allgemeinen Bewusstsein als abgeschlossen gilt und mit unserer Gegenwart lediglich so wie jede Vergangenheit als Vorzeit der Jetztzeit verbunden ist, ist die Geschichte des Massakers von Sharpeville aktuell. Das Gedenken der Opfer von 1960 ist zugleich ein Gedenken der Opfer jeglicher rassistischen Gewalt; ist ein Aufruf gegen Rassismus in unserer Gegenwart.

Rassismus gibt es tagtäglich und weltweit. Beobachtungen in Deutschland fördern ebenso alarmierende Befunde zu Tage wie anderswo. Bereits die offiziellen Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen es. In der Kategorie ‚Hasskriminalität‘ werden hier Straftaten gezählt, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert sind: 2019 waren es 7909, die mit dem – problematischen – Vermerk ‚fremdenfeindlich‘ registriert wurden. 7909mal wurde also einem Menschen aufgrund seiner Herkunft, seines Aussehens, seiner Sprache, seiner Religionszugehörigkeit und vielem, das ihn in seinem Sosein auszeichnet, Leid zugefügt. Das sind lediglich die Vorfälle, die behördlich als Straftaten erfasst wurden, viele weitere bleiben im Dunkel.

Am 21. März wird aber nicht nur der Internationale Tag gegen Rassismus, sondern auch der Welttag der Poesie begangen. Möglicherweise fragt sich die eine oder der andere Leser*in: Wie kann man an 69 Todesopfer rassistischer Gewalt erinnern und zugleich die Schönheit sprachlicher Kunstwerke feiern? Einige beispielhafte Gedanken in dieser Richtung machen vielleicht deutlich, dass hier kein Widerspruch gesehen werden muss.

Stellen wir uns vor: Trister, grauer Alltag. Wir greifen zu einem Buch, beginnen zu lesen, lesen von Nuri, einem Mädchen aus Syrien, und Calvin, einem Jungen, einem Neonazi, wir lesen von den Schwierigkeiten, Anfeindungen und Ängsten die Nuri zu überstehen hat, lesen vom Hass und den Vorurteilen die Calvin und seine Freunde gegenüber Menschen wie Nuri haben, lesen davon, dass Nuri Calvin Nachhilfe gibt, lesen, dass Calvin sich in Nuri verliebt. lesen von dem Konflikt, in den ihn seine Liebe bringt. Wir lesen die letzte Seite und klappen das Buch zu. Und vielleicht haben wir Fragen, die bleiben: Warum sind solche Liebesgeschichten in unserer Welt die Ausnahme? Warum haben Vorurteile so viel Macht? Warum siegt so oft der Hass und nicht die Liebe? Was können wir tun, damit sich daran etwas ändert? – Peer Martins Jugendroman Sommer unter schwarzen Flügeln zeigt, dass Poesie nicht fehl am Platz ist, wenn es darum geht, Rassismus zum Thema zu machen. Im Gegenteil, sie bietet Gelegenheit, Wirklichkeit und Möglichkeit zu verbinden. Sie ist mehr als der Artikel in einer Zeitschrift, der zählbare Fakten über rassistische Verbrechen zusammenträgt, sie ist mehr als das Programm einer Organisation, das antirassistische Forderungspunkte zusammenstellt. Poesie kann Aufforderungscharakter in sich tragen, ohne aufzufordern, kann Fragen stellen, ohne zu fragen.

Lit4School ist angetreten, Beispiele zu sammeln, die dazu Chancen bieten. Viele Bücher und Gedichte schaffen es, Schülerinnen und Schüler für das Thema Rassismus zu sensibilisieren. Manche tun das direkter, ausdrücklicher, konkreter als andere. Wir empfehlen besonders folgende Titel; die Liste wird ständig aktualisiert:

Deutschsprachige Titel:

Kirsten Boie: Erwachsene reden. Marco hat was getan

Faber: Wer nicht schwimmen kann, der taucht

Yaa Gyasi: Heimkehren

Peer Martin: Sommer unter schwarzen Flügeln

Davide Morosinotto: Die Mississippi-Bande. Als wir mit drei Dollar reich wurden

Lukas Rietzschel: Mit der Faust in die Welt schlagen

Senthuran Varatharajah: Vor der Zunahme der Zeichen

Englischsprachige Titel:

Nana Kwame Adjei-Brenyah: Black Friday

James Barry: Black Kid in a New Place

Langston Hughes: That Is My Dream!

