Ein zentrales methodologisches Element aller Wissenschaften ist die intersubjektive Überprüfbarkeit ihrer Erkenntnisse. Diese sollen weder von der Person des Forschenden, noch von der spezifischen Forschungssituation abhängig sein. Vielmehr sollen die Ergebnisse von anderen Forschenden in anderen Kontexten wiederholbar sein. Ansonsten müssen sie zurückgewiesen werden. Für den Bereich des Sozialen, der eine – verglichen etwa mit den Naturwissenschaften – hohe Variabilität aufweist gilt dies in besonderem Maße. Replikationen und Reproduktionen sind deshalb auch in der Soziologie besonders angebracht. Allerdings besteht in diesem Bereich reichlich Nachholbedarf.
Als Reproduktionen werden hier Arbeiten definiert, bei denen mit denselben Methoden und mit denselben Daten gearbeitet wird, wie in einer bereits bestehenden wissenschaftlichen Studie. Ziel ist es die Ergebnisse der Studie von der Konsistenz des theoretischen Arguments bis zur Korrektheit der Datenanalyse und Ihrer Interpretation zu überprüfen (zu „reproduzieren„). Bei allfälligen Differenzen zwischen Reproduktion und Originalstudie gilt es einzuschätzen, inwiefern die Ergebnisse der Originalstudie noch haltbar sind.
Bei Replikationen dient ebenfalls eine bestehende Arbeit als Vorlage. Hierbei wird allerdings das Ziel verfolgt zu überprüfen, ob die Ergebnisse auch über die bereits untersuchten Daten und/oder nach der Analyse mit anderen, ebenfalls angemessenen Methoden und Verfahren Gültigkeit beanspruchen können. Von einer Replikation wird also hier gesprochen, sobald – auch – andere Daten und/oder Daten und Analyseverfahren verwendet werden.
Sowohl Replikationen, als auch Reproduktionen sind damit aus wissenschaftliche-inhaltlichen Gründen eine wertvolle Aufgabe – unabhängig davon, ob die Befunde der Originalstudie (vollumfänglich) bestätigt, oder diese zurückweist. Allerdings sind damit bis dato kaum wissenschaftliche Lorbeeren zu gewinnen und die Gefahr sich unbeliebt zu machen ist umso größer. Replikationen und Reproduktionen sind aber auch aus didaktischen Gründen sinnvoll. Dies gilt bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen (Fragestellung, Theorie und Datenlage sind klar, Arbeitsaufwand und Methoden einschätzbar). Gleichzeitig ermöglichen Replikationen und Reproduktionen den Studierenden sich an der aktuellen Forschung zu beteiligen, sich an fortgeschrittenen (statistischen) Analyseverfahren zu versuchen und damit ein Forschungsergebnis zu erzielen, dass nicht von vorneherein für die Schublade produziert wird.
Qualifikationsarbeiten, also Bachelor– und Masterarbeiten, können damit sinnvoll als Reproduktion (insb. im BA) oder Replikation (im MA) angelegt werden. Man könnte nun unterstellen, dass Studierende noch gar nicht in der Lage sind wissenschaftliche produktiv und sinnvoll zu arbeiten. Natürlich haben Studierende zum einen prinzipiell wenig Erfahrung mit wissenschaftlichem Arbeiten und können zum anderen ebenso Fehler machen können, wie die Verfasser der Originalstudie. Insofern ist jede studentische Reproduktion oder Replikation auch „nur“ eine zweite (oder weitere) Untersuchung einer bestimmten Fragestellung. Dennoch sprechen viele Gründe für studentische Replikationen und Reproduktionen:
- Es muss keineswegs jedes Originalpapier bis ins letzte Detail repliziert oder reproduziert werden um wissenschaftlich wertvoll zu sein. Eine wissenschaftliche Arbeit muss so angelegt sein, dass Replikationen und Reproduktionen prinzipiell möglich sind – auch und gerade für Studierende mit mehrjähriger Ausbildung. Bereits das Nachvollziehen der prinzipiellen Reproduktionsfähigkeit eines Originalpapiers ist sowohl für den wissenschaftlichen Prozess, als auch didaktisch sinnvoll. Dazu gehören Fragestellungen wie:
- Sind die theoretischen Argumente logisch konsistent und die verwendeten Analysestrategien und -methoden im Lichte der aktuellen Forschung plausibel?
- Sind die Daten (prinzipiell) verfügbar? Wenn nicht, was sind die Gründe dafür? Daran schließt oft die Frage, an ob die Verfasser der Originalstudie prinzipiell an einer Reproduktion interessiert Wenn dies nicht der Fall ist: Was lässt sich daraus für die Gültigkeit der Ergebnisse folgern?
- Die theoretische und insbesondere die methodische Kompetenz ist in den Sozialwissenschaften – und damit auch in der Soziologie – extrem unterschiedlich. Es ist durchaus nicht selten, dass bereits BA-Studierende insbesondere bessere methodische Kompetenzen haben, als gestandenes Forschungspersonal.
- Studierende sind prinzipiell statusunterlegen. Deshalb sind sie nach aller Erfahrung massiv bemüht Replikationen und Reproduktionen der Arbeiten von statusüberlegenen Forschern nach bestem Wissen und Gewissen durchzuführen. Insbesondere wenn sich Differenzen zwischen der Originalarbeit und der Reproduktion bzw. Replikation ergeben, werden diese typischerweise mit großer Sorgfalt untersucht.
Selbstverständlich können Fehler auch dabei nie ausgeschlossen werden und jede Replikation und Reproduktion, die Differenzen zum Original findet, ist prinzipiell eine Aufforderung, an Dritte sich dem Problem ein weiteres Mal zu widmen. (Aus diesem Grund finden sich die dazu notwendigen Informationen alle bei der Studienübersicht.)