Christoph Behrens

Internationales Kolloquium, Universität Leipzig, 05.-07.11.2018

„Venus, Sephora und der kranke Bacchus:
Rezeption und Riscrittura der italienischen Malerei der Renaissance
in der europäischen Literatur und Kultur des 19. bis 21. Jahrhunderts“

Christoph Behrens (Universität Rostock)

Arbeitstitel:

„Il m’a fallu comprendre le Corps Allemand…“

Vom transmedialen zum transkorproralen Erzählen: Caravaggios Sette opere di Misericordia (1606/07) in Mathieu Riboulets Les Œuvres de miséricorde (2012)

In Mathieu Riboulets Roman Les Œuvres de miséricorde (2012) pendelt der namenlose, französische Ich-Erzähler zwischen Deutschland und Frankreich, um sich auf die Suche nach den Erinnerungen zu begeben, die die Erbfeindschaft zwischen beiden Ländern antreiben. Neben Caravaggios Sette opere di Misericordia (1606/07), die dem Ich in Form von Bildmeditationen als transmedialer Einstieg in diverse der 18. Kapitel des rauschhaften, metahistoriografischen Romans dienen, wird der eigene Körper als (gemeinsames) Erfahrungs- und Erzählmedium thematisch und narratologisch in den Mittelpunkt gerückt. Indem der Protagonist sich dem ‚Deutschen‘ über ausschweifende sexuelle Akte annähert, will er den de père en fils tradierten Zorn beilegen.

Im Vortrag soll in Anlehnung an Hélène Cixous‘ Forderung „Écris-toi: il faut que ton corps se fasse entendre“ (45) aus dem Performance-Essay „Le rire de la méduse“ (1975) die narratologische Bewegung von transmedialer Erzähltechnik zur transkorporaler Ekstase im Roman analytisch nachgespürt werden. Mit Rückgriff auf die écriture féminine möchte ich den Roman im weitesten Sinne als ‚Desakralisierung‘ von Gedächtnis und Erinnerung verstehen, vom katholisch-christlichen devoir de miséricorde einerseits und dem devoir de mémoire anderseits.

Die Antwort auf die quasi ontologische Frage „Que faire de tous ces morts, où vivre, comment aimer?“ (84) zu finden, welche die Relationen der personae wie ein Spuk aus den großen Kriegen plagen, scheint die sozio-ästhetische Triebfeder der promisken recherche zu sein. Sie mündet in einer körperlichen Umdeutung und ‚queerenden‘ Appropriation christlich-normativer Vergebens- und Erinnerungspflicht, die es sowohl in der Aushandlung des Genres des revisionistischen historischen Romans als auch in der narratologischen Innovation des Werkes hin zu einer queer narratology, die den Körper als Erzählinstanz propagiert, zu zeigen gilt.