Am 20. Dezember 1968 starb Max Brod. Bis heute ist er insbesondere als enger Freund Franz Kafkas bekannt. Er war es auch, der nach Kafkas Tod dessen Schriften veröffentlichte, statt sie, wie von Kafka gewünscht, zu verbrennen. Er selbst war Schriftsteller der sogenannten Prager deutschen Literatur. Aber was bedeutet das?
Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Prag zahlreiche Schriftsteller:innen, die deutsche Literatur veröffentlicht haben. Dass in Prag so viele Menschen Deutsch sprachen, lag daran, dass die Oberschicht im Königreich Böhmen bis 1620 deutschsprachig war, auch wenn in Prag selbst mehrheitlich tschechisch gesprochen wurde. Um 1900 waren Deutsche die größte Minderheit in Prag, aber auch die jüdische Bevölkerung nahm eine große Rolle ein. Tatsächlich waren die meisten Autor:innen der Prager deutschen Literatur jüdischer Herkunft, und so ist die Literatur dieser Zeit geprägt von jüdischen und tschechischen Einflüssen. Vertreter:innen der Prager deutschen Literatur sind neben Max Brod und Franz Kafka insbesondere Franz Werfel, Egon Erwin Kisch, Anna Seghers, Gustav Meyrink, Auguste Hauschner und Lenka Reinerová. Letztere wird häufig als die letzte Vertreterin der Prager deutschen Literatur bezeichnet.
Die Weltkriege und der Nationalsozialismus hinterließen tiefe Spuren in der Prager Literaturszene. Viele Autor:innen flüchteten ins Exil. Dem Schrecken der NS-Diktatur konnten sie trotzdem nicht vollständig entkommen. So ist zum Beispiel verzeichnet, dass im Konzentrationslager Ravensbrück nicht nur die Schwestern Kafkas und seine Geliebte und Übersetzerin Milena Jesesnká (bekannt durch die Briefe an Milena) starben, sondern auch die Familie von Lenka Reinerová. Dies verarbeitete sie in ihrer berühmten Erzählung Ausflug zum Schwanensee. Mit dem Nationalsozialismus endete auch die Prager deutsche Literatur.
— Susanna Frank