Sie sprechen mehr als eine Sprache? Dann gehören Sie damit zur großen Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen!
Laut einer Spracherhebung des Leibniz-Instituts und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gaben im Jahr 2018 ein Fünftel der Befragten an, mehr als eine Sprache in ihrem Haushalt zu sprechen. Über ein Drittel aller Schüler*innen sprechen bei der Einschulung neben dem Deutschen noch mindestens eine weitere Sprache, wie das Mercator Institut für Sprachförderung in einem Faktencheck feststellt. Spätestens mit dem Fremdsprachenunterricht in der Schule werden alle Kinder und Jugendlichen mehrsprachig. Diese individuelle Mehrsprachigkeit bedeutet nach heutigem Konsens nicht, dass beide (oder mehrere) Sprachen auf muttersprachlichem Niveau beherrscht werden müssen. Vielmehr definiert sie sich durch die „Fähigkeit […], in mehreren Sprachkontexten zu kommunizieren – und dies unabhängig davon, auf welche Weise die beteiligten Sprachen erworben oder wie gut sie beherrscht werden“.
Sprachliche Vielfalt ist gesellschaftliche Realität und gerade in Schulen und Kitas für viele Kinder alltägliche Normalität. Eine Grundannahme dabei ist, dass für eine effektive Sprachförderung eine sprachenfreundliche Atmosphäre und Wertschätzung von Mehrsprachigkeit die Basis sind – dabei sollte nicht nur auf die (prestigeträchtigen) Schulfremdsprachen eingegangen werden, sondern auch auf die Sprachen die die Schüler*innen aus ihren Familien oder migrationsbedingt mitbringen. Sprachen bieten Zugang zu Wissen und Kultur. Mehrsprachigkeit kann sich zudem positiv auf die kognitive und sprachliche Entwicklung auswirken. Studien zeigen zum Beispiel, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, leichter weitere Sprachen lernen und sich besser in andere hineinversetzen können.
Wie kann in Schule und KiTa eine entsprechende Wertschätzung von Mehrsprachigkeit sichtbar gemacht werden?
Anstatt eines „Deutschgebots“ auf Schulhof oder im Unterricht kann zum Beispiel eine freie Sprachwahl bei Gruppen- oder Partnerarbeit angeboten werden – natürlich nur, wenn alle Beteiligten die Sprache beherrschen und einverstanden sind. Das Schulhaus kann mehrsprachig beschildert werden, Begrüßungen können in den verschiedenen Sprachen der Schüler*innen gelernt werden. Schüler*innen können sogenannte Sprachportraits anfertigen, wobei sie in die Umrisse eines Körpers alle Sprachen mit Farben malen und vorstellen, weshalb welche Sprache an welcher Stelle des Körpers verortet wurde. Sprachvergleiche können im Unterricht angestellt werden. Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt und sie sollen zu einem unterstützenden Umgang führen.
Wir, als Team von Lit4School, möchten Bücher vorstellen, die mehrsprachig sind oder Mehrsprachigkeit einbeziehen und sichtbar machen. Diese Bücher können in einer Leseecke zur freien Verfügung stehen, vorgelesen werden – auch unter Einbezug von Eltern – und gemeinsam besprochen werden.
Hier eine Auswahl unserer Bücher, die sich mit Mehrsprachigkeit beschäftigen:
Mehrsprachige Bilderbücher:
- Heinz Janisch: Die Brücke (Deutsch/Arabisch/Farsi)
- Emanuelle Houlmann, Tabea Reusser: Ich heiße Wolke/Ich heiße Himbeere (Deutsch/Italienisch/Französisch)
- Silvia Hüsler: Der Fuchs ruft nein (40 Sprachen)
- Nizar Ali Badr, Margriet Ruurs: Ramas Flucht (Deutsch/Arabisch)
Romane über Mehrsprachigkeit:
- Kristina Aamand: Wenn Worte meine Waffe wären
- Anne-Laure Bondoux: Die Zeit der Wunder
- Olga Grjasnowa: Der verlorene Sohn
- Emine Sevgi Özdamar: Die Brücke vom Goldenen Horn
- Senthuran Varatharajah: Vor der Zunahme der Zeichen
— Anne Seeger