Cornelia Wörmann, BA African Studies, Leipzig University
The minerals in the batteries of electric vehicles that enable the reduction of greenhouse gas emissions in the industrialised countries originate for the most part in countries of the Global South where they are extracted under inhumane workingread more
This blogpost explores the conflicted nature of Ethiopian political economy since the change of leadership in 2018, the fall of the Tigray Peoples Liberation Front from power, and the rise of Abiy Ahmed. Wyatt Constantine looks at the country’s second city, Direread more
Endlich, möchte man ausrufen, dringt das Thema Restitution ins mediale Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit: Afrikanische Künstler, Kuratoren, Aktivisten, Wissenschaftler und Kultusminister fordern die ehemaligen Kolonialmächte auf, die in der Kolonialzeit geraubten Gegenstände zurückzugeben. Es sind hunderttausende Objekte, die in den europäischen Tempeln von den Priestern der Kunst und Kultur eifersüchtig gehortet werden. Was alles von Missionaren, Eroberern, Forschern, Sammlern und Abenteurern der europäischen Expansion fast rauschhaft zusammengeraubt und -gerafft, gewinnbringend weiterverkauft oder zerstört worden ist, weiß niemand so genau. Selbst Kurator*innen und Wissenschaftler*innen wissen es nicht. Von über einer Million Objekten sind überhaupt nur etwa ein bis fünf Prozent museal aufgearbeitet, darunter auch die Benin-Bronzen oder die Kraftfiguren aus dem Kongo. Alle andern stauben in irgendwelchen Kisten in den Magazinen deutscher Museen vor sich hin. Und jetzt erheben die Nachfahren der Beraubten Ansprüche und wollen sie zurückhaben. Wie irritierend.
Die deutschen Antworten reichen von Herablassung (denen fällt noch ein, Kunst anzufassen und kaputt zu machen!), Paternalismus (wir heben die Objekte gerne für euch auf!), Besitzstandswahrung (die deutsche Gesetzeslage! Weltkulturerbe! Wir haben noch nicht genug geforscht!), Mut- (wir wissen nicht einmal selbst, was wir haben) und Ratlosigkeit (wie soll das gehen?), Unternehmergeist (Kauft Kunst statt Aktien), bis hin zu Furcht (was, wenn unsere Museen leer sind?), Verantwortungslosigkeit (Macron: gebt dem Volk Kuchen) und Selbsttäuschung (die Objekte geraten in falsche Hände und werden dem öffentlichen Interesse entzogen).
Doch Polemik hilft nicht weiter. Es gibt längst andere und differenzierte Einlassungen. Man kann sich die Frage „Muss das weg?“ umfassend beantworten lassen. Achille Mbembe hat sich bei seiner Rede anlässlich der Verleihung des Gerda-Henkel-Preises 2018 ausführlich und in provozierender Weise zum Thema geäußert. Zweifellos müssen geraubte Objekte zurückgegeben werden. Gleichzeitig fordert er von uns, den Nachfahren der Kolonialmächte, uns unserer historischen Verantwortung zu stellen: „Wir müssen uns fragen, ob wir ihnen ihre Aufgabe zu leicht machen, indem wir auf das Recht auf Erinnerung verzichten. Und wagen wir es, noch weiter zu gehen und das Angebot zur Rückgabe ganz abzulehnen? Dadurch würden die Objekte in den Museen zu einem ewigen Beweis dessen werden, was Europa angerichtet hat, und für was es die Verantwortung nicht übernehmen wollte. Wir würden Europa dazu verdammen, auf ewig mit dem zu leben, was sie geraubt haben – und ihre Kains-Rolle bis zum bitteren Ende weiter zu spielen.“[1] Selbst das Auswärtige Amt, in der Person von Michelle Müntefering, hat sich zu einer überraschend eindeutigen Positionierung hinreißen lassen.
Festzuhalten gilt, dass es in der Sache nicht bloß um Objekte und deren Verbleiben geht, auch nicht bloß um die Deutungshoheit darüber, was diese Objekte seien: gestohlen oder nicht, Kunst oder nicht, Kultur oder nicht. Es geht um die Kolonialzeit und wer die Deutungshoheit über die Erinnerung daran beansprucht.
Ein Stück Erinnerung gab es vor zwei Jahren in der Moritzburg in Halle in einer Ausstellung über „Die Brücke“, dem einflussreichsten Künstlerkollektiv des deutschen Expressionismus. Kirchner und Schmitt-Rotluff hatten eher per Zufall, angetrieben von Unzufriedenheit mit dem Studium und Langeweile, in der Dresdner Ethnologischen Sammlung afrikanische Objekte gefunden. Sie dienten als Inspiration für eine neue Wahrnehmung von Welt und ihrer Umsetzung in künstlerischen Ausdruck. Die Ausstellung in Halle zeigte parallel einige der konkreten Objekte zu den dadurch entstandenen Bildern.
