Ergebnisse

SpraStuProjektErgebnisse

Hier werden einige zentrale Projektergebnisse in aller Kürze dargestellt. Umfassende Ergebnisse finden sich in Wisniewski, Lenhard, Möhring & Spiegel, i.V.

Bei der Interpretation der Ergebnisse sollten die Besonderheiten der SpraStu-Stichprobe (N = 340 Bildungsausländer:innen, N = 186 Studierende deutscher Muttersprache (L1)) berücksichtigt werden:

  • Hochschulzugangsberechtigung im Ausland oder an einem Studienkolleg erworben (Bildungsausländer:innen)
  • Deutsch ist nicht Muttersprache (L1) der Teilnehmenden
  • Studierende in Bachelor- oder Staatsexamensstudiengängen
  • Studierende an zwei Universitäten (Leipzig und Würzburg)
  • ausschließlich deutschsprachige Studiengänge
  • Projekteinstieg im ersten Fachsemester

Damit unterscheidet sich die Stichprobe entscheidend von repräsentativen Erhebungen. Beispielsweise macht die Gruppe der BA-Studierenden in der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks lediglich 37.6% aus, und SpraStu-Teilnehmende studieren deutlich seltener Ingenieurwissenschaften als das bundesweit der Fall ist. Die große Gruppe an Bildungsausländer:innen aus Österreich mit L1 Deutsch war von der Teilnahme ausgeschlossen.

Bildungsausländer:innen als heterogene Studierendengruppe

Der vielleicht vorrangigste, alle Analysen durchziehende Befund von SpraStu ist, dass Bildungsausländer:innen eine äußerst heterogene Gruppe sind, die mit verschiedensten (sprachlichen) Voraussetzungen ins Studium starten und auch sehr unterschiedlich erfolgreich sind. Jede Art von stereotyper Defizitzuschreibung geht an der Studienrealität der Bildungsausländer:innen vorbei.

Sprachkompetenzen von Bildungsausländer:innen

In Eile sprachlich vorbereitet

Im Durchschnitt lernen die im Projekt untersuchten Bildungsausländer:innen vor Studienbeginn nur knapp drei Jahre Deutsch. Angesichts dieser kurzen durchschnittlichen sprachlichen Vorbereitungszeit ist es erstaunlich, wie gut viele Bildungsausländer:innen im Projekt das Deutsche beherrschen. Je früher die Teilnehmenden mit dem Deutschlernen begonnen hatten, desto besser waren ihre Sprachkompetenzen zu Studienbeginn. Dieser Vorteil blieb im Studienverlauf erhalten.

Sprachkompetenzen zu Studienbeginn sehr heterogen

Zulassungsvoraussetzungen an beiden Projekthochschulen ist u.a. der Nachweis von Deutschkompetenzen gemäß der Rahmenordnung über deutsche Sprachprüfungen für den Hochschulzugang (HRK/KMK, 2004|2019/2020). Dies geschah meist über einen Sprachtest, beispielsweise die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH), den TestDaF oder das Deutsche Sprachdiplom – Zweite Stufe (DSD II) der KMK. Die nachzuweisenden Kompetenzen liegen dabei in der Regel auf Niveau B2.2/C1.1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER, Europarat, 2001, 2020), beim DSD II auf Niveau B2.

Die zu Studienbeginn im Projekt mit mehreren Testverfahren diagnostizierten Sprachkompetenzen (allgemeine Sprachkompetenz, Leseverstehen, Hörverstehen, produktiver und rezeptiver Wortschatz, Schreiben) unterschieden sich bei Bildungsausländer:innen drastisch. Viele Teilnehmende erreichten in einzelnen Sprachtests nicht das Niveau B2, einigen gelang das in keinem der Verfahren. Andere lagen durchgängig in sehr hohen Kompetenzbereichen.

Bildungsausländer:innen im Projekt überschätzten ihre eigenen Sprachkompetenzen und hatten insbesondere Probleme, diese zu den verbreiteten Niveaustufen des GER zuzuordnen. Dies spricht dafür, zukünftig Selbsteinschätzungen mit Vorsicht zu betrachten.

