SOCIETAS JABLONOVIANA e.V.
Jablonowskische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig
gegr. 1774

 
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Jahrestagung der Societas Jablonoviana: "Deutsch-polnische Wissenskulturen und Wissenschaftsbeziehungen / Kultury wiedzy a polsko-niemieckie relacje naukowe" 

|| Programm

Veranstalter: Societas Jablonoviana e. V.; Deutsches Historisches Institut Warschau; Gießener Zentrum Östliches Europa; Herder-Institut Marburg; Historisches Institut der Nikolaus-Kopernikus-Universität Thorn

Datum, Ort: 27.05.2011-29.05.2011,  Deutsches Historisches Institut,Warschau

Bericht von:
Kristin Loga und Christin Behrendt

Betrachtet man die wissenschaftlichen Netzwerke in Europa, zeigen sich innerhalb dieser multilateralen Beziehungsgeflechte viele bilaterale Beziehungen, unter denen sich die polnisch-deutschen durchaus bemerkbar machen. Deutsch-polnischen Wissenschaftsbeziehungen zahlen zu den intensivsten Kontakten zwischen Gesellschaften in Europa überhaupt und sind gerade in jüngster Zeit wiederholt zum Forschungsgegenstand unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen avanciert. Der Anspruch dieser Zusammenkunft war es, die Komplexität und Vielschichtigkeit der Wechselwirkungen beider benachbarter Länder sowohl in den Geisteswissenschaften als auch in Natur- und Lebenswissenschaften aufzuzeigen, neue Chancen und Tendenzen aufzugreifen und zu diskutieren. Jede Disziplin ist universal ausgerichtet, sie funktioniert nicht nur in einem Land, sondern stets inter- oder transnational. Zwar ist Wissenschaft innerhalb eines Landes national bedingt – die landesspezifischen Wissenskulturen resultieren aus den unterschiedlichen Denkkulturen –, sie steht jedoch, wenn sie Bedeutung erlangen will, immer im wechselseitigen Austausch, im Wissenstransfer zu anderen Nationen und deren Denkkulturen.

Die Gruß- und einleitenden Worte zur Tagung sprachen die Stellvertretende Direktorin des DHIW, Ruth Leiserowitz, sowie der Präses der SJ, Hans Henning Hahn.

Die Referate der ersten Sektion „Differierende Wissenskulturen in der Aufklärung“ der Tagung führten in das Thema Wissenskulturen im Allgemeinen seit Beginn der Aufklärung ein und lieferten die kulturgeschichtliche Grundlage fur die Entwicklung der Wissenskulturen auf europäischem Boden. Stanis³aw Roszak (Toruñ) machte in seinem Vortrag „Kontakte und Barrieren zwischen den polnischen und sächsischen Wissenskulturen im 18. Jahrhundert“ deutlich, dass es kein gesamteuropäisches Phänomen „Aufklärung“ geben konnte, sondern immer nur landesspezifische Formen dieser Strömung. Es waren jedoch einheitliche Prozesse erkennbar: die Entwicklung von der „Welt von Ungefahr“ und ihr Übergang in „aufgeklärte Zeiten“ gründete sich auf ein neues Bewusstsein für und ein neues Streben nach Wissenschaft. Vor allem engagierten sich Einzelnpersonen: begüterte, wissenschaftlich interessierte Laien fühlten sich der neuen Denkart verpflichtet und wollten das vorhandene (und stetig anwachsende) Wissen aus Bibliotheken und Forschungslaboren durch Erstellung von Sammlungen und Ausstellungen verschiedenster Wissenschaftsbereiche dem Volk nahe bringen. Allerdings sei das wissenschaftliche Netzwerk in Sachsen weitaus dichter gewesen als in Polen. Dies musste auch der Gründer der Societas Jablonoviana, Aleksander Jozef Jab³onowski (1711-1777), feststellen – es war der Hauptgrund, konstatierte Ewa Tomicka-Krumrey (Leipzig) in ihrem Vortrag „Aleksander Jab³onowskis Wissenschaftskonzept, die Societas Jablonoviana zu Leipzig und ihre Wirkung bis in die Gegenwart“, weshalb der gebürtige Pole nach einigen gescheiterten Versuchen in Warschau und Danzig, erst 1774 in Sachsen seine Vorstellungen einer wissenschaftlichen Gesellschaft in die Wirklichkeit umsetzen konnte. Geleitet von der Leibniz'schen Idee einer facherübergreifenden, akademischen Institution, in welcher sich wissenschaftliche Einzeldisziplinen gegenseitig befruchten sollen, gründete Jab³onowski in Leipzig die Societas Jablonoviana, die – ebenso wie die Akademien andernorts – Preisfragen zu den unterschiedlichsten Themen ausschrieb und diese mit einem nicht geringen Preisgeld belohnte. Auch wenn diese mäzenatische Forderung der Wissenschaften nicht die einzige Betätigung Jab³onowskis war, ist sie doch ein Vermächtnis, das seine Spuren bis in unsere Zeit hinterlassen hat. Michael G. Müller (Halle) sprach in seinem Kommentar zu dieser Sektion über drei wesentliche Punkte in der Wissenschaftslandschaft des 18. Jahrhunderts: 1. Die Asymmetrie der vorhandenen „Ressource“ des wissenschaftlichen Gelehrten in einzelnen Ländern und der Umgang mit dieser Ressource seitens der Regierung. Er verwies hier auf die Niederlande, die ihre Gelehrten in der Ostasienkompagnie unterbrachte, im Verhältnis zu den deutschen Ländern, wo einfach ein (staatlich nicht „genutztes“) Überangebot an Gelehrten herrschte. 2. Die Entwicklung des Akademiegedankens, indem durch die Zusammenführung verschiedener Disziplinen an einem Ort Wissen und Forschung gebündelt werden konnten. 3. Das Idealbild des unabhängigen Wissenschaftlers, der nicht Erwerbswissenschaftler sein brauchte und sich durch Anhäufung symbolischen Kapitals (Ausstellungen) in die Wissenschaft einbrachte. In dieser „Arena der Deutungsmacht“ konnte jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts die Selbstbehauptung der (wirklichen, Erwerbs-)Wissenschaftler einen Sieg uber die eher oberflächliche Herangehensweise der Nicht-Erwerbswissenschaftler erringen.  