Der Expressionismus im Europa des frühen 20. Jahrhunderts wäre ohne die Rezeption afrikanischer Objekte – Kunst! – nicht möglich gewesen. Picasso und andere wichtige Künstler dieser Zeit sind ohne afrikanische Kunst nicht denkbar. Sowohl der Webauftritt des heutigen Museums „Die Brücke“ in Berlin, als auch Wikipedia, oder z.B. der gedruckte Brockhaus, alle unterschlagen diese Zusammenhänge. Eine Tradition, mit der der Begleitkatalog zur Ausstellung in Halle bricht.[2] Webauftritte und Nachschlagewerke sind symptomatisch für die öffentliche Meinung. Dennoch können wir nicht vorgeben, diese Objekte hätten nichts mit uns zu tun. Im Gegenteil, es handelt sich um unser gemeinsames Kulturerbe und als solches haben wir es zu behandeln. Ein Teil dieses kulturellen Erbes ist auch unser deutsches oder europäisches Erbe geworden. „Wir hier“ und „ihr da“ geht nicht auf.
Ein gemeinsames Kulturerbe bedeutet, sich in die Auseinandersetzung zu begeben. Sie kann weder konfliktfrei noch befriedigend ausfallen. Wir könnten aushandeln, einen Teil der geraubten Kulturgüter zu behalten. Uns der Erinnerung zu stellen. Den Objekten in unseren Museen erlauben, ihre Arbeit zu tun[3]: Rechenschaft abzulegen darüber, woher und unter welchen Umständen sie zu uns gekommen sind, was dies damals ebenso wie heute für die Herkunfts- und Empfangsgesellschaften bedeutet. Darüber, wie unteilbar unsere gemeinsame Geschichte ist. Dies gilt es auszuhalten.
Darum geht es im Kern: Afrika (was und wer das immer sei) beansprucht seinen Platz in der Geschichte Europas. Mehr noch. Angesichts der kolossalen Herausforderungen, vor der unsere von Zerstörung bedrohte Welt steht, beansprucht Afrika seinen Platz in der Weltgeschichte. Angesichts der offensichtlichen Unfähigkeit des Westens, konstruktiv zu diesen Herausforderungen beizutragen, ja angesichts der Tatsache, dass der Westen zur Lage, in der wir uns befinden, maßgeblich beigetragen hat, ist es dringend Zeit, Platz zu machen.
[2] Gerlinger, Hermann, Christian Philpsen & Thomas Bauer-Friedrich (Hrsg.), Inspiration des Fremden. Die Brücke-Maler und die außereuropäische Kunst, Almanach der Brücke 4. Dresden: Sandstein, 2016.
[3] Ich greife damit eine Passage aus Achille Mbembes Rede auf, in der er fragt, was denn die Arbeit der Objekte in unseren Museen sei und ob diese bereits getan sei, so dass die Objekte zurückgegeben werden könnten.
The issue of mother tongue education has been fiercely but sporadically debated in South Africa since 1994. In the past two and a half years, student protests at universities across the country have breathed new life into the discussions.
Proponents of mother tongue education tend to argue that children should be taught in the language they first learned and spoke at home. Those who oppose this approach argue that English is a ‘global language’ and should be the main language of instruction throughout the school system and into higher education spaces.
But in a country steeped in colonialism and apartheid, it’s not far-fetched to suspect that the common understanding of the idea of “mother tongues” is coloured by outside influences.
A mother tongue is taken to be a language that has a name: Xhosa, Tswana or Sotho, for instance. It refers to the standard version of that language, transcribed in most cases by 19th century European missionaries based on how they understood and conceptualised the way people spoke in the immediate vicinity of the rural mission station.
But what they were transcribing were actually regional dialects, not pure versions of pristine languages tied to an authentic and timeless cultural identity. Decades of schooling practices institutionalised and continuously reinforced the missionaries’ notions.
Here’s the problem: those supposedly “pure” languages often bear only a loose family resemblance to the way that modern people in both rural and urban areas actually speak. But, as my own previous and ongoing research shows, it’s important to challenge the common assumption that “mother-tongue education” is necessarily helpful and empowering for African language speakers if it’s based on an unquestioned, popular idea of what a “mother tongue” is.
Mismatches
I’m currently lecturing Xhosa grammar at the University of Cape Town, mostly to second language speakers but also to some who speak it as a home language. Xhosa is the country’s second biggest indigenous African language.
In class I am often confronted with mismatches between what the grammar books say and how people express themselves in speech. So I often ask my Xhosa speaking students about their preferred way of saying something in their “mother tongue”. The students frequently start their response with an apology like: “Well, I can say it – but I know that’s not the proper Xhosa.”