Sprachkompetenzen bei Bildungsausländer:innen unterschiedlicher Regionen und Fächergruppen

Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in den Regionen Ostasien/Pazifik oder Arabischen Staaten erhalten hatten, starteten sprachlich schwächer ins Studium, während insbesondere Bildungsausländer:innen aus Zentral- und Osteuropa sehr gute Sprachkompetenzen nachwiesen. Auch wenn die Ursachen dafür im Projekt nicht genauer untersucht werden konnten, wurde zumindest deutlich, dass Studierende mit einer Hochschulzugangsberechtigung aus Ostasien/Pazifik bzw. Arabischen Staaten in der Regel keinen oder nur wenig schulischen Deutschunterricht erhalten hatten. Die Sprachkompetenzunterschiede dieser Gruppen blieben auch nach einem Jahr Studium noch sehr groß.

Auch Unterschiede zwischen Fächergruppen – mit Nachteilen für Mathematik / Naturwissenschaften und die Ingenieurwissenschaften und stärkeren Ergebnissen bei Studierenden der Medizin, der Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie der Geisteswissenschaften – wurden zu Studienbeginn deutlich, die sich aber im Projektverlauf abschwächten.

Schieflagen bei Tests zum sprachlichen Hochschulzugang

Ergebnisse des Projekts deuten darauf hin, dass einige Sprachtests zum sprachlichen Hochschulzugang durchlässiger sind als andere (vgl. Wisniewski & Möhring, 2021): So schnitten Bildungsausländer:innen, die mit der DSH zum Studium zugelassen worden waren, in Projektsprachtests zu Studienbeginn deutlich schwächer ab als andere.
Ein direkter Vergleich der Sprachtests zum Hochschulzugang oder eine Aussage darüber, welche(r) die “richtigen” Sprachkompetenzen für ein Hochschulstudium testet/testen, war aber weder Ziel von SpraStu noch im Rahmen des Projektdesigns möglich.

Entwicklung der Sprachkompetenzen im Studienverlauf

Die teilnehmenden Bildungsausländer:innen verbesserten die meisten erhobenen sprachlichen Kompetenzen in den ersten beiden Studienjahren statistisch signifikant. Betrachtet wurden das Leseverstehen, das Hörverstehen, der rezeptive und produktive Wortschatz, Schreibfähigkeiten und die allgemeine Sprachkompetenz. Am wenigsten entwickelten sich die Schreibfertigkeiten.

Der Bezug von Sprachtests auf den GER birgt immer eine gewisse Unschärfe, sodass die Projektanalysen zum Großteil auf Rohpunktergebnissen beruhen. Trotzdem: Auch nach zwei Jahren Studium in Deutschland erreichten nur 50-60% der Teilnehmenden in den Sprachtests das Niveau C1 und überschritten damit das geforderte Studieneingangsniveau; beim Schreiben lagen zu diesem Zeitpunkt 60% auf der TestDaF-Niveaustufe 4 (entspricht B2.2-C1.1) – die eigentlich schon Eingangsvoraussetzung für das Studium war.

Unseres Erachtens zeigt dies vor allem zweierlei: Erstens liegen die sprachlichen Anforderungen für die Aufnahme eines Studiums in Deutschland schon sehr hoch. Diesen Eindruck bestätigt auch ein Blick ins Ausland, wo häufig das Niveau B2 nachzuweisen ist – auch für das Englische, das als schulische Fremdsprache sehr viel weiter verbreitet ist als das Deutsche.

Zweitens ist eine Entwicklung über diese Eingangsniveaus hinaus ohne eine sprachliche Weiterbildung im Studium unrealistisch. Die Proband:innen in SpraStu hatten nur in Ausnahmefällen im Projektverlauf noch Deutschkurse belegt.

Sprache aus Perspektive der Bildungsausländer:innen

Bildungsausländer:innen selbst waren zwar ganz überwiegend zufrieden mit ihren Deutschkenntnissen. Sie berichten aber über fortwährende Schwierigkeiten insbesondere mit dem Sprechen und Schreiben. Bedenklich ist, dass viele sich deshalb nicht in der Lage sehen, aktiv an Lehrveranstaltungen teilzunehmen und sich als defizitäre Sprechende im Vergleich zu L1-Studierenden wahrzunehmen scheinen. Für viele Bildungsausländer:innen ist besonders das hohe Tempo von Lehrveranstaltungen im Studium problematisch.

Studienerfolg von Bildungsausländer:innen

Problemgeplagtes Studium?

