Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2024

• donnerstags, 09:15–10:45 Uhr
• HS 9, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3005 (2. FS BA, 4. FS StEx OS, Gym)
– für Seniorenstudium geöffnet –


Die Vorlesung bietet anhand exemplarischer Zugriffe einen Überblick über die wichtigsten literarischen Felder und Texte der deutschen Literatur des Mittelalters, also der Zeit vom 9. bis zum 15. und frühen 16. Jahrhundert. Dies sind: Antikenroman – Artusroman – Heldenepik – Gralroman – Tristanroman – Minnesang – Sangspruch und die geistliche Literatur. Zudem gibt sie einen Einblick in grundlegende Forschungsparadigmen der Mediävistik. Methodische Fragen und Textlektüren sollen zeigen, dass das Mittelalter einen bemerkenswerten Anfangspunkt der deutschen Literatur mit mehreren Klassikern setzt (das Nibelungenlied, der Tristanroman, Walthers Lieder und Wolframs Texte u.a.), dass manche Phänomene des Literaturbetriebs ganz anders sind, manche aber durchaus vergleichbar mit der Literatur der nachfolgenden Jahrhunderte und auch der Gegenwart. Die Liebe wird Thema der Literatur, man lernt Literatur zu lesen, nicht nur zu hören, die Wissenschaft schreibt lateinisch – was heißt das für die deutsche Literatur und ihre Autoren? Literatur wird in den Jahrhunderten des Mittelalters vornehmlich handschriftlich verbreitet, der Buchdruck beginnt erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Was bedeutet dies für einen ‚Buchmarkt‘ des Mittelalters? Bilder begleiten oftmals einen Text, Literatur wird in verschiedenen Bildmedien aufgegriffen und thematisiert.
Die Vorlesung möchte zeigen, dass und warum DAS MITTELALTER für ein Germanistik-Studium – und zwar auch für zukünftige Lehrer:innen – ein notwendiger Baustein ist. Wir werden dabei bewusst einige gängige Vorurteile dem Mittelalter gegenüber aufgreifen und widerlegen oder zumindest deutlich relativieren. 700 Jahre deutsche Literatur sind nicht mit ein oder zwei Schlagworten zu (be-)greifen oder gar zu diskreditieren; manche Zuschreibungen folgen heute noch bisweilen unreflektiert prominenten Einzelmeinungen des 19. Jahrhunderts. Die Texte des Mittelalters werden als „vormodern“ benannt und damit ist nicht nur eine zeitliche Einordnung vor einer Epoche der Moderne gemeint, sondern damit wird die Literatur gewissermaßen gegenüber einer als modern gedachten Literatur abgewertet. Das ist irreführend, missverständlich und falsch. Die literarischen Felder und Texte vor Luther erweisen sich als äußerst differenziert, reflektiert, überraschend, komisch und in vielem als unglaublich aktuell.

Literatur zur Einführung: Harald Müller, Mittelalter, 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Berlin/Boston 2015; Thomas Bein, Deutsche Literatur des Mittelalters. Eine Einführung in die Germanistische Mediävistik, Berlin 2020 (Grundlagen der Germanistik 64); Christian Kiening, Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur, Frankfurt a.M. 2003. 

• donnerstags, 15:15–16:45 Uhr
• SR 224, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3005 (nur für 2. FS BA)