This embarrassment seems to partly come from a perceived mismatch between identifying as a Xhosa person but feeling as if not fully commanding one’s own “mother tongue”. This is reflected in other statements such as: “Even we Xhosas don’t know how to speak Xhosa properly”, variations of which I frequently hear from students and also from my Xhosa speaking friends.
Their statements echo findings I made while researching first my Master’s and then my PhD. My work focused on language related issues at a primary school in Khayelitsha, which is the biggest of the poverty-stricken, largely informal settlements at the outskirts of Cape Town. Residents there mainly speak Xhosa.
At the school three years of “mother-tongue education” precede the switch to English as medium of instruction in grade 4, when most children are around 9 or 10 years old.
A grade 3 teacher told me that she had to teach her pupils Xhosa numbers before she can teach them maths. These are children whose “mother tongue” is Xhosa. She said:
They know these words in English sometimes. If you say inye (Xhosa for 1), they can say one, because that is the language at home. They don’t say inye at home, they say one.
She also often had to teach children to say, for example, imifuno (vegetables – standard Xhosa) instead of ‘iveg’, which is adapted from the English word “vegetable” and is widely used in contemporary Xhosa.
Such examples show that childrens’ actual mother tongues are often translingual. That is, they’re made up of linguistic resources that, according to dominant Western conventions, would be said to belong to different languages.
So does this mean there’s something wrong with these children’s mother tongue? No, I don’t think so. Perhaps, instead, there are some problems with our own notions of “mother tongue”.
Mother tongue or missionary tongue?
The frame of reference for European missionaries and colonisers when transcribing African language practices was an idea of languages existing as autonomous structures, each spoken by a distinct group of people.
Versatile and flexible African listeners and speakers communicating efficiently without necessarily agreeing on one distinct, correct way of speaking did not fit this 19th century European frame of reference.
But to translate Bibles and develop grammars for their “educational” and Christian agenda, missionaries had to make African ways of speaking fit European ideas of language and grammaticality. Their Western concept of language forced them to be selective, to choose some ways of speaking for standardisation and writing purposes and to ignore others.
The result is that most of today’s “African languages” and so-called mother tongues are not defined by the way African mothers speak but by how white Europeans wrote them into being decades ago.
The good news is that some shifts are happening in how African languages are discussed and understood.
Moving forward
Ideas like translanguaging are increasingly helping scholars to rethink their assumptions about language. Slowly, the potential of such concepts for South African education is starting to enter debates outside academia. Translingual approaches to teaching and learning are even being tested in some spaces.
Mother tongues must be re-thought and become rooted in actual language use. This process will make South Africans question established ideas of what “a language” is or what it has to be. That’s a good thing: such progressive thinking is needed to better understand “mother tongues”.
Beitrag aus dem Modul zu afrikawissenschaftlichen Methoden (4. Semester, BA Afrikastudien, Sommersemester 2017) zum Thema Studierendenproteste.
Moritz Amann & Chiara Magnano
In unserer Forschungsarbeit zu Studierendenprotesten sind wir auf die Proteste im Niger, der Elfenbeinküste und in Kamerun in den 1990er Jahren aufmerksam geworden. Wir stellten fest, dass in der Analyse die Ursachen der Proteste häufig in einen Zusammenhang mit den Strukturanpassungsprogrammen (SAPs) gebracht werden. Von dieser Beobachtung ausgehend interessierte uns die Wirkung der SAPs auf die Studierendenproteste über die Ländergrenzen der drei westafrikanischen Staaten hinweg.
Die Strukturanpassungsprogramme (SAPs) wurden ab 1980 vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe (Weltbank) mehr oder weniger in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern des Globalen Südens durch- und umgesetzt. Sie beinhalteten verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen, die unter anderem darauf abzielten, die Staatsausgaben zu konsolidieren und die Exportwirtschaft zu stärken. Sie wurden zur Bedingung für die Vergabe von Krediten und den Erlass von Schulden der teilnehmenden Staaten.
Die Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme lassen sich nicht auf die von uns betrachteten Bildungssektoren der Ländern Niger, Kamerun und der Elfenbeinküste beschränken. Für die Studierendenproteste zeigten sich die direkten Kürzungen der finanziellen Mittel im Bildungssektor allerdings als besonders relevant. Sowohl die universitäre Infrastruktur als auch die Lehr- und Lernqualität litten unmittelbar unter den Kürzungen. Eine zusätzliche Belastung wurde durch den starken Anstieg der Studierendenzahlen während der 1980er Jahre bedingt. Beispielsweise war in den 1990iger Jahren die Kapazität der Universität von Niamey im Niger für nur 700 Studenten ausgelegt, während etwa vier Mal so viele Studierende eingeschrieben waren.
