Am 7. April 1839 wurde zwischen Leipzig und Dresden die erste Ferneisenbahnstrecke im Deutschen Bund eröffnet. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde das Königreich Sachsen zu einem Zentrum des Eisenbahnbaus, sodass es bei der Gründung des Deutschen Kaiserreiches über das dichteste Eisenbahnnetz aller deutschen Flächenstaaten verfügte. Die Eisenbahn stellte eine Schrittmacherindustrie der Industriellen Revolution dar, die eine schnellere Beförderung von Waren und Personen, einen schnelleren Informationsaustausch und Wirtschaftswachstum in anderen Branchen ermöglichte. Der Aufstieg der Eisenbahn fällt zusammen mit einem Niedergang christlicher Religiosität im Zuge von mit der Industrialisierung einhergehenden Säkularisierungstendenzen. In dem Vortrag soll nachgezeichnet werden, wie die Eisenbahn in Sachsen im Allgemeinen und Leipzig im Besonderen als die Gesellschaft grundlegend umgestaltende Technologie aus christlicher Perspektive rezipiert wurde.
Deutlich soll dabei werden, wie die Deutungen zwischen Hoffnungen auf eine (Re-)Christianisierung der Gesellschaft auf der einen und Befürchtungen einer durch die Eisenbahn verursachten noch stärkeren Entfremdung weiterer Bevölkerungsschichten vom christlichen Glauben oszillierten.
Der bereits im Dezember ausgefallene Vortrag „Die Eisenbahn als Missionar oder Ursache des Sittenverfalls? Zur evangelischen Eisenbahnrezeption im Königreich Sachsen“ von Johann Meyer M. Ed. (Leipzig) findet aufgrund der noch immer angespannten Corona-Situation als Online-Vortrag statt. Vom 17. Februar bis zum 17. Mai 2022 kann das Video hier auf dem Blog der Arbeitsgemeinschaft für Sächsische Kirchengeschichte abgerufen werden.
Titelbild des Vortrags:
„Abnahme der 100. Lokomotive der ehem. Lokomotiv-Bauanstalt Hartmann, Chemnitz“ mit einem Pfarrer rechts an der Kanzel, der in segnendem Gestus seine Hand über die Lokomotive hält. Bildquelle entnommen aus: Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn (Hg.): Hundert Jahre deutsche Eisenbahn. Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen, Berlin 1935, zwischen S. 32 und 33. Bildrechte verwaist.