Die Sektion „Wissenskulturen in der vergleichenden Sprachwissenschaft als Nationalisierungs- und Transnationalisierungsinstanze“ begann mit einer Personalstudie uber den bekannten Slavisten Aleksander Brückner, zusammengetragen von Alicja Nagórko (Berlin), der sich durch eine ausgesprochen differenzierte Persönlichkeit auszeichnete und in seiner wissenschaftlichen Arbeit eher Deutschland verhaftet war. Trotzdem förderte er mehr als andere seiner Zeit den wissenschaftlichen Austausch zwischen Polen und Deutschen nicht nur auf dem Gebiet der slavistischen Philologie, sondern auch der Kultur- und Volkswissenschaften. Zu einem auf den ersten Blick rein polonistischen Thema referierte Thomas Menzel (Oldenburg), indem er auf die bis heute aktuelle „Streitfrage Kaschubisch. Verflechtungen russischer, deutscher und polnischer Sprachwissenschaftler“ einging. Der Vortrag fuhrte von einer allgemeinen Einführung in die Varietatenlinguistik über die Problematik der Einordnung des Kaschubischen bis hin zu einer dezidierten Auseinandersetzung der verschiedenen Ansichten russischer, deutscher und polnischer Forscher. Herausgearbeitet wurde, dass es auf die „Streitfrage Kaschubisch“ keine einfache Antwort gibt – sicher ist, dass die noch im 18. Jahrhundert bestehende Geringschätzung gegenüber dem Kaschubischen verschwunden und an ihre Stelle ein nicht nur polonistisches, sondern internationales Interesse seitens der Sprachwissenschaft getreten ist. Der sich anschliesende Vortrag zum Thema „Ideologisch motivierte Ortsnamenkonflikte. Beispiele aus Deutschland und Polen“, gehalten von Gero Lietz (Frankfurt/Oder), hatte die – hauptsächlich in nationalsozialistischen Zeiten stattgefundenen – Umbenennung von Siedlungsnamen im Blickfeld. Orten, deren Namen nicht nur zur Identifikation innerhalb eines bestimmten Raumes – ihrer eigentlichen Bestimmung –, sondern einem bestehenden Machtanspruch gerecht werden mussten, wurde das Schicksal zuteil, ihren oftmals über Jahrhunderte tradierten Namen zu verlieren und stattdessen einen ideologischen Ersatz zu erhalten. Wurde in der Nachkriegszeit ein Großteil dieser nazistischen Umbenennungen wieder rückgangig gemacht, tragen doch auch heute noch viele Orte Namen aus der Zeit des Dritten Reiches. Doch auch die Polonisierungsbestrebungen nach dem Zweiten Weltkrieg lies viele nicht-polnische Namen auf der polnischen Landkarte verschwinden.Es drängte sich hier und auch in der anschließenden Diskussion die Frage auf, inwiefern sich die unterbrochene Namenkontinuität und eine eventuelle Rückbenennung in der heutigen Zeit auf die Erinnerungs- und Wissenskultur der Bewohner auswirkt bzw. auswirken wurde. Der Kommentar zu dieser Sektion wurde von Mieczys³aw D±browski (Warschau) gehalten, der unter anderem feststellte, dass Politik (leider) zu oft über der Sprache steht.