Auch die in den SAPs angelegte massive Verkleinerung der staatlichen Verwaltungsapparate wirkte sich auf die universitäre Landschaft und die Studienbedingungen aus. In der Folge fielen zahlreiche Arbeitsplätze weg; Stellen in denen ein Großteil der Studierenden nach ihrem Abschluss Arbeit fand. Für vorhergehende Generationen bot ein abgeschlossenes Studium die Sicherheit auf eine solide Beschäftigungsmöglichkeit im öffentlichen Sektor und somit auf sozialen Aufstieg. Letzteres war aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme in den untersuchten Ländern und dem damit einhergehenden Mangel an Arbeitsplätzen im privaten Sektor besonders relevant.
Auch der Widerstand gegen die SAPs im Allgemeinen und die damit verknüpften Ideologien vereinten die Protestierenden. Einerseits wurde der IWF und die Weltbank als westliche neokoloniale Institutionen grundsätzlich abgelehnt. Die Umsetzung der SAPs wurden als Einmischung in die nationale Politik afrikanischer Staaten verstanden und entsprechend kritisiert. Andererseits wurde die mit den SAPs einhergehende Fokussierung der Bildungspolitik auf wirtschaftliche Belange und damit die Abwertung der Universität gegenüber anderen Bildungsinstitutionen und Ausbildungsformen in Frage gestellt. Die Kritik ging weit über die Folgen der SAPs für die Universität hinaus und richtete sich gegen eine neoliberal ausgerichtete Marktwirtschaft im Allgemeinen, vor allem dort, wo politisch linke Ideologien verbreitet waren.
Es ist schwierig zu beurteilen, wie entscheidend die Strukturanpassungsprogramme und ihre Umsetzung für die Entstehung und die Entwicklungen der Protestbewegungen waren. Die von uns herangezogenen Quellen weisen vor allem im Niger, vereinzelt in Kamerun und an der Elfenbeinküste darauf hin, dass die Proteste ohne die Umsetzung der SAPs in dieser Form nicht stattgefunden hätten. Spannend sind diese Erkenntnisse vor allem in Anbetracht der starken gesellschaftlichen Veränderungen, die die drei untersuchten Proteste direkt oder indirekt nach sich zogen. Sowohl im Niger als auch in der Elfenbeinküste lösten die Bewegungen einen Regimewechsel und die Einführung eines Mehrparteiensystems aus. Es lässt sich durchaus argumentieren, dass diese höchst undemokratisch (nämlich von den westlich dominierten Finanzinstitutionen) durchgesetzten Politiken von Bedeutung für die Demokratisierungsprozesse der Länder waren. Die nationalen Demokratisierungsprozesse reihen sich in die kontinentale und globale „Demokratisierungswelle“ der 1990iger Jahre ein. Es wäre daher wichtig zu untersuchen, inwiefern die Strukturanpassungsprogramme erstens auf nicht-universitäre Protestbewegungen der 1990iger Jahre und als Folge auch auf die Demokratisierungsprozesse der jeweiligen Länder gewirkt haben.
Quellen:
Awagana, Ari. 2017. Gespräch mit Chiara Magnano und Moritz Amann. Leipzig, 24.05.2017, 15.00 Uhr.
Daddieh, Cyril Kofie. 1996. „Universities and political protest in Africa: The case of Côte d’Ivoire“Issue: A Journal of Opinion, 24/1, pp. 57-60.
Federici, Silvia (ed). 2000. A thousand flowers: social struggles against structural adjustment in African universities. Trenton, N.J.: Africa World.
Konings, Piet. 2011. The Politics of Neoliberal Reforms in Africa: State and civil society in Cameroon. Bamenda: Langaa RPCIG.
Beitrag aus dem Modul zu afrikawissenschaftlichen Methoden (4. Semester, BA Afrikastudien, Sommersemester 2017) zum Thema Studierendenproteste.
Anna Eich, Katharina Nold, Johann Gerlach, Lea Fiedler
So schreiben es tansanische Demonstrant*innen auf ihre Plakate und benennen damit ein Problem, gegen das seit 13 Jahren ausdauernd, aber wenig erfolgreich protestiert wird: die staatlichen Studienkredite, sogenannte Loans, sind zu niedrig angesetzt und werden oftmals zu spät ausgezahlt.
