4.2   Timing

Als zweiter Aspekt soll das Timing beachtet werden, die Dauer der einzelnen Laute. Eine korrekte zeitliche Steuerung bestimmt das Verständnis und den Höreindruck wesentlich. In natürlicher Sprache werden die Laute verschieden lang realisiert. Stellen Sie sich eine Sprache vor, in der alle Laute gleich lang sind (Bsp05), eine unnatürliche Realisierung. Doch auch eine Berücksichtigung der intrinsischen Dauer und der Beeinflussung durch die Nachbarlaute sowie der Silbenstruktur genügt Ansprüchen an die Natürlichkeit nicht. Stellen Sie sich eine Sprache vor, die kein Modell für die zeitliche Steuerung in der Umgebung der Phrasengrenzen aufweist. Sie hören, dass die Laute vor den Pausen zu kurz sind, weil unter anderem ein sogenanntes 'final lengthening' nicht eingebaut ist. Pausen werden so relativ schlecht wahrgenommen, die Sprache wirkt abgehackt (Bsp06). Erst die Berücksichtigung der Position in der Phrase vermittelt einen natürlicheren Eindruck (Bsp07). Es ist jedoch zu vermuten, dass weitere Aspekte zuzuziehen sind[4].

Diese Beispiele verdeutlichen, dass Veränderungen in einem Bereich, der die Dialektologie bisher nicht interessiert hat, ganz wesentlich sind für das Verständnis von Sprache und den Eindruck, den hinterlässt. So lassen sich auch im Timingbereich Fragen stellen, die sich variationslinguistisch auswerten lassen. Werden Pausen in verschiedenen Dialekten gleich oder unterschiedlich markiert? Wie lange ist ein Laut im einen Dialekt, wie lange im anderen? Sind allfällige Dauerunterschiede relevant für perzeptive Unterscheidung von Mundarten?


[4] Die Darstellung der für das Schweizerhochdeutsch als relevant beurteilten Faktoren finden sich in Siebenhaar, Keller, Zellner Keller (2001).