Häufig wird das Studium von Bildungsausländer:innen als von besonders vielzähligen Problemen gekennzeichnet verstanden. Dies zeigen beispielsweise repräsentative Studien des DAAD/DZHW (2019) oder die 21. Sozialerhebung. Die Projektteilnehmenden in SpraStu hingegen empfanden ihr Studium als viel weniger problematisch – dies liegt sicherlich auch daran, dass es sich um eine besondere Stichprobe handelt (siehe einleitende Bemerkungen).
Die Art der Probleme, die berichtet werden, stimmt jedoch mit der in größeren Studien gefundenen überein: In beiden Fällen sind die Wohnungssuche sowie die Orientierung im Studium eine Herausforderung, aber auch integrationsbezogene Faktoren.

Studienerfolg von Bildungsausländer:innen

Nicht nur die Sprachkompetenzen, sondern auch der Studienerfolg bei Bildungsausländer:innen ist äußerst heterogen ausgeprägt, individuell also sehr unterschiedlich. Insgesamt sind Bildungsausländer:innen in SpraStu aber deutlich weniger erfolgreich als deutsche Studierende. Sie erreichen bspw. nach dem 1. Semester ca. 60% der vorgesehenen Studienleistungen, deutsche Studierende ca. 74%. Die Unterschiede gleichen sich im Lauf der ersten drei Semester kaum aus. Beide Gruppen bleiben deutlich unter den in Studiendokumenten festgelegten Anforderungen.

Ferner zeigen sich bei Bildungsausländer:innen ganz erhebliche Leistungsunterschiede zwischen den Fächergruppen, wobei Studierende aus Mathematik / Naturwissenschaften sowie der Informatik (als einziger vertretener Ingenieurwissenschaft) schwächere, v.a. Mediziner:innen, aber auch Geisteswissenschaftler:innen und Studierende der Rechts- Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stärkere Leistungen erbringen.

Studienabbruch relativ selten

Studienabbruch kann in SpraStu weniger gut untersucht werden als Studienerfolg, v.a. weil das Projekt die teilnehmenden Bildungsausländer:innen nur für wenige Semester begleitete.

Dennoch fiel auf, dass Studienabbrüche sehr selten vorkamen. Nur 10% der teilnehmenden Bildungsausländer:innen brachen ihr Studium im Untersuchungszeitraum ab, noch etwas seltener als deutsche Proband:innen (12%). Ursachen für diesen Befund können sowohl methodischer Natur sein als auch mit der Zusammensetzung der SpraStu-Stichprobe zusammenhängen. Gut denkbar ist zudem, dass Bildungsausländer:innen ihr Studium nach Beendigung der Projektlaufzeit doch noch abbrachen. Trotzdem sind die Abbruchzahlen im Vergleich zu den DZHW-Studien, wo sie im Bachelor zuletzt bei 49% lagen (DZHW, 2020) sehr niedrig.

Studierende, die das Studium später abbrachen, erwarben bereits im ersten Studiensemester weniger Studienleistungen als die erfolgreichen Studierenden. Ihre Leistung brach zum zweiten und dritten Semester deutlich ein, bevor sie schließlich aus dem Studium herausfielen.

Erfolgreich ins Studium: Sprachkompetenzen und intrinsische Studienwahlmotivation entscheidend

Wer länger Deutsch gelernt hatte und mit besseren Sprachkompetenzen ins Studium startete sowie intrinsisch für das Studium motiviert war, startete erfolgreicher ins Studium. Dabei sind insbesondere die Lesefertigkeiten entscheidend. Andere Faktoren der Studienvorphase wie etwa der familiäre und der eigene Bildungshintergrund hingegen spielten keine ausschlaggebende Rolle.

Der Einfluss der Sprachkompetenzen auf den Studienerfolg am Anfang des Studiums war auch von der studierten Fächergruppe abhängig: Am wichtigsten sind Sprachkompetenzen für einen erfolgreichen Studienstart in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie in der Medizin.

Die Studieneingangsphase ist zudem von ganz entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf des Studiums: Wer bereits im ersten Semester erfolgreich war, für den galt dies auch nach drei Semestern.

Einflussfaktoren auf den Studienerfolg im laufenden Studium: Sprachkompetenzen, Integrationsfaktoren und finanzielles Auskommen entscheidend

Welche Faktoren sorgen im Studienverlauf dafür, dass Bildungsausländer:innen erfolgreich studieren? Für die SpraStu-Stichprobe wurde deutlich, dass auch im Studienverlauf sprachliche Fertigkeiten eine entscheidende Rolle spielen (insbesondere das Hörverstehen, aber auch andere Kompetenzen). Ferner trugen eine gute soziale Integration, hier verstanden als ein guter und umfangreicher Kontakt zu Kommiliton:innen sowie eine ausgeprägte akademische Integration, zu einem erfolgreichen Studium ganz entscheidend bei. Teilnehmende, die angaben, mit ihren finanziellen Ressourcen gut auszukommen, waren ebenfalls erfolgreicher. Diese Faktoren erklärten gemeinsam ein gutes Drittel an Leistungsunterschieden in der Mitte des Studiums (36.5%). Sprachkompetenzen klären dabei sowohl zu Beginn als auch später im Studium knapp 20% der Varianz bei den Studienleistungen auf.