Die Sektion „Die Naturwissenschaften und deren wechselseitige Durchdringung von Wissenschaftsordnungen und Nationalisierung“ wurde mit dem Vortrag von Justyna Turkowska (Marburg) eroffnet. Sie hielt ihren Vortrag über die „Inszenierung und Popularisierung der Hygiene: Hygieneausstellungen in der Provinz Posen“. Sie ging der Frage nach, wie das Wissen um und von der Hygiene im 19. Jahrhundert anschaulich für das – oftmals ungebildete – Publikum vermittelt werden sollte. In den Ausstellungen wurden hierfür zahlreiche medizinische Leihgaben, ergänzt durch wissenschaftliche Vortragsreihen, für eine anschauliche Volksaufklärung genutzt. Katharina Kreuder-Sonnen (Gießen) referierte über das Thema „Wie Odo Bujwid die Bakterien nach Warschau brachte. Translokaler Wissenstransfer in der Mikrobiologie, 1885-1893“. Bujwid brachte von einem Forschungsaufenthalt in Berlin gewissermasen in der Manteltasche Bakterien nach Warschau und leistete so einen wichtigen Beitrag zum transnationalen Wissenstransfer in der Mikrobiologie. Medizinhistorisch sehr interessant ist zudem die Tatsache, dass er seinen Kollegen in Briefen Empfehlungen zum möglichen Umfunktionieren alltäglicher Gegenstände für ein „Reiselabor“ gab. Daniel Schümann (Koln/Bamberg) gab in seinem Vortrag „Interurbaner Kampf ums Da(bei)sein: Frühe Darwin-Diskurse in Warschau, Krakau, Posen und Lemberg“ die unterschiedliche Rezeption der Darwin’schen Literatur anschaulich wieder und stellte die Schulen in den einzelnen Städten Polens vergleichend gegenüber. In ihrem Vortrag „Europäischer Euthanasiediskurs in der Zwischenkriegszeit“ sprach Kamila Uzarczyk (Warschau) über die ursprünglich positiv ausgerichtete Sterbehilfe und deren Entwicklung seit der Antike. Erst im 19. Jahrhundert entstand in England die Idee der Eugenik, welche eine „Verbesserung“ der Menschheit auf Grundlage der Genetik anstrebte. Kamila Uzarczyk hob hervor, dass erst durch die Verschiebung der Masstäbe, durch die Nazifizierung der Medizin im 20. Jahrhundert die Euthanasie zur gefährlichen Waffe wurde und sogenanntes „unwertes Leben“ auslöschte. Diese Vergangenheit belastet auch heute noch einen menschlichen Diskurs über die freiwillige Sterbehilfe. Katrin Steffen (Lüneburg) sprach zum Thema „Migration und Transfer: Die Wissensräume des Serologen Ludwik Hirszfeld (1902-1956)“. Bekannt fur die Entwicklung der uns heute bekannten Bezeichnungen der Blutgruppen A, B, AB und 0 – in Zusammenarbeit mit Emil von Dungern –, war Hirszfelds Hauptbetätigungsfeld die Blutgruppenforschung (besonders die Vererbung der Blutgruppen) und später die Immunologie. Hirszfeld war nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen sehr gut vernetzt. Seine Arbeiten trugen zu einer wechselseitigen Beeinflussung von Biologie und Medizin bei. Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen) kommentierte die Vorträge der Sektion in seinem Kommentar noch zusammenfassend und hob die unterschiedliche Intention der Diskurse in wenigen Worten hervor.