August Wilson: Fences

Hintergrundlektüre für Lehrkräfte (deutschsprachig):

Mohamed Amjahid: Der weiße Fleck: Eine Anleitung zu antirassistischem Denken

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten

Tupoka Ogette: Exit Racism

Noah Sow: Deutschland schwarz weiß

Englischsprachig:

Afua Hirsch: Brit(ish): On Race, Identity and Belonging

Ibrahim X. Kendi: How to Be an Antiracist

Johny Pitts: Afropean

Anders Walker: The Burning House: Jim Crow and the Making of Modern America

— Frieder Stange


Seit 1996 ist der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland ein gesetzlich verankerter Gedenktag. An diesem Tag wurde 1945 das KZ Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Vielfältige Aktivitäten erinnern in diesem Jahr an die Opfer, unter anderem eine Gedenkstunde im Bundestag mit den Rednerinnen Charlotte Knobloch, Präsidentin der jüdischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und der Publizistin Marina Weisband, digitale Aktionen der Gedenkstätten sowie zahlreiche social-media-Posts unter den Hashtags #wirerinnern und #weremember.

Dennoch wissen Schülerinnen und Schüler oft wenig über die Shoa. Wie der Geschichtsdidaktiker Meik Zülsdorf-Kersting erläutert, ist historische Bildung zu selten an den Interessen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Historische Ereignisse werden als Faktenwissen und mit einer feststehenden Bewertung vermittelt, oft ohne direkten Bezug zu gegenwärtigen Phänomenen der Schuldabwehr, der Täter-Opfer-Umkehr, von Rassismus und Antisemitismus in weiten Teilen der Gesellschaft, aktuell etwa in Gestalt strukturell antisemitischer Verschwörungsmythen.

Die Lektüre von Shoa-Texten im Deutschunterricht kann in diesem Zusammenhang wichtige Impulse für die historische Bildung und das Reflexionsvermögen von Schülerinnen und Schülern geben, weil Literatur als Medium der Erinnerungsarbeit historisches Geschehen anschaulich und aus der Innenperspektive von Figuren nachvollziehbar macht. Literatur transportiert Werte und regt zu eigener Auseinandersetzung an; dabei spielt die Literaturvermittlung im Unterricht eine entscheidende Rolle.

Lit4School enthält eine Reihe von Literaturempfehlungen für die Auseinandersetzung mit der Shoa, auch schon in jüngeren Klassenstufen; weitere Beiträge sind in Arbeit. Besonders empfehlen wir folgende Bücher:

  • Die Graphic Novel Peter in Gefahr erzählt eine wahre Geschichte über die Shoa in Ungarn. Das Buch stand 2020 auf der Empfehlungsliste für den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis und eignet sich gut für einen ersten Einstieg in das Thema in den Grundschulklassen 3 oder 4.
  • Das Bilderbuch Erikas Geschichte erzählt von einem Kind, das aus dem Deportations-Zug geworfen wurde. Erika kennt weder ihr Geburtsdatum noch ihren wahren Namen. Detaillierte, großformatige Zeichnungen bebildern Erikas Gedanken und Erinnerungen: wer waren ihre Eltern? Die Kombination aus Illustrationen und reflektierendem Text sowie das aufwendig gestaltete Cover mit herausnehmbaren Pappstern bieten vielfältige Möglichkeiten, das Buch in den oberen Grundschulklassen zu behandeln.
  • Sternkinder von Clara Asscher-Pinkhof ist ein sehr früher kinderliterarischer Shoa-Text und erschien im niederländischen Original erstmals 1946. Die Autorin, selbst Shoa-Überlebende, erzählt in Kurzgeschichten von Angst, Überleben und Tod der meist namenlosen Protagonisten. Besonders die Erzählungen aus dem ersten Teil des Buches eignen sich bereits für die Klassen 3 und 4; spätere Erzählungen eher für die Sekundarstufe 1.
  • Die Adaption des berühmten Tagebuch der Anne Frank als Graphic Diary kombiniert den Originaltext mit fiktiven Dialogen und lebendigen Illustrationen; sie eignet sich für die Klassenstufen 7 und 8. 
  • Auch der Roman Und im Fenster der Himmel von Johanna Reiss ist autobiografisch. Erzählt wird vom Überleben im Versteck; dabei führt die Ich-Erzählerin Lesende durch das Geschehen, schafft Authentizität und bietet Orientierung für den Wissens- und Erfahrungshorizont kindlicher Lesender. Ein zweiter Fokus des Romans liegt auf Widerstand und Hilfe für Jüdinnen und Juden durch nicht-jüdische Mitbürger*innen. Der Roman eignet sich für die Sekundarstufe 1, dabei sollte im Unterricht deutlich gemacht werden, dass Hilfe für Jüdinnen und Juden eine Ausnahme war – im Deutschen Reich gab es nur insgesamt 10.000 Helfer, das sind 0,16% der Bevölkerung.

Silke Horstkotte


Die liebenswerte Bromance setzt sich fort: Der tiefbegabte Rico und der hochbegabte Oskar gelten seit dem Band Rico, Oskar und die Tieferschatten als das Freundespaar und Detektivgespann der aktuellen Kinderliteratur schlechthin. 

