Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2023

• donnerstags, 09:15–10:45 Uhr
• HS 9, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3005 (2. FS BA; 4. FS StEx OS, Gym); für Seniorenstudium geöffnet

Die Vorlesung bietet anhand exemplarischer Zugriffe einen Überblick über die wichtigsten literarischen Felder und Texte der deutschen Literatur des Mittelalters, also der Zeit vom 9. bis 15. Jahrhundert. Dies sind: Antikenroman – Artusroman – Heldenepik – Gralroman – Tristanroman – Minnesang – Sangspruch und die sogenannte geistliche Literatur. Zudem gibt sie einen Einblick in grundlegende Forschungsparadigmen der Mediävistik. Methodische Fragen und Textlektüren sollen zeigen, dass das Mittelalter einen bemerkenswerten Anfangspunkt der deutschen Literatur mit mehreren Klassikern setzt (das Nibelungenlied, der Tristanroman, Walthers Lieder und Wolframs Texte u.a.), dass manche Phänomene des Literaturbetriebs ganz anders sind, manche aber durchaus vergleichbar mit der Literatur der nachfolgenden Jahrhunderte und auch der Gegenwart. Die Liebe wird Thema der Literatur, man lernt Literatur zu lesen, nicht nur zu hören, die Wissenschaft schreibt lateinisch – was heißt das für die deutsche Literatur und ihre Autoren? Literatur wird in den Jahrhunderten des Mittelalters vornehmlich handschriftlich verbreitet, der Buchdruck beginnt erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Was bedeutet dies für einen ‚Buchmarkt‘ des Mittelalters? Bilder begleiten oftmals einen Text, Literatur wird in verschiedenen Bildmedien aufgegriffen und thematisiert.
Die Vorlesung möchte zeigen, dass und warum DAS MITTELALTER für ein Germanistik-Studium – und zwar auch für zukünftige Lehrer:innen – ein notwendiger Baustein ist. Wir werden dabei bewusst einige gängige Vorurteile dem Mittelalter gegenüber aufgreifen und widerlegen oder zumindest deutlich relativieren. 700 Jahre deutsche Literatur sind nicht mit ein oder zwei Schlagworten zu (be-)greifen oder gar zu diskreditieren; manche Zuschreibungen folgen heute noch bisweilen unreflektiert prominenten Einzelmeinungen des 19. Jahrhunderts. Die Texte des Mittelalters werden als „vormodern“ benannt und damit ist nicht nur eine zeitliche Einordnung vor einer Epoche der Moderne gemeint, sondern damit wird die Literatur gewissermaßen gegenüber einer als modern gedachten Literatur abgewertet. Das ist irreführend, missverständlich und falsch. Die literarischen Felder und Texte vor Luther erweisen sich als äußerst differenziert, reflektiert, überraschend, komisch und in vielem als unglaublich aktuell.

Literatur zur Einführung: Harald Müller, Mittelalter, 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Berlin/Boston 2015; Thomas Bein, Deutsche Literatur des Mittelalters. Eine Einführung in die Germanistische Mediävistik, Berlin 2020 (Grundlagen der Germanistik 64); Christian Kiening, Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur, Frankfurt a.M. 2003.

• donnerstags, 15:15–16:45 Uhr
• SR 224, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3005 (2. FS BA; 4. FS StEx OS, Gym); nur für 2. FS BA geöffnet

Die Verserzählung des 13. Jahrhunderts eines Dichters, der im letzten Vers des Textes namentlich als Wernher der Gartenære genannt ist, entfaltet die tragische Geschichte eines blondgelockten Jungen namens Helmbrecht, der aus seiner Familie und seiner Ordnung als Bauernsohn ausbricht, um ein Leben ‚am Hof‘ kennenzulernen, obwohl sein Vater ihn deutlich davor warnt. Warum dies keine Erfolgsgeschichte ist, werden wir uns erlesen, erarbeiten und diskutieren. Helmbrecht will Ritter werden und wird Raubritter, am Ende wird er mit dem Tode bestraft. Wofür wird er bestraft? Dass er nicht wie sein Vater Bauer werden will? Sein Vater sagt ihm ganz deutlich: dîn ordenunge ist der phluoc (V. 291), derjenige, der gegen seine Ordnung und Bestimmung, gegen seinen (vorgesehenen?) Platz in der Gesellschaft kämpft, der wird nicht siegen. Warum wird Helmbrecht nicht erfolgreich?
In diesem Text spielt die Kopfbedeckung eine Rolle, die Helmbrecht trägt, Träume und Ratschläge des Vaters gelten als Fingerzeig; der junge Helmbrecht will seinen eigenen Weg gehen, er will ausbrechen aus dem Leben und der Tradition seiner Familie, dem Leben der Feldarbeit, das bestimmt ist vom Säcke-Tragen, vom Ausmisten, vom Ochsenanspannen oder Hafersäen, er will kein Wasser mehr trinken, sondern Wein, will gutes Essen genießen und wird dabei schließlich zum Verbrecher, zum erblindeten Dieb, der am Ende am Galgen hängt.
Mit diesem Text sollen Phänomene der Grammatik des Mittelhochdeutschen eingeübt, aber auch kulturelle Fragen des Mittelalters diskutiert und geklärt werden. Das Übersetzen und das Verständnis eines kurzen Verstextes (1934 Verse) aus dem 13. Jahrhundert stehen im Zentrum, dabei werden existierende Übersetzungen ins Neuhochdeutsche in die Analyse mit einbezogen und auf ihre aktuelle sprachliche Form und Brauchbarkeit hin überprüft.