Andere mögliche Prädiktoren, etwa institutioneller, motivationaler oder auf das Selbst bezogener Art, beeinflussten den Studienerfolg hingegen nur in zu vernachlässigbarem Umfang oder gar nicht.

Dabei fiel auf, dass auch die integrationsbezogenen Faktoren wiederum sprachlich mitbedingt wurden: Wer etwa mehr Sprachkontakt auf Deutsch hatte, war sowohl sprachlich als auch sozial besser integriert.

Besondere Studierendengruppe: Geflüchtete Projektteilnehmende

An SpraStu nahm nur eine kleine Gruppe an geflüchteten Studierenden teil (n = 33). Verallgemeinerbare Aussagen können wir deshalb nicht treffen. Es zeigte sich aber, dass diese Gruppe in verschiedener Hinsicht besonders zu kämpfen hat: So hatten die geflüchteten Projektteilnehmenden zu Studienbeginn besonders schwache Deutschkenntnisse – und eine besonders kurze sprachliche Vorbereitungszeit.

Geflüchtete Projektteilnehmende erbrachten zudem weniger Studienleistungen als andere Bildungsausländer:innen. Ein Vergleich von geflüchteten und nicht geflüchteten Proband:innen derselben Herkunftsregion zeigt aber, dass erstere sich hinsichtlich ihrer Studienleistungen deutlich dynamischer entwickeln und im zweiten Semester diese Kommiliton:innen überholen.

Sprachliches Handeln in der L2 Deutsch: Ausgewählte Ergebnisse

Metakognitive sprachbezogene Selbstregulation

Im Projekt wurde ein Instrument entwickelt, mit dessen Hilfe eingeschätzt werden kann, wie gut Bildungsausländer:innen strategisch mit sprachlich herausfordernden typischen Situationen im Studienalltag umgehen können. Dieser szenariobasierte Fragebogen (ScenEx) erwies sich als prädiktiv sowohl für den Zuwachs der Sprachfertigkeiten im Laufe des Studiums über die anfänglichen Sprachkenntnisse hinaus als auch für den Studienerfolg (vgl. Wisniewski et al., 2019; Seeger et al, in Vorbereitung).

Korpusressourcen aus SpraStu: Das Lernerkorpus DISKO und das Vorlesungs- und Mitschriftenkorpus MIKO

Aus den Schreibleistungen, die in SpraStu erhoben wurden, und weiteren Texten (v.a. des neuen digitalen TestDaF), wurde ein longitudinales Lernerkorpus mit fast 1.000 Texten kompiliert. DISKO enthält auch Texte deutscher Studierender. DISKO wird im Langzeitarchiv des Institut für deutsche Sprache in Mannheim zugänglich und über den Korpusserver der Humboldt-Universität zu Berlin in ANNIS durchsuchbar sein.

Das Korpus MIKO beinhaltet transkribierte Vorlesungen mitsamt Videoaufnahmen sowie zugehörige Mitschriften von Bildungsausländer:innen und L1-Studierenden. Es ist am Institut für deutsche Sprache in Mannheim über die Datenbank gesprochenes Deutsch zugänglich.

Klausuren schreiben in der Studieneingangsphase

Aus Bedarfsanalysen ist bekannt, dass Klausuren für den Studienerfolg wichtig sind und zugleich eine besondere Herausforderung für Nichtmuttersprachler:innen darstellen. Um spezifische Schwierigkeiten – v. a. auf sprachlicher Ebene – beim Klausurenschreiben und Strategien im Umgang damit zu untersuchen, wurden zu vier Klausuren jeweils zwei bis drei Bildungsausländer:innen gebeten, ihre Klausurbearbeitung detailliert nachzuerzählen (in sogenannten Stimulated Recalls). Zusätzlich wurden die verantwortlichen Dozierenden zu ihrer Sicht auf mögliche Schwierigkeiten und Lösungsstrategien befragt.

