Deutscher Germanistentag (25.–28. September 2022, Universität Paderborn): Panel Mehrdeutigkeit bei Mehrwortlexemen

Organisatorinnen: Rita Finkbeiner (Mainz) und Barbara Schlücker (Leipzig)

Gesamtprogramm und weitere Informationen zum Germanistentag hier.

Programm des Panels

Barbara Schlücker (Leipzig) und Rita Finkbeiner (Mainz) Mehrdeutigkeit bei Mehrwortlexemen: Einführung
Martina Werner, Nina C. Rastinger, Sophia M. Beiter und Elke Krotz (Wien) Mehrdeutigkeit im Kontext. Zur Ambiguität von Adjektiv-Nomen-Verbindungen in den älteren Sprachstufen des Deutschen und Faktoren ihrer Desambiguierung
Laura Guse (Hildesheim) #Akademiker mit Niveau ballern nicht durch die Gegend sondern parshippen – eine Korpusstudie zur Polysemie der teilschematischen Konstruktion [Nnom V durch die Gegend]
Marina Semenova (Berlin) Mehrdeutigkeit: von Eigennamen zu Appellativa
Alexander Werth (Passau) Futtern wie bei Muttern, trinken wie bei Vattern – Mehrdeutigkeiten und Rollenbilder bei Vergleichskonstruktionen mit Verwandtschaftsbezeichnungen im Deutschen
Carmen Mellado Blanco (Santiago de Compostela) Von wegen Konstruktionen sind monosem! Zur Mehrdeutigkeit der Konstruktion [von wegen X]
Fabio Mollica (Mailand) „Ach nein Mama, das ist mir zu langweilig. Ich bleibe zuhause und lese ein wenig.“ Der Dativus iudicantis als Phrasem-Konstruktion: eine konstruktionsgrammatische und korpusgestützte Analyse
Sören Stumpf (Trier) Von Wohnst du noch oder lebst du schon? hin zu [X du noch oder Y du schon?] – Entstehung neuer Phrasem-Konstruktionen im Deutschen aus semantischer Sicht

CfP

Mehrwortlexeme wie jdn. auf die Palme bringen gelten als prototypische Beispiele mehrdeutiger Ausdrücke, da bei ihnen häufig die intendierte, nicht-kompositionale der wörtlichen Bedeutung gegenübersteht. Wann solche Mehrwortlexeme tatsächlich mehrdeutig sind und ob und wie diese Mehrdeutigkeit von Hörer:innen verarbeitet wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren wie Frequenz, Kontext, Sinnhaftigkeit der wörtlichen Bedeutung etc. ab, vgl. jdm. die Haare vom Kopf fressen vs. jdm. einen Korb geben. Solche Faktoren sind in der phraseologischen und psycholinguistischen Literatur umfassend diskutiert worden.

Der Fokus unseres Panels soll hingegen auf Mehrwortlexemen abseits der klassischen Idiome liegen, bei denen sich die Frage nach einer Mehrdeutigkeit weniger einfach beantworten lässt. So stellt sich die Frage nach einer etwaigen Mehrdeutigkeit u.a. bei lexikalisch teilspezifizierten, satzwertigen Konstruktionen wie [Kein X ohne Y] (Kein Weihnachten ohne Punsch) oder [X ist das neue Y] (Sechzig ist das neue Vierzig), die eine spezifische Konstruktionsbedeutung haben, aber je nach Kontext und lexikalischer Füllung unterschiedliche Äußerungsbedeutungen transportieren können. Auch an lexikalisch teilspezifizierte Konstruktionen unterhalb der Satzebene ist zu denken, etwa metaphorische Konstruktionen wie [Det Nprop der/des X] (der Donald Trump des Ortsbeirats) oder ambige Konstruktionen wie [von N1 zu N1] (von Tür zu Tür vs. von Mann zu Mann). Auch Adjektiv-Nomen-Verbindungen wie häusliche Gewalt, entfernte Verwandte sind oft (schwach) mehrdeutig. Wenig geläufige Mehrwortlexeme werfen schließlich die Frage auf, welche Interpretationsstrategien Hörer:innen vornehmen, die ein Mehrwortlexem und damit seine spezifische Konstruktionsbedeutung gar nicht (er-)kennen.

Ziel des Panels ist es, das breite Spektrum unterschiedlicher Arten und Ausprägungen von Mehrdeutigkeit bei verschiedenen Typen von Mehrwortlexemen des Deutschen systematisch in den Blick zu nehmen. Es sind Beiträge erwünscht, die sich der Mehrdeutigkeit von Mehrwortlexemen aus theoretischer, korpuslinguistischer oder psycholinguistischer Perspektive widmen. Zu denken ist sowohl an theoretische Fragen wie nach Mehrdeutigkeitsgraden als auch an Fallstudien zur Mehrdeutigkeit bestimmter Mehrwortlexemtypen und Studien zur Verarbeitung (schwach) mehrdeutiger Konstruktionen.