Doch im neuesten Band Rico, Oskar und das Mistverständnis – man ahnt es – trennen sich ihre Wege. Rico ist zum ersten Mal verliebt und Oskar ist nicht bereit seinen besten Freund zu teilen. Dabei müssten sie gerade jetzt zusammenarbeiten. Denn: Ihr Spielplatz ist in Gefahr. 

Innerhalb Berlins besitzt so ein unbebautes Grundstück einen ungeheuren Wert und soll veräußert werden. Nur ein seit Jahrzehnten verschollener Bruder könnte den Verkauf verhindern. Während Rico auf dessen Suche nach Hessen fährt, agiert Oskar in Berlin. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht Ricos. Oskars Erlebnisse verarbeitet Rico in einer eigenen Geschichte, die im Berlin um 1900 spielt – Oskars kapitale Abenteuer.

Einsamkeit und Eifersucht sind auch bei den erwachsenen Figuren angesagt. Während Frau Dahlings Verlobter sich wegen eines vermeintlichen Kurschattens nicht meldet, wird eine ganze Gruppe von Senioren mit ihren ganz eigenen Herzgeberechen Teil der Ermittlungen der Jungen.

Andreas Steinhöfel wurde für den ersten Band Rico, Oskar und die Tieferschatten mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Rico, Oskar und das Mistverständnis ist der nun schon vierte Teil der Reihe. Neben Hörspielen und Verfilmungen erweitern Comics die erzählte Welt.  Besonders interessant für den Unterricht sind an diesem Band die Vielzahl intertextueller Bezüge zu anderen Büchern Steinhöfels und bekannten Werken der Kinderliteratur. Besonders deutlich wird die Anlehnung an Kästners Emil und die Detektive herausgearbeitet. Der kleine Erich wird samt Eltern auf dem Bahnhof auf dem Weg nach Dresden angetroffen und zeigt sich begeistert von Oskars Detektivarbeit. 

– Katharina Kraus

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Mistverständnis. Carlsen Verlag 2020. ISBN 978-3551557834. 336 Seiten, 16,- €.


Knapp 30 Preise gibt es, die in Deutschland für deutschsprachige Jugendbücher vergeben werden. Der öffentlichkeitswirksamste unter ihnen ist der seit 1956 vergebene und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendgestiftete Deutsche Jugendliteraturpreis. Dieser umfasst allerdings mehr als nur einen Preis: Während eine Kritiker*innenjury Preise in den Sparten Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch vergibt, lobt eine Jugendjury, bestehend aus sechs Leseclubs, zusätzlich den „Preis der Jugendjury“ aus. Eine Sonderpreisjury verleiht schließlich eine Auszeichnung für Nachwuchsschriftsteller*innen sowie für das schriftstellerische Gesamtwerk eines*r Autor*in. Insgesamt sind die Preise mit 72.000 Euro dotiert.

Seit der Leipziger Buchmesse im Frühjahr sind die jeweils sechs nominierten Bücher in jeder Sparte bekannt. Nun wurde der Deutsche Jugendliteraturpreis 2020 auf der Frankfurter Buchmesse vergeben. In der Kategorie Bilderbuch gewinnt die Trilogie Dreieck Quadrat Kreis von Mac Barnett (Text) und Jon Klassen (Illustration), übersetzt von Thomas Bodmer. Als Kinderbuch wird Freibad. Ein ganzer Sommer unter dem Himmel von Will Gmehling prämiert. Den Preis der Sparte Sachbuch erhält A wie Antarktis. Ansichten vom anderen Ende der Welt von David Böhm (Text und Illustration), übersetzt von Lena Dorn. Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte von Dita Zipfel (Text) und Rán Flygenring (Illustration) ist das Jugendbuch des Jahres und Wer ist Edward Moon? von Sarah Crossan (Text) in Übersetzung von Cordula Setsman erhält den Preis der Jugendjury.

Den Sonderpreis als „Neues Talent“ erhält Rieke Patwardhan für ihr Kinderbuch Forschungsgruppe Erbsensuppe oder wie wir Omas großem Geheimnis auf die Spur kamen. Für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet wird Cornelia Funke.

Soweit die Hard Facts. Das sind viele neue Ideen für die herbstliche Lesegemütlichkeit und für den Deutschunterricht natürlich! Lust auf die Vorbereitung machen die vom Arbeitskreis für Jugendliteratur zusammengestellten Praxistipps, die kostenlos zum Download bereitstehen. Diese stellen für alle prämierten und fast alle nominierten Bücher Vorschläge für den Einsatz im Unterricht sowie erste methodische Erprobungen vor. Auch für die nominierten Jugendbücher Elektrische Fische von Susan Kreller und Kein Teil der Welt von Stefanie de Velasco. Den Lit4School-Eintrag zu Kein Teil der Welt legen wir Ihnen noch einmal ans Herz. Weitere Einträge folgen! Wir lesen uns erstmal weiter durch die Liste der Prämierungen. Hier entlang für weitere Infos zu den Preisträgern und den Praxistipps!

Katharina Kraus