Die Unzufriedenheit darüber ist die treibende Kraft hinter den Protesten. In einer wissenschaftlichen Studie von Nyahende aus dem Jahr 2015 über die aktuellen Ausgaben wird festgestellt, dass der Betrag der Loans zum Leben nicht ausreicht. Der reale Tagessatz zur Unkostendeckung liege bei 10.000 TSH (ca. 5 Euro), die Höhe der Loans betrage nur 8.000 TSH. (vgl. Nyahende 2015: S. 61). Die große Differenz zwischen den offiziellen Regelungen und der Realität der Studierenden nahm im Februar diesen Jahres auch die Bildungsministerin wahr und äußerte sich darüber hinaus wie folgt: „Loans to students have always been delayed without any justification to the extent that learners have created an impression that they cannot receive the cash they are entitled to unless they stage a protest march to the ministry“ (Mwalimu 2016: S. 1). Es wurden Unregelmäßigkeiten in der Vergabe der Loans festgestellt, verspätete Auszahlungen, falsche Adressierungen und Listen mit nicht existierenden Student*innen. Die Ministerin suspendierte daraufhin mehrere Mitarbeiter*innen, denen Unterschlagung von Geldern vorgeworfen wurde.
Die ersten uns bekannten Proteste fanden 2004 im Zusammenhangmit der Gründung des Loanboardes (zuständiges Gremium für die Verteilung der staatlichen Studienfinanzierung) statt. Analysen einiger Jura-Student*innen der Universität von Dar Es Salaam zufolge, wurde befürchtet, die Gründung des Loanboardes bedeute keine Verbesserung für die Verwaltung und Auszahlung der Loans. Bald wurden die ersten kritischen Plakate aufgehängt, zu Treffen eingeladen und Gruppen fingen an sich zu organisieren.
Um die entstandenen Proteste zu erforschen, führten wir mehrere qualitative Interviews mit Student*innen verschiedener Generationen der Universität von Dar Es Salaam. Dabei erfuhren wir, dass die Loans immer Gegenstand der sich wiederholenden Proteste waren. Die Demonstrant*innen blieben der Universität fern, dies aber nie länger als zwei aufeinanderfolgende Tage. Das war der Versuch eine Regelung zu umgehen, die eine Schließung der Universität bei einem Fernbleiben von mehr als drei Tagen vorsieht. Obwohl sich die Demonstrant*innen an dieses Gesetz hielten, schloss die Universitätsleitung die Institution. Im Zuge dessen wurden Demonstrant*innen kurzzeitig verhaftet und einige führende Organisator*innen sogar für immer für Hochschulbildung gesperrt. Vielleicht wurde dadurch versucht die kritischen Stimmen schnellstmöglich zum Schweigen zu bringen, denn obgleich eine studentische Vertretung fürAngelegenheiten rund um die Loans gegründet wurde, wurden die Forderungen nicht erfüllt. Bis heute wird protestiert. Ob es also ein Schritt auf die Demonstrant*innen zu oder doch ein gespieltes Zugeständnis war, ließ sich im kleinen Rahmen unserer Forschung nicht zweifelsfrei ermitteln. Wir können nur vermuten und uns die alte Frage stellen: „Wem zum Vorteil?“, eine Kausalität jedoch ohne eine weiterführende Forschung nicht herstellen.
Im Vergleich der Proteste von 2004 und heute haben soziale Medien entscheidend an Gewicht gewonnen. So berichtete uns ein Teilnehmer der ersten Proteste 2004, dass damals der Austausch zwischen den verschiedenen Fraktionen der Student*innen über Zeitungsartikel ablief. Die Kommunikation war noch weitaus komplizierter und zeitaufwendiger. Heute nutzen ein Großteil der Student*innen Plattformen wie Facebook und Twitter. Haben sich neue Diskussionsforen ergeben, aus denen spannende Erkenntnisse über die Proteste gewonnen werden könnten?
Trotz Anerkennung der Missstände und vielseitigem Zuspruch der Proteste, ließen Ergebnisse lange auf sich warten. Auch das Zugeständnis der Ministerin versichert noch lange nicht die dringend benötigte und konsequent eingeforderte Verbesserung des Systems. Den Betroffenen, die ihre eigene Situation wohl am besten einzuschätzen wissen, wird so wenig Gehör geschenkt, dass wir uns fragen: „Wessen Bedürfnisse muss Bildung gerecht werden und wessen Bedürfnisse werden zurzeit erfüllt?“ Diese Frage kann man sich überall stellen, auch in Deutschland. In Anbetracht des Einflusses der Wirtschaft auf das Bildungssystem (zum Beispiel durch Drittmittelförderung in der Forschung und Deutschlandstipendium) scheint das Ziel, emanzipierte Individuen hervorzubringen, immer weiter in den Hintergrund zu rücken. In Bezug auf staatliche Förderungen sieht man in Deutschland wie auch in Tansania, dass bevorzugt als wirtschaftlich wertvoll angesehene Studiengänge Mittel erhalten. Vielleicht sollten wir uns also wie Mbembe fragen, ob die Verwirklichung folgenden Ideals im bestehenden System möglich, beziehungsweise überhaupt gewollt ist: „the aim of higher education is to encourage students to develop their own intellectual and moral lifes as independent individuals […] the capacity to make disciplined inquiries into those things we need to know, but do not know yet“ (vgl. Mbembe 2016 : S. 30).
