„Müde bin ich, geh zur Ruh.“ Die alternde Erzählerin erinnert sich daran, wie ihre Mutter sie als Kind zu Bett brachte. Dazu sang die Mutter drei Strophen des Liedes von Luise Hensel. Fast siebzig Jahre später entdeckt die Erzählerin, dass das Lied eine vierte Strophe hat, die mit den Worten „gib uns eine gute Nacht“ endet. Sie muss erkennen: Indem die Mutter diese Strophe wegließ, in der zum ersten Mal der Plural „uns“ verwendet wird, hat sie nur dem Kind eine gute Nacht gewünscht und sich selbst nicht mit einbezogen.

Die kurze Erzählung „Die vierte Strophe“ ist Teil der Autobiografie Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten der renommierten DDR-Schriftstellerin Helga Schubert. Alle Geschichten können sowohl einzeln als auch gemeinsam gelesen werden. Vom Aufstehen stand 2021 auf der Shortlist zum Preis der Leipziger Buchmesse, die Titelerzählung „Vom Aufstehen“ wurde 2020 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.

Kurzprosa · 2021