Beitrag aus dem Modul zu afrikawissenschaftlichen Methoden (4. Semester, BA Afrikastudien, Sommersemester 2017) zum Thema Studierendenproteste.
Florentine Haeusgen, Anna-Maria Hempel, Karien Kruger
Dieser Blogeintrag beschäftigt sich mit der Problematik der Sprachpolitik an der Universität Stellenbosch in Südafrika. Im Speziellen geht es um die Reaktionen der afrikaanssprachigen Studierenden auf die Studtentenbewegung Open Stellenbosch. Sie hat erwirkt, dass Englisch zur Hauptunterrichtssprache der Universität gemacht wurde. Diese Sprachdebatte ist für Studenten in Ländern, in denen es nur eine Nationalsprache gibt, relativ schwierig nachzuvollziehen. Südafrika steht also mit elf Nationalsprachen, die alle Träger unterschiedlicher Identitäten sind bzw. sein können, vor einer in Deutschland unbekannten Problematik. Sprache und Identität können in diesem Diskurs nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Demnach sind einige der Reaktionen des afrikaanssprachigen Teil der Studenten auf die Open Stellenbosch Bewegung nicht nur durchsetzt von der Angst ihre Sprache, sondern auch ihre Kultur im universitären Kontext aufgeben zu müssen.
Open Stellenbosch ist ein Studentenprotest, der sich im April 2015 entwickelte. Der Bewegung ging eine jahrelange Debatte über die Sprachpolitik an der Universität Stellenbosch voraus. Mittelpunkt dieser Diskussion ist die Unterrichtssprache Afrikaans, eine von elf Nationalsprachen Südafrikas. Von vielen Studenten wird Afrikaans immer noch als Sprache der Apartheid angesehen, welche andere ethnische Gruppen an der Universität Stellenbosch ausgrenzt. Befeuert von weiteren Studentenprotesten in Südafrika 2015 wie zum Beispiel die international bekannte #Rhodesmustfall-Bewegung an der Universität Kapstadt formierte sich die Studentenbewegung Open Stellenbosch. Die Gruppe bestehend aus mehrheitlich Schwarzen Studenten protestierte dafür, dass kein Student dieser Universität mehr gezwungen werden sollte Afrikaans zu lernen. Damit einhergehend, so Open Stellenbosch, müsse die Universität Stellenbosch zu einem Ort der Vielfalt werden. In diesem Jahr wurde nun eine neue Sprachpolitik an der Universität implementiert, die Englisch und Afrikaans als gleichgestellte Unterrichtssprachen vorsieht. Es scheint jedoch, dass Englisch Afrikaans ganz als Hauptunterrichtssprache abgelöst hat und Afrikaans nur noch in sehr kleinem Ausmaß verwendet werde, so viele Studenten der Universität.
Vor diesem Hintergrund galt nun unser Interesse den Auswirkungen dieses Protests auf afrikaanssprachige Studenten an der Universität Stellenbosch. Unsere Ergebnisse haben wir maßgeblich aus Blogs, sozialen Netzwerken und Filmmaterial zusammengetragen und schnell wurde uns klar, wie vielschichtig und komplex die Problematik ist. Zunächst haben wir, wie es auf der Hand liegen möchte, die verschiedenen Kommentare in Pro-, Neutral- und Contra-Argumente für bzw. gegen die Forderung Open Stellenboschs unterteilt, um dann in den jeweiligen Kategorien inhaltliche Subkategorien zu entwickeln.
Anhand von zwei Positionen, die sich gegen die Abschaffung von Afrikaans als Unterrichtssprache richten, wird ein tiefergehender Einblick in die Problematik dieser Sprachdebatte aufgezeigt. Eine dieser Positionen, ist die der afrikaanssprachigen Nationalisten, die wohl lauteste und aggressivste Gruppe in diesem Diskurs.