Zwei kürzere Verserzählungen des Strickers stehen auf dem Programm, um Mittelhochdeutsch (lesen) zu lernen: Drei Wünsche hat das eine Ehepaar frei, um die Armut zu beenden, ein zweites Paar will gegenseitig die Treue in der Ehe prüfen und führt die Probe mit dem heißen Eisen durch. Warum beides nicht gut ausgeht, werden wir uns erarbeiten.
Ein man sprach ze sînem wîbe beginnt der eine Text, Ein wîp sprach wider ir man der andere. Ehekonstellationen stehen in diesen beiden Texten des Strickers zur Debatte, die uns erst einmal dazu dienen werden, die Sprache des 13. Jahrhunderts, eine frühere Sprachstufe des Deutschen, das Mittelhochdeutsche, zu lernen. Kleinschreibungen, Langvokale, Verben, die stark oder schwach konjugiert werden und in ihren Formen erkannt werden müssen, damit wir den Text verstehen können. Sprache verändert sich, auch in ihrer Semantik, das werden wir in der Lektüre der Texte erkennen. Neben dem grammatischen Blick wollen wir natürlich auch literaturwissenschaftlich arbeiten und die Pointen des Textes entziffern, die beiden Texte interpretieren, die der Stricker (so nennt sich der Autor) klug und witzig erzählt, um zu zeigen, welche menschlichen Grundkonstellationen hier ausgestellt werden. Wir werden uns fragen, ob diese Texte „typisch mittelalterlich“ sind oder ob wir sie auch heute noch auf diese Weise erzählen könnten und was es mit dem heißen Eisen auf sich hat.

Die Texte werden zur Verfügung gestellt.
Zur Einführung: Otfrid Ehrismann: Fabeln, Mären, Schwänke und Legenden im Mittelalter. Eine Einführung, Darmstadt 2011; Hans Ulrich Schmid: Einführung in die deutsche Sprachgeschichte, 3., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Stuttgart 2017. 

• dienstags, 17:15–18:45 Uhr
• SR 224, Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3009 (4. FS BA)

Hugo von Trimberg hat im Jahr 1300 sein Hauptwerk vollendet, den Renner, der Lehrdichtung, enzyklopädische Summe, Sittenlehre und Wissenskompendium auf Deutsch ist: Allegorische Rahmung, Strukturierung nach Sünde und Reue, Exemplifizierung anhand zahlreicher Geschichten, „kein geradliniges, dafür aber anschauliches Werk“ (Lähnemann: 1998, 61), welches wir uns in Ausschnitten erarbeiten wollen.
Hugo von Trimberg hat in Bamberg gelebt, war dort Lehrer und hat mit dem Renner die grundlegende Lehrdichtung des Hochmittelalters erschaffen, die von Thema zu Thema ‚rennt‘ und weit verbreitet ist, später damit auch zum Renner wird, zum Erfolgsmodell. Der Text ist in Abschnitte und Einzelkapitel gegliedert, die mit einer Baumallegorie beginnt, dann verschiedene Sünden des Menschen abarbeitet und immer wieder exemplifizierend Geschichten einflicht, um das Gesagte anschaulich werden zu lassen. Wir lernen etwas zu Panther, Bär, Fuchs und Biber, zu Adler, Nachtigall und Fledermaus, aber auch von der Keuschheit und der Unkeuschheit, vom Ehebruch, von Juristen, bösen Richtern, von Dieben, zwei Eseln, vom Geiz, eine Geschichte von der Ameise, etwas vom Saitenspiel und den Orgeltönen, von den heiligen Büchern – die Themen sind weit gestreut, Hugo wurde bisweilen auch Geschwätzigkeit vorgeworfen. Das wollen wir prüfen, indem wir uns Ausschnitte des Textes erarbeiten, um die Art dieser Lehrdichtung zu verstehen. Der Text ist umfangreich, weswegen wir uns auf Ausschnitte beschränken müssen, und er liegt noch nicht in einer zweisprachigen Ausgabe vor, weswegen wir uns mit dem Mittelhochdeutschen arrangieren müssen, langsam lesen, übersetzen und viel diskutieren. Zudem wollen wir mit zwei in der Leipziger Universitätsbibliothek überlieferten Textzeugen des Renners arbeiten, eine davon wunderbar illustriert, so dass wir damit auch einen Eindruck vom mittelalterlichen Buch erhalten und das Gliederungssystem der Illustration schätzen lernen.