Die Studierenden berichteten von differenzierten Schwierigkeiten, die neben Wortschatzlücken auch den angemessenen Textaufbau und Stil sowie die erforderliche Ausführlichkeit der Antworten betrafen. Sie verwendeten viel Zeit darauf, die Antworten sprachlich korrekt auszuformulieren, was die Dozierenden allerdings gar nicht als wichtig erachteten. Zeit fehlte wiederum, um Wörter im Wörterbuch nachzuschlagen. Besonders schwierig war dabei nicht etwa der Fachwortschatz, sondern allgemeinsprachliches Vokabular. In einer Multiple-Choice-Klausur erschwerte der Zeitdruck zusätzlich, die teils langen und sehr ähnlichen Antwortoptionen gründlich zu lesen.

Mitschreiben in Vorlesungen in der Studieneingangsphase

Das Mitschreiben ist eine sehr weit verbreitete, aber voraussetzungsreiche Sprachhandlung, bei der man häufig annimmt, sie sei für L2-Studierende besonders schwierig. In SpraStu wurden auf Primärdaten (Vorlesungen, Mitschriften) beruhende Analysen sowie Fragebögen und Dozierendeninterviews eingesetzt, um das Mitschreiben genauer zu beleuchten.

Hier zeigt sich, dass das Mitschreiben eine stark von individuellen Zielen und Strategien geprägte, hoch heterogene Handlung ist. Wie mitgeschrieben wurde, hing immer auch mit Spezifika der jeweiligen Vorlesungs(sitzung) zusammen. Wurde diese als sprachlich schwierig, v.a. hinsichtlich des Wortschatzes, empfunden, entstanden qualitativ weniger überzeugende Mitschriften. Eine der wenigen durchgängigen Tendenzen bestand darin, dass nahezu alle Studierenden abschrieben, was auf Tafel oder Folie zu sehen war.

Mitschriften von deutschen Studierenden und Bildungsausländer:innen unterschieden sich nicht gravierend voneinander, auch nicht hinsichtlich ihrer Qualität. Die Qualität der Mitschriften hing mit der Sprachkompetenz der Bildungsausländer:innen zusammen (v.a. mit ihrem Wortschatz).

Die Sicht der Dozent:innen auf sprachliche und fachliche Schwierigkeiten in ihren Vorlesungen, das Mitschreiben und die Gruppe der Bildungsausländer:innen

Die Dozent:innen beschreiben, dass sie insgesamt nur wenig Kontakt zur Gruppe der Bildungsausländer:innen haben; nur wenige Bildungsausländer:innen würden sich in den Vorlesungen äußern oder sich mit Fragen an sie wenden. Bei den Schwierigkeiten, die sie benennen, beziehen sie sich dementsprechend oft auf die gesamte Gruppe der Studierenden und begründen sie nur selten auf Rückmeldungen der Bildungsausländer:innen oder konkreten Erfahrungswerten. Als wesentliche Schwierigkeit schildern die Dozent:innen die steile Progression der Vorlesungen. Diese wirke sich zum einen auf die Sprechgeschwindigkeit aus, die als zentrale sprachliche Schwierigkeit benannt wird, zum anderen erforderten die Vorlesungen dadurch ein hohes Maß an Konzentration. Eine weitere Schwierigkeit, die von vielen Dozent:innen beschrieben wird, ist das Erlernen von Fachbegriffen, die schon durch ihre Quantität, aber auch weil sie aus verschiedenen Sprachen stammen oder einander ähnlich sind, eine Herausforderung darstellten. Eine wesentliche fachliche Schwierigkeit seien abstrakte und theoretische Themen. Die Anwendung des theoretischen Wissens falle den Studierenden dann ebenfalls oft schwer und insbesondere Bildungsausländer:innen wird die Eigenschaft zugeschrieben, gut im Auswendiglernen zu sein, jedoch Probleme bei der Anwendung des theoretischen Wissens zu haben. Die Einschätzungen dazu, wie am besten mitgeschrieben werden sollte, sind heterogen und sich nur in einem Punkt einig: Es sollte auf keinen Fall alles mitgeschrieben werden, sondern vor allem die Aspekte, die nicht auf den Folien stehen oder ohne Weiteres nachgelesen werden können. Mehrere Dozent:innen betonen außerdem, dass Studierende in den ersten Semestern einen eigenen Mitschreibstil entwickeln müssen.

Literatur

Heublein, U., Richter, J., & Schmelzer, R. (2020). Die Entwicklung der Studienabbruchquoten in Deutschland. DZHW-Brief, 3, 1–12.