Pricks like you have been trying for years to make Stellies exclusively english and we’re still here. So gaan huil by jou mamma kind (übersetzt: „Geh heulen bei deiner Mama Kind“). [1]
Ein Statement wie dieses gehört noch zu den harmloseren Posts. Kern ihrer Argumentation ist, dass mit dem Abschaffen von Afrikaans die „großartigen Errungenschaften“ der weißen afrikaanssprachigen Gesellschaft der letzten Jahrzehnte aufgegeben werden bzw. verloren gehen. Ohne sie würde es überhaupt keine solche Universität geben, geschweige denn diesen Grad an Bildung; solche und ähnliche Kommentare sind hier zu lesen. Meist klingt in den Kommentaren subtil oder aber auch sehr offen die Annahme einer Vormachtstellung bzw. einer fortbestehenden Überlegenheit der weißen afrikaanssprachigen Bevölkerung mit.
Eine weitere Sprechergruppe sind die „coloured“ afrikaanssprachigen Studenten. Wichtig ist, dass der Anteil an „coloured“ afrikaanssprachigen Südafrikanern deutlich größer ist, als der an weißen Afrikaanssprachigen.
student Vl: Previously, English students were excluded, now it’s the Afrikaans students. (#00:07:27-5#) I don’t understand the logic behind it. (#00:07:30-3#) The Afrikaans language community is a majority in the Western Cape. (#00:07:32-0# #00:07:40-2#)
I think the language is perceived as white. (#00:07:58-6#) If we are being punished because Afrikaans is seen as a predominantly white language, it will be more detrimental for us. (#00:08:17-0#) That must change – the perception of Afrikaans. (#00:08:21-3#) [2][3]
Diese beiden Zitate von “coloured” afrikaanssprachigen Studenten zeigen klar auf, wo hier die Probleme mit der Forderung Open Stellenboschs Afrikaans abzuschaffen in ihren Augen liegen. Nicht die Sprache Afrikaans ist das Problem, sondern die negative Verknüpfung der Sprache mit der Apartheid, verkörpert durch das Bild des weißen südafrikanischen Nationalisten. Diese beiden wichtigen, unterschiedlichen Gegenstimmen zu Open Stellenbosch zeigen zwei Dinge sehr deutlich: erstens, wie stark die Sprache Afrikaans mit Identität verknüpft ist und zweitens, wie unterschiedlich diese Identitäten sein können.
Neben den negativen Stimmen gibt es aber auch durchaus viele afrikaanssprechende Studenten, die sich für die Forderungen der Open Stellenbosch Bewegung aussprechen.
Die Sprachdebatte an der Universität Stellenbosch wird wahrscheinlich weiter andauern, da durch die Verknüpfung von Sprache und Identität Englisch nur als Übergangslösung angesehen werden kann. Auch Englisch ist durch die ehemalige britische Kolonialherrschaft in Südafrika keine neutrale Sprache. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern die weiteren neun Nationalsprachen Südafrikas eine Rolle spielen sollen. Zwar handelt es sich hier um einen Studentenprotest nur an einer Universität Südafrikas, die Sprachdebatte wirft aber Fragen auf, die in ihrer Problematik auch außerhalb der Universitätswelt eine große Relevanz haben. Ob es überhaupt möglich ist eine Lösung, für die Sprachdebatte an der Universität Stellenbosch, zu finden, die allen recht und gleichzeitig finanzierbar ist wird sich im Laufe der Zeit zeigen.
[1] https://www.facebook.com/openstellenbosch/posts/814612351921277:0 (letzter Aufruf am 02.06.2017 um 16:10)
[2] aus dem Film: Kannemeyer, Mercy: “die ander kant/ the other side“, 01. März 2017, unter: https://www.facebook.com/dieanderkant/videos/392118717813717/ (letzter Aufruf am 28.05.2017 um 16:35 Uhr).
[3] Die Zahlen in den Klammern geben die exakte Zeit der Zitate im Film an
Sehr interessanter Beitrag-Danke!
Ich möchte mich dazu weitergehend informieren.
Kann ich bitte die links gemailt bekommen?
Der Dropbox-link klappt nicht mehr.
Vielen Dank!