Lernen Schüler und Studenten heute schneller als vor 25 Jahren ? - Eine vergleichende Lernverlaufsanalyse mit dem visuellen Lern- und Gedächtnistest DCS

Georg Lamberti

Psychologisches Labor der Rheinischen Kliniken
Kaiser-Karl-Ring 20, D-53111 Bonn
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Auf der Basis gestaltpsychologischer Überlegungen wurde das "Diagnosticum für Cerebralschädigung (DCS)", zunächst als Screening-Instrument zur Erfassung von mnestischen Hirnfunktionsstörungen vorgesehen, erstmals im Jahre 1972 von Weidlich publiziert. Nach nunmehr über 25-jährigem klinischen Einsatz hat sich dieser visuelle Lern- und Gedächtnistest in der neuropsychologischen Diagnostik inzwischen sehr gut bewährt.
Hinsichtlich der Aktualität und Angemessenheit der Normdaten stellte sich dem Autor nunmehr die Frage, ob die im Manual enthaltenen Normwerte von Gesunden nach ca. 1/4 Jahrhundert noch die aktuellen Lern- und Behaltensleistungen zutreffend beschreiben. Zu einer ersten Beurteilung einer nach 25 Jahren möglicherweise veränderten Lern- und Gedächtnisleistung wurden deshalb die DCS-Lernverläufe einer ausgewählten Gruppe von 41 relativ jungen gesunden Probanden mit überwiegend höherem Bildungsgrad des Jahres 1972 mit einer nach Alter und Bildung parallelisierten Gruppe von 40 gesunden Probanden des Jahres 1997 verglichen. Hinsichtlich einer möglichen ökologischen Validität des Verfahrens wurden parallel die Alltagsgedächtnisleistungen mittels der deutschen Version des "Cognitive Failure Questionnaire" (CFQ n.Broadbent) eingeschätzt.
Die Lernverläufe der beiden Gruppen (1972 vs. 1997) zeigten nach interferenzstatistischer Analyse eine weitgehende Übereinstimmung, sowohl hinsichtlich der initialen Lernleistung, der Lerngeschwindigkeit (Erreichen des Lernkriteriums) als auch des maximalen Reproduktions-niveaus. Signifikante Zusammenhänge zwischen DCS-Testleistung und im CFQ erfaßten Alltags- gedächtnisleistungen weisen erstmals seit Publikation des Verfahrens auch auf dessen ökologische Validität (bei Gesunden) hin. Hinsichtlich der bevorzugten assoziativen Merkstrategien konnte die Hypothese einer maximalen Leistung unter kombinierter Verwendung von verbalen (Buchstabenform) und figuralen (bildhafte Vorstellung) Assoziationen nicht bestätigt werden: Der Großteil der heutigen Probanden bevorzugte primär an Buchstaben orientierte Assoziationshilfen (ca. 68%), während klassische Einprägstrategien, wie z.B. systematisches lautes Memorieren der Zeichen, nur in wenigen Einzelfällen (5%) zum Einsatz kamen.
Insgesamt weisen die Befunde nicht zwangsläufig auf die Notwendigkeit einer Neunormierung des Lerntests hin, wobei angesichts der Selektivität der Stichprobe diese Schlußfolgerung jedoch zunächst nur für jüngere Probanden mit höherer Schulbildung gelten dürfte.

Poster in der Gruppe Lernen, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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