Quellen:
Higher Education Students’Loan Board. 2015/2016. „Guidelines and criteria for issuance of students‘ loans and grants for the 2015/2016 academic year“. Online: https://www.heslb.go.tz/index.php/publications/guidelines (02.06.2017).
Mbembe,Achille Joseph. 2016. „ Decolonizing the university: New directions “Arts & Humanities in Higher Education, Vol. 15/1, S. 29–45.
Mwalimu, Saumu. 2016. „Billions stolen from Student’s loans board“, The Citizen. Online: http://www.thecitizen.co.tz/News/Billions-stolen-from-students–loans-board/1840340-3080654-vp6qua/index.html (25.05.2017).
Nyahende, Veronica R.; Bangu,Asangye N. und Benedicto C. Chakaza. 2015. „Survey on theAssessment of the Current Actual Expenses Incurred by Students on the Meals andAccommodation within and around the Campuses: The Case of Tanzania Higher Education Students‘ Loans Beneficiaries“, Higher Education Studies, 5/4, S. 56-85.
Tanzania Today. Online: http://www.tanzaniatoday.co.tz/news/wanafunzi-udom-duce-wagoma-madai-ni-kama
Beitrag aus dem Modul zu afrikawissenschaftlichen Methoden (4. Semester, BA Afrikastudien, Sommersemester 2017) zum Thema Studierendenproteste.
Lena Kuske, Jana Uhlendahl, Franziska Pemsel
Im März 2015 formte sich an der Universität Kapstadt die Bewegung #RhodesMustFall. In ihrem Leitbild bezeichnet sich #RhodesMustFall (#RMF) als ein unabhängiges Kollektiv aus StudentInnen und MitarbeiterInnen der Universität Kapstadt. Ihre Forderung: Die auf dem Campus befindliche Statue von Cecil John Rhodes muss weg!
Cecil Rhodes war einer der bedeutendsten Akteure der britischen Kolonialmacht und Befürworter des Apartheid-Gedankens. Er hatte der Universität einen Teil des Landes übertragen, auf dem später die Universität ihren Platz fand. Deshalb wurde ihm zu Ehren eine Statue auf dem Campus errichtet. Bis heute, mehr als 20 Jahre nach dem offiziellen Ende des Apartheid-Regimes, zeichnen Straßennamen und Monumente eine einseitige Sicht der Geschichte Südafrikas und bestärken die fortbestehende koloniale Narrative im öffentlichen Raum. Die Statue von Ceciles Rhodes steht stellvertretend für dieses Gedächtnis.
Schon zu Beginn der ersten Protestaktionen des #RMF wurde deutlich, dass es nicht nur um die bloße physische Entfernung der Rhodes Statue ging. Somit beendet der Abriss der Statue im April 2015 nicht die Bewegung, sondern steht für die Forderung nach einer längst überfälligen Transformation des südafrikanischen Post-Apartheid-Systems. Die bisherige Aufarbeitung der Geschichte der Nation war in den Augen von #RMF unzureichend. Dies wird in den unterschiedlichen Interpretationen der Erinnerungen des gespaltenen Südafrikas sichtbar. Cecil John Rhodes gilt in den Augen der BefürworterInnen der Statue als Gönner und Investor in die universitäre Bildungslandschaft der Region. Die #RMF hingegen sieht Cecil Rhodes, und so auch sein Abbild, als Verkörperung der Entmachtung der schwarzen[1] Bevölkerung. Die Statue zelebriere und halte die schmerzlichen Erinnerung aufrecht.
Die Regenbogennation ist aus Sicht von #RMF gescheitert. Soziale und ökonomische Ungleichheiten sind aktuelle und alltägliche Realität. Die südafrikanischen Studierenden sind desillusioniert. Die Hoffnung auf Chancengleichheit einer Post-Apartheid-Demokratie wandelt sich zu Unzufriedenheit und Enttäuschung. Sie gipfelt im Protest. Die fortbestehende Ungleichheit als „strukturell eingebettete Norm“ (Chaudhuri 2016, 2) herrsche auch an der Universität in Form von institutionellem Rassismus. Anzeichen dafür sind die geringe Anzahl der schwarzen MitarbeiterInnen und Studierenden, denen der Zugang zur Universität erschwert bleibt. Zudem orientierten sich die Wissensbestände und -produktion an eurozentrischen Idealen. Aus Sicht vieler schwarzer Studierender an der Universität Kapstadt sind die gelehrten Inhalte für sie weitestgehend irrelevant und vermitteln ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit der eigenen Traditionen, Geschichte und Wissensbestände.