Die Sektion „Die Wissenschaften vom ‚Volk‘ früher und heute“ wurden durch den Vortrag von Karin Reichenbach (Leipzig) eingeleitet, in welchem die Referentin die „Nationalisierung“ archäologischer Funde im polnisch-deutschen Kontaktgebiet näher beleuchtete: im 19. Jahrhundert meinte jede Nation, die Bodenfunde als Zeugen der jeweils eigenen Kulturgeschichte (um-)deuten zu können. Gustaf Kossinna und seine Theorie, dass archäologische Funde, Sprache und Ethnie immer eine Einheit bilden, sowie die gegensätzliche Theorie seines Schülers Josef Kostrzewski bildeten den Hauptteil des Referats. Der sehr anschauliche Vortrag „Rassenkunde als wissenschaftliche Disziplin“, gehalten von Maciej Górny (Warschau), zeigte, dass die Einteilung in „werte“ und „unwerte“ Menschen nicht nur im Deutschland der (Vor-)Nazizeit existierte, sondern dass auch in Polen – besonders unter Naturwissenschaftlern – der Antisemitismus stark verbreitet war: die auf dem Gebiet der Rassenkunde geleisteten Forschungen dienten nicht nur dem rein wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs, sondern standen im Dienste der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Zum Thema „Europäische Verortung von Warschauer Wissenschaftlern im 19. Jahrhundert“ sprach Ruth Leiserowitz (Warschau). Die Untersuchung zeichnete die wissenschaftlichen Wanderungsbewegungen polnischer Studenten aus Warschau in der Zeit von 1770-1870 nach und zeigte, dass ein Großteil der Polen, die im Ausland (bevorzugte Länder waren neben Deutschland besonders das zaristische russische Reich und Großbritannien) studiert hatten, nach Beendigung des Studiums wieder nach Warschau zurückkehrte und mit ihnen Erkenntnisse aktueller Forschungen und geknüpfte Kontakte im Ausland. Diese internationale Vernetzung führte wiederum zum Entstehen von Fachgesellschaften. Christian Lübke (Leipzig) äußerte in seinem Kommentar, dass – nicht nur in Bezug auf die Archäologie – obschon wissenschaftliche Beziehungen zwischen Polen und Deutschland vorhanden waren, jedes Land seiner eigenen inneren Entwicklung gefolgt ist.

Erster Vortrag der nächsten Sektion „Die Wissenschaften von Staat und Gesellschaft“ wurde von Christian Lotz (Marburg) gehalten. Er untersuchte in seinem Referat „Die Erkundung des Vorrats. Wissenschaftler und Akademien in den Imperien Ostmitteleuropas und die Bestimmung der verfügbaren Holzressourcen“, wie die Disziplin der Land- und Forstwirtschaft mit der Ressource Holz im internationalen Diskurs umging. Verschiedene Positionen in Hinblick auf technische Errungenschaften wie beispielsweise der Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Auswirkungen auf das Rohstoffvorkommen wurden aufgezeigt. Ein „Sich-der-Technik-Bedienen“, um Holz effizient zu transportieren, stand dabei einem „Schwund des Holzes“ durch das rapide wachsende Eisenbahnnetz gegenüber. Eine rechtshistorische Auseinandersetzung stellte Claudia Kraft (Erfurt) mit ihrem Vortrag „Rechtswissenschaften: Nationalisierende Transnationalisierung – internationale Strafrechtswissenschaft in der Zwischenkriegszeit“ vor. Sie ging der Frage nach, wie Polen nach dem 1. Weltkrieg ein eigenes nationales Strafrecht entwickelte, besonders im Hinblick auf das Zusammenspiel von nationalem Rechtsgut und internationalen Rechtsgütern. Sie hielt fest, dass eine (nationale) Rechtsfindung zumeist eine Vermittlung zwischen der einzelnen nationalen partikularistischen und einer internationalen universellen Weltstrafrechtskultur ist. Auf das Gebiet der Soziologie leitete Marta Bucholc (Warschau/Wien) mit ihrem Vortrag „In der Falle des Klassischen. Max Weber in der polnischen gegenwartigen Soziologie“ über, in welchem sie bedauernd feststellte, dass die wissenschaftlichen Arbeiten Webers – die in den Kultur- und Sozialwissenschaften nicht nur in Europa zu den Grundlagen zählen – in der polnischen Soziologie aufgrund mangelnder bzw. unvollständiger Übersetzungen ins Polnische weder zur Zeit Webers noch in der heutigen Wissenschaft wirklich angekommen sind. In seinem Kommentar stellte Peter Haslinger (Marburg) die Gemeinsamkeiten dieser drei thematisch verschiedenen Vorträge heraus: die rein wissenschaftliche Wirkung in Diskursraumen ist eine Frage der gesellschaftlichen politischen Relevanz.

