Recherche
Wissenschaftliche Texte müssen auf anderen wissenschaftlichen Beiträgen aufbauen. Welche Texte jedoch relevant sind, wie viele es sein sollten und wo man sie findet, muss man erst für sich erarbeiten. Auch hier gilt: Die unterschiedlichen Fachbereiche erfordern unterschiedliche Praktiken, weshalb wir uns eher allgemein halten.
Im wissenschaftlichen Idealbild schließt jede Forschungsleistung unmittelbar an die zuvor geleisteten an. Sie ist also immer hochaktuell. Praktisch ist jedoch vieles anders; und gerade Studierende fragen sich berechtigt, wie sie herausfinden sollen, welche der vielen verfügbaren Texte für sie relevant sind.
1. Das Ideal der Vollständigkeit
In kaum einem Fach scheint es möglich, einen umfänglichen Forschungsstand zu einer aktuellen Debatte nachzuzeichnen. Oft gibt es viele verschiedene theoretische und methodische Entscheidungen, die nur schlecht miteinander vereinbar sind. Je präziser die LINKFragestellung und das methodische Herangehen (oder das Forschungsdesign), umso einfacher können relevante Beiträge herausgefiltert werden. Wer beispielsweise den bundesdeutschen Föderalismus untersuchen will, wird viel zu viele Texte finden. Beschränkt man sich jedoch auf eine konkrete Perspektive und sucht zum Beispiel nach systemtheoretischen Studien, reduziert sich die Zahl wichtiger Forschungsbeiträge deutlich.
Trotzdem wird man das Ideal der Vollständigkeit in den seltensten Fällen erreichen, weil man nie alles zu einem Thema lesen kann. Daher müssen schon bei Hausarbeiten Entscheidungen getroffen werden, die sich an der Fragestellung der Arbeit orientieren: Aus diesem oder jenem Grund sind diese oder jene Texte wichtig. Dabei zählt in einigen Fachbereichen nicht unbedingt die Aktualität, denn dafür sind die Forschungsperspektiven zu heterogen und widersprüchlich.
2. Methoden
Prinzipiell gibt es zwei Wege, Forschungsliteratur und Quellen zu sichten: systematisch und unsystematisch.
Systematisch
Wer eine Fragestellung oder einen Untersuchungsgegenstand hat, erstellt eine Schlagwortsammlung (LINK Verschlagwortung), eine Liste mit Kernbegriffen, und recherchiert systematisch in Datenbanken. Der Karlsruher Virtuelle Katalog oder WorldCat etwa ermöglichen eine gleichzeitige Suche in vielen Bibliotheken. Hilfreich sind auch spezielle Datenbanken für Fachzeitschriften aus bestimmten Bereichen. Eine Übersicht gibt es bei der Universitätsbibliothek der Uni Leipzig. Mit dem VPN-Client des Universitätsrechenzentrums hat man zudem von zu Hause Zugriff auf mehr Datenbanken und E-Books. Auch Suchmaschinen wie Google Scholar können bei der Schlagwortsuche hilfreich sein. Wie man mit der Suchmaschine Base Search von der Uni Bielefeld im Deep Web nach wissenschaftlichen Texten suchen kann, erklären wir in einem eigenen LINKVideo.
Unsystematisch (das Schneeballsystem)
Eine andere effektive Variante der Recherche besteht darin, sich von einem Text zum nächsten zu hangeln. Ein relevanter Text, der zur eigenen Forschungsfrage passt, kann auf viele andere relevante Texte in diesem Bereich verweisen. Bestenfalls zeigt sich ein ganzes Forschungsnest, ein Netzwerk von Beiträgen, die um den Gegenstand kreisen. Diese Methode ist oft schneller und präziser, birgt aber das Risiko, einzelne, möglicherweise zentrale Texte zu verpassen. Außerdem sind die Texte, die man findet, immer älter als der Ausgangstext. Bei Google Scholar und in vielen Fachdatenbanken kann man sich anzeigen lassen, wo der Text überall zitiert wurde. Hier werden auch Texte angezeigt, die nach dem Jahr der Veröffentlichung des Ausgangstextes entstanden sind.
3. Sättigung
Wann ist es genug? Wann hat man genug Material gesammelt, genügend Texte gelesen? Wann kann oder sollte man mit dem Schreiben beginnen?
Manche beginnen zu spät mit dem eigentlichen Text und verzetteln sich dann in wissenschaftlichen Debatten, die nichts mehr mit ihrer Forschungsfrage zu tun haben. Wann es reicht, wann genug recherchiert und gelesen wurde, lässt sich allerdings nicht pauschal sagen. Grundsätzlich ist es zur Entwicklung eines eigenständigen Argumentationsgangs jedoch von Vorteil, recht früh mit dem Schreiben zu beginnen. Texte, die man erst später findet, können „mit dem Salzstreuer“ im Nachhinein in den Text eingefügt werden. Dieser Vorgang mag nicht dem sauberen Selbstbild der Wissenschaft entsprechen, ist jedoch alltäglich und auch nicht falsch, da man die Texte ja gelesen hat.