#RhodesMustFall hat sich gegründet, um den institutionellen Rassismus an der Universität zu beenden. Die Transformation der Erinnerungskultur, die Reformation der Bildungslandschaft und die Überwindung struktureller Ungleichheit vereinen sich in der Forderung nach einer Dekolonialisierung der Universität. Diese bezieht sich nicht nur auf das Bildungssystem, sondern weitet sich auf alle Bereiche des Post-Apartheid Südafrikas aus.
Die Relevanz der Statue selbst darf dennoch nicht in den Hintergrund treten. Als „perfekte Verkörperung“ (vgl. RMF, 2016:6) all dessen, was in den Augen der südafrikanischen Studierenden in Südafrika seit 1994 falsch läuft, gab der Hashtag RhodesMustFall! der Bewegung ihren Namen.
#RhodesMustFall ihrer Forderung nach Dekolonisierung der Universität hat uns, als Studentinnen des Instituts für Afrikastudien besonders interessiert, weil sie uns zur Selbstreflexion anregt. In der Annäherung an die Thematik haben wir viel über unsere eigene Rolle und Position diskutiert. Es tauchten Fragen auf wie: Können wir, als weiße deutsche Studentinnen, die Forderungen der Bewegung in ihrer Komplexität und Tiefe überhaupt erfassen? Dürfen wir uns mit der Bewegung als Forschungsobjekt beschäftigen? Nicht alle Fragen konnten wir für uns beantworten. Doch die Auseinandersetzung mit der Protestbewegung hat uns deutlich gemacht, dass auch wir Teil der Prozesse sind. Auch unsere Wissensbestände sind kolonialisiert und besetzt- auch unsere Wissensproduktion folgt einer Wahrheit und Geschichte. Es gilt unsere eigene Perspektive zu reflektieren und ein Bewusstsein für verschiedene Wahrheiten und Arten von Wissen zu schaffen. In diesem Kontext stellte sich die Frage inwieweit sich #RhodesMustFalls Forderung nach Dekolonialisierung auch auf die von Ngũgĩ wa Thiong’o proklamierte „Dekolonialisierung des Bewusstseins“ übertragen lässt. Und in welchem Maße sind wir, drei Studentinnen des Instituts für Afrikastudien, Teil der Debatte, wenn es um die Transformation des Bewusstseins geht? Wie tief muss Rhodes bei uns noch fallen?
[1] Rhodes Must Fall definiert die Beschreibung ’schwarz‘ als alle Personen einschließend, welche sich aufgrund ethnischer Zuschreibung Rassismus ausgesetzt fühlen. Für diese Personengruppen wird auch der Begriff People of Colour (PoC) verwendet. Die Autorinnen haben diese Begriffsdefinition und – verwendung so von #RMF übernommen.
Mbembe, Achille Joseph (2016): Decolonizing the Decolonizing the university: New directions. In: Arts & Humanities in Higher Education, S. 29–45.
Rhodes Must Fall (2015): UCT Rhodes Must Fall Mission Statement. In: The Johannesburg Workshop in Theory and Criticism (9), S. 6–8. <http://www.jwtc.org.za/the_salon/volume_9/rmf_statements.htm>, zuletzt geprüft am 13.06.2017.
Wa Thiong’o, Ngũgĩ (1998): Decolonising the Mind. In: Diogenes, 46/184, S.101-104.
contribution à l’unité d’enseignement Méthodes scientifiques d’Études Africaines (4ème semestre, BA Études Africaines, semestre d’été 2017) sur le sujet de manifestations étudiantes.
Verena Blaimer, Isabelle Bertram, Lisa Erlmann
Ari Awagana, Mohamed Ben Omar et Sita Diabiri : trois hommes du Niger qui sont unifiés par leurs implications dans des protestations estudiantines à Niamey, la capitale du Niger. Les premiers ont contesté en 1990 et l’autre en 2017. Ils identifient les individus nombreux qui participent à des protestations. Quel est le lien entre les personnes comme Ari Awagana, Mohamed Ben Omar et Sita Diabiri qui descendent dans la rue pour protester ?
Ari Awagana et Mohamed Ben Omar, tous les deux étudiants de l’Université de Niamey à ce temps, ont participé aux protestations estudiantines le 9 février 1990 à Niamey. Des ajustements structurels par le Fonds monétaire international risquaient d’encore aggraver les conditions de vie et d’étude dont les étudiants étaient déjà mécontents. En plus, il y avait un système autoritaire qui ne permettait pas le multipartisme ou des réformes pour une démocratisation. Les étudiants ont organisé des débats pour élaborer des demandes concrètes qui étaient, pourtant, ignorées par le gouvernement sous le président Ali Saibou. Pour se faire entendre du gouvernement, les étudiants comme Ari Awagana et Mohamed Ben Omar sont descendus dans la rue le 9 février 1990. La route prévue de la marche de protestation commençait à l’université à l’ouest du fleuve Niger et était dirigée vers le centre- ville à l’est du fleuve. En 1990, un seul pont reliait les deux rives. Il était prévisible que la police essayerait d’empêcher les manifestants d’accéder le centre-ville. Ainsi la confrontation entre les étudiants et la police s’est passée sur le pont. La police a utilisé de la violence contre les manifestants et a ouvert le feu. Trois des étudiants sont morts, plusieurs ont été blessés, entre eux Ari Awagana. Son pied gauche a été touché par une balle.