In der anschließenden Podiumsdiskussion – Diskutanten waren Henryk Samsonowicz (Warszawa), Michael G. Müller (Halle/Saale), Iwona Dadej (Berlin/Warszawa) sowie Peter Haslinger (Marburg) – wurden allgemeine Fragestellungen zum Thema Wissenskulturen diskutiert. Unter anderem stellte Michael Müller fest, dass transnationale Wissenschaftskommunikation immer schwierig ist, da stets Ungleichzeitigkeit herrscht. Zudem bergen die nationalen „Denkkollektive“ Raum fur das gegenseitige Nichtverstehen. Hier müsse auch in Zukunft das transnationale Gespräch gesucht werden. Auch das Thema „Gender“ fand in der Diskussion Platz, Iwona Dadej sprach über den feministischen Geschichtsdiskurs in Polen und Deutschland und die Macht der Frauen, sich – schon früh – neben den Männern in der Wissenschaft zu behaupten. Weitere Elemente der bisher gehaltenen Referate wurden wieder aufgegriffen und an ihnen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowohl der deutschen als auch der polnischen Wissenskulturen noch einmal hervorgehoben.

Die letzte Sektion mit dem Titel „Glanz und Elend akademischer Netzwerke. Das Beispiel Geschichte und Kunstgeschichte“ wurde mit dem Referat „Deutsche Denkanstöße auf die polnische Historiographie am Beispiel von Szymon Askenazy und Wac³aw Sobieski“ von Jolanta Kolbuszewska (Lodz) eingeleitet. Sie stellte die Frage in den Mittelpunkt, welchen Einfluss auf und welches Interesse an der Inszenierung von bewusster Geschichtspolitik die Medien haben. Zudem sprach sie uber die Veränderung des historischen Bewusstseins innerhalb der Länder und Disziplinen während der kommunistischen Regierungsformen. Welchen Einfluss bzw. welches Bestreben hatte die DDR bzw. die SU mit Blick auf die bewusste „Inszenierung“ der historischen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges? Milo¹ Øezník (Chemnitz) lenkte mit seinem anschließenden Vortrag „Polnische, tschechische und deutsche historische Nationalismusforschung in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts“ den Blick auf den näheren ostmitteleuropäischen Raum. Kern des Vortrags war das aufgrund der Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg jeweils eigene nationale Erbe und seine Entwicklung in einen länderspezifischen nationalen sozialistischen Patriotismus. Ma³gorzata Omilanowska (Danzig/Warschau) berichtete in ihrem Vortrag „Der Arbeitskreis deutscher und polnischer Kunsthistoriker und Denkmalpfleger im Kontext deutscher und polnischer Forschungen über das gemeinsame Erbe“ über die Entstehung und Wirkung dieses Arbeitskreises und teilte ihre Erlebnisse sehr lebendig den Zuhörern mit. Jan Rydel (Krakau) griff mit seinem Beitrag „Die Historiker und deutsch-polnische Geschichtspolitik der letzten Jahre – Einladung zur Diskussion“ die Idee des in dieser Tagung programmatischen Ziels, die Entstehung eines internationalen Forschungsnetzwerks, wieder auf. Auch ein mediales Umdenken im Transport von Wissen musse, besonders im Hinblick auf historische Dokumentationen à la Guido Knopp, stärker in den Fokus gerückt werden. Als besonders gelungenes Beispiel einer nunmehr seit 1972 hervorragend funktionierenden Institution deutsch-polnischen Wissenstransfers wurde in diesem Zusammenhang auch noch einmal die „Deutsch-polnische Schulbuchkommission“ bezeichnet. W³odzimierz Borodziej (Warschau) gab zu den vorgestellten Referaten einen knappen Kommentar und leitete zur abschließenden Diskussion über. Summa summarum bietet sich in vielen Bereichen eine hervorragende Ausgangslage für weitere gemeinsame Forschungen und den notwendigen transnationalen Austausch, auch für die Kooperation mit anderen europäischen Ländern.

veröffentlicht am 13.07.2011 in AHF-Information

(http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/)


 



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