Textausgabe (bitte anschaffen): Wernher der Gartenaere, Helmbrecht, hg. von Karl-Heinz Göttert, Reclam Fremdsprachentexte Mittelhochdeutsch, Stuttgart 2015 (RUB 19907).

• dienstags, 17:15–18:45 Uhr
• SR 224, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3009 (4. FS BA)

Das Nibelungenlied, um 1200 zum literarischen Text geworden, ist diu groezeste geschiht, / diu zer werlde ie geschach (Nibelungenklage, V. 3480f.).
Die Geschichte von Kriemhild und Siegfried, von Brünhild und Gunther, von Hagen und dem Untergang der Nibelungen werden wir uns im Seminar erarbeiten. Fragen des Textes, der Interpretation, aber auch der Überlieferung und der mündlichen Tradition werden uns beschäftigen. Kriemhild, die junge und schöne Königstochter wird in diesem Text zur Rächerin gemacht, der grôze mort geschah zur Zeit der Sonnenwende formuliert der Text (2086,1); Kriemild rächt sich, weil ihr Mann ermordet wurde, sie rächt sich an den eigenen Verwandten, das Wort mort wird bewusst gesetzt. Die Geschichte ist eine Geschichte des Untergangs, Jan-Dirk Müller spricht von den „Spielregeln für den Untergang“, wenn er die „Welt des Nibelungenliedes“ deutet (1998). Liebe, Brautwerbung, Macht, Verwandtschaft, Personenbindungen, Verrat, Kampf, Gewalt und Mord – das sind einige Themenfelder, die in diesem Text verhandelt werden. Ursula Schulze fasst das Ungeheuerliche zusammen: „Der Stärkste, fast Unverwundbare wird ermordet; die geplante Rache an der Person des Mörders gerät zu einem völkervernichtenden Gemetzel, und an die Stelle des Inbegriffs einer höfischen Fürstin tritt ein tötendes Ungeheuer“ (Schulze, 1997, S. 255).

Textausgabe (bitte anschaffen): Das Nibelungenlied und die Klage. Mittelhochdeutscher Text, Übersetzung und Kommentar. Hg. von Joachim Heinzle, Berlin 2015 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 51).
Literaturhinweise: Jan-Dirk Müller, Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998; Ursula Schulze, Das Nibelungenlied, Stuttgart 1997 (RUB 17604); Joachim Heinzle, Traditionelles Erzählen. Beiträge zum Verständnis von Nibelungensage und Nibelungenlied, Stuttgart 2014 (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Beiheft 20).

• donnerstags, 17:15–18:45 Uhr
• SR 224, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3009 (4. FS BA)

Die Übung ist als bewusste Ergänzung zum Nibelungenlied-Seminar konzipiert. Hier werden wir methodische und praktische Aspekte der Arbeit am Text (und das meint den Primärtext/das Nibelungenlied, aber auch die relevante Forschungsliteratur) intensivieren und diejenigen Arbeitsschritte einüben, die zum Verfassen einer schriftlichen Hausarbeit nötig sind (Erfassen und Lesen der Forschungsliteratur, Gliederung der Hausarbeit, Einleitung u.a.). Denn Prüfungsleistung in diesem Modul ist eine Hausarbeit, die im Verlaufe des Semesters in der Übung konkret vorbereitet werden soll. Wir werden das Instrumentarium des wissenschaftlichen Arbeitens erproben und in konkreten Anwendungen einüben und diskutieren. Welche Fragen stellt ein Text (Primärliteratur – Sekundärliteratur)? Wie kann ich daraus ein Thema für eine Hausarbeit machen? Welche und wieviel Literatur benötige ich? Welche Forschungsliteratur ist relevant für ein Thema? Wie integriere ich die Ergebnisse der Forschung in meine Hausarbeit? Ist in der Forschung nicht schon alles einmal formuliert worden? Gibt es noch etwas Neues zu entdecken? Und wie? Wie formuliere ich eine These? Wie sieht eine Gliederung aus, was umfasst eine Einleitung? Wie schreibe ich? Darf ich „ich“ schreiben? Wie zitiere ich, was muss ich belegen? Wie gehe ich mit digitalen Quellen um? Was steht in den Fußnoten, was steht wie im Literaturverzeichnis …? All diese Elemente werden in einzelnen Arbeitsschritten und in der gemeinsamen Diskussion erörtert, im Gespräch mit den Kommiliton:innen soll die beste Variante erkundet werden. Wir werden dabei auch einen Blick in die mittlerweile zahlreichen Ratgeber und Handbücher zum Thema werfen („Die erste Hausarbeit – FAQ“, „Die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten… Bewährter Ratgeber jetzt in Farbe“, „Handbuch wissenschaftliches Schreiben. Eine Anleitung von A bis Z“) und diese auf ihre Brauchbarkeit hin prüfen.
Schließlich wollen wir uns auch darüber Gedanken machen, in welcher Form wissenschaftliche Ergebnisse heutzutage attraktiv zu formulieren sind (Essay, Hausarbeit [als Kurzform eines wissenschaftlichen Aufsatzes], Poster-Präsentation, mündlicher Vortrag, blog, youtube-Video, twitter-Kurzform …).

Textausgabe: wie Seminar Nibelungenlied.

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