Die Textausschnitte, die wir lesen werden, werden zur Verfügung gestellt.
Zur Einführung: Günther Schweikle: Hugo von Trimberg, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., hg. von Kurt Ruh u.a., Bd. 4, Berlin/New York 1983 Sp. 268-282; Christoph Mackert und Armand Tif. Mit Beiträgen von Regina Cermann, Katrin Sturm und Hedwig Suwelack: Blätterleuchten. Mitteleuropäische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts in Leipziger Handschriften. Katalog zur Ausstellung der Universitätsbibliothek Leipzig in der Bibliotheca Albertina vom 10. Dezember 2015 bis 20. März 2016, Luzern 2015.

• donnerstags, 17:15–18:45 Uhr
• SR 224 Campus Augustusplatz, 04109 Leipzig

Modul 04-003-3009 (4. FS BA)

Die Übung ist als bewusste Ergänzung zum Renner-Seminar konzipiert. Hier werden wir methodische und praktische Aspekte der Arbeit am Text (und das meint den Primärtext, aber auch die relevante Forschungsliteratur) intensivieren und diejenigen Arbeitsschritte einüben, die zum Verfassen einer schriftlichen Hausarbeit nötig sind (Erfassen und Lesen der Forschungsliteratur, Gliederung der Hausarbeit, Einleitung u.a.). Denn Prüfungsleistung in diesem Modul ist eine Hausarbeit, die im Verlaufe des Semesters in der Übung konkret vorbereitet werden soll. Wir werden das Instrumentarium des wissenschaftlichen Arbeitens erproben und in konkreten Anwendungen einüben und diskutieren. Welche Fragen stellt ein Text (Primärliteratur – Sekundärliteratur)? Wie kann ich daraus ein Thema für eine Hausarbeit machen? Welche und wieviel Literatur benötige ich? Welche Forschungsliteratur ist relevant für ein Thema? Wie integriere ich die Ergebnisse der Forschung in meine Hausarbeit? Ist in der Forschung nicht schon alles einmal formuliert worden? Gibt es noch etwas Neues zu entdecken? Und wie? Wie formuliere ich eine These? Wie sieht eine Gliederung aus, was umfasst eine Einleitung? Wie schreibe ich? Darf ich „ich“ schreiben? Wie zitiere ich, was muss ich belegen? Wie gehe ich mit digitalen Quellen um? Was steht in den Fußnoten, was steht wie im Literaturverzeichnis …? All diese Elemente werden in einzelnen Arbeitsschritten und in der gemeinsamen Diskussion erörtert, im Gespräch mit den Kommiliton:innen soll die beste Variante erkundet werden. Wir werden dabei auch einen Blick in die mittlerweile zahlreichen Ratgeber und Handbücher zum Thema werfen („Die erste Hausarbeit – FAQ“, „Die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten… Bewährter Ratgeber jetzt in Farbe“, „Handbuch wissenschaftliches Schreiben. Eine Anleitung von A bis Z“) und diese auf ihre Brauchbarkeit hin prüfen.
In der Übung werden wir aber auch konkret mit der Überlieferung arbeiten. Was bedeutet „Überlieferung“ für einen mittelalterlichen Text? In welcher Form ist der Renner erhalten? Sind die Überlieferungsträger alle gleich? Wortidentisch? Oder sehen wir gravierende Unterschiede in den tradierenden Handschriften? Wir werden zwei originale Handschriften des Mittelalters hinzuziehen, die den Renner überliefern, am Digitalisat werden wir das Lesen üben, und am Original uns einige Besonderheiten des mittelalterlichen Buchs vor Augen führen. Denn in der UB Leipzig liegen zwei Handschriften des Renners, die wir in unsere Übung einbeziehen werden: Leipzig UB, Ms 1289 und Leipzig UB, Rep. II 21. Katrin Sturm, Mitarbeiterin am Handschriftenzentrum der UB, wird uns hier begleiten und in grundlegende Methoden und Fragestellungen der Paläographie und Kodikologie einführen. Einige der Sitzungen werden deswegen auch im Forschungslesesaal der UB Leipzig stattfinden.

Textausgabe: wie Seminar Der Renner

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