Stadtberndeutsch Sprachschichten einst und jetzt
Beat Siebenhaar



Welche sprachlichen Merkmale gelten als sozial differenzierend?
Aus den Interviews geht hervor, dass noch immer von allen Kreisen die Vokalisierung
des l als sozial differenzierendes Merkmal wahrgenommen wird: Das burgerliche
Berndeutsch zeigt l, während die übrigen Varianten u
zeigen. Auch einzelne lexikalische Besonderheiten werden mehrfach erwähnt.
Giele u Modi gegenüber burgerlichem Buebe und Meitschi oder
hocke gegenüber sitze. Nur die beiden sprachbewussten burgerlichen
Sprecher erwähnen andere Unterscheidungsmerkmale:
- Die Velarisierung des -nd bei nicht-burgerlichen Sprechern: Hung
statt Hund 'Hund', gfunge statt gfunde 'gefunden'.
- Das burgerliche Berndeutsch zeigt öfters die Endung -ung für
einen Teil der weiblichen Substantive, wo sonst gemeinschweizerdeutsches -ig
erscheint, z.B. Zitung gegenüber Zitig 'Zeitung', Regierung
gegenüber Regierig 'Regierung'.
- Burgerliches Berndeutsch hat die verbalen Langformen mir gange/näme/gäbe/chönne
'wir gehen/nehmen/geben/können' gegenüber mir gaa/nää/gää/chöi
im nicht-burgerlichen Berndeutschen.
- Burger verwenden das und gegenüber dem verkürzten u
für 'und'.
- Typisch für das burgerliche Berndeutsch ist die häufigere Verwendung
von französischen Elementen.
- Bei Burgern ist das Halszäpfchen-r häufiger zu finden als bei
Nicht-Burgern.
Zusätzlich zu diesen in den Interview genannten und also noch heute bekannten
Unterscheidungskriterien erwähnte Heinrich Baumgartner (1940) in seinem
Aufsatz zu den verschiedenen sozial markierten Varietäten weitere Aspekte:
- Burgerliches ging für 'jeweils, immer' steht nicht-burgerlichem
gäng, geng gegenüber.
- Burger verwenden abe, ufe, ine 'hinab, hinauf, hinein', während
Nicht-Burger ache, uche, iche gebrauchen wie in nördlichen und
westlichen Teilen des ländlichen Berndeutschen.
- Burgerliches tief 'tief ' steht gegenüber nicht-burgerlichem
und ländlichem töif.
- Burger verwenden füüf, fiischter 'fünf, finster' während
Nicht-Burger föif, feischter brauchen.
- Burger haben eine höhere Sprechlage.
Neben diesen Aspekten sind natürlich lexikalische Differenzen unter den
verschiedenen Sprachschichten festzustellen, die sich in verschiedenen Wörterbüchern
und -sammlungen finden.