Rétrospectivement, les évènements du 9 février 1990 ont déclenché une transformation du système politique au Niger. À cause des manifestations persistantes, le gouvernement se trouvait contraint à convoquer une assemblée nationale dans l’année suivante. Beaucoup de sièges y étaient pour les étudiants. On a instauré le multipartisme et inauguré un nouveau président. Mohamed Ben Omar est devenu homme politique, puis ministre de l’Enseignement Supérieur. Ari Awagana a quitté le Niger et travaille aujourd’hui comme professeur dans l‘université.
Sita Diabiri, qui est actuellement étudiant à l’Université de Niamey, a participé à une manifestation le 9 février 2017. Il est aussi secrétaire général de l’organisation estudiantine UENUN qui était l‘un des organisateurs des manifestations en 1990. En 2017, comme dans les années précédentes, les étudiants ont choisi l’anniversaire des manifestations de 1990 pour descendre dans la rue. Au cours des années, cette journée s’est établie pour des marches de protestation. Le mémoire de ce temps-là y est lié à des exigences actuelles concernant les conditions de vie et d’études, le paiement ponctuel des bourses par l’état et la démocratisation.
Il y a des affrontements violents entre les manifestants et la police pendant les manifestations encore et toujours. En plus des trois morts de 1990, qui sont commémorés comme des martyres, il y a eu au moins deux autres morts pendant les manifestations. Mohamed Ben Omar, qui est une fois descendu dans la rue lui-même, a fait employer la manière forte contre les manifestations dans sa qualité de ministre de l’Enseignement Supérieur. Quand même, les manifestations n’étaient pas finies, alors le président du Niger a destitué Mohamed Ben Omar de sa fonction comme ministre de l’Enseignement Supérieur et l’a nommé à ministre de Travail.
Même si il y a 27 ans entre la manifestation d’Ari Awagana et Mohamed Ben Omar et celle de Sita Diabiri, elles ont beaucoup de choses en commun. Ce sont des demandes similaires qui font les étudiants descendre dans la rue encore et toujours depuis 1990. Le mémoire des manifestations précédentes par les manifestations actuelles crée une communauté de destin transgénérationelle. Cette communauté est constituée par des individus comme Ari Awagana, Mohamed Ben Omar et Sita Diabiri qui ont des rêves et des visions pour un avenir plus démocratique avec des conditions de vie et d’étude améliorées. Quelques-uns des manifestants ont perdu la vie pour leurs visions. D’autres, comme Ari Awagana, auront toujours des cicatrices du corps et des souvenirs dans la tête. Quelques personnes, comme Mohamed Ben Omar, font poser la question où en sont les rêves et les visions d’alors. D’autres, comme Sita Diabiri, sont encore au milieu de la lutte pour leurs convictions et ne connaissent pas encore les effets de leurs protestations ou les conséquences pour leur propre vie.
Des recherches approfondis pourraient explorer les raisons pour lesquelles ce sont précisément les étudiants qui descendent dans la rue pour la démocratie. En plus, on pourrait demander à d’autres manifestants anciens sur les conséquences de leur participation aux manifestations pour leurs biographies pour éventuellement discerner des structures communs.
Sources:
Awagana, Elhadji Ari. 2017. Réponse par écrit (témoin de l‘époque).
Bulitta, Erich et Hildegard. 2017. Von der Erinnerung zu einer Erinnerungs- und Gedenkkultur – Analyse, Schritte zu einer Erinnerungs- und Gedenkkultur – Band II. Berlin: epubli.
Diabiri, Sita. 2017. Réponse par écrit (secrétaire général de l’organisation estudiantine « Union des Étudiants Nigeriens à l’Université de Niamey »).
Habibou, Assoumane. 2011. „Il y aura t-il vraiment une justice pour le 9 février?”, mondoblog. Online: http://ader.mondoblog.org/2011/02/09/il-y-aura-t-il-vraiment-une-justice-pour-le-9-fevrier/ (09.06.17).
Habibou, Assoumane. 2015. „Niger: Commémoration sans fin et sans résultat du 9 février”, Mondoblog. Online: http://tajane.mondoblog.org/2015/02/10/niger-commemoration-sans-fin-et-sans-resultat-du-9-fevrier/ (09.06.17).
Idikaou, Ibrahim Abdou. 2014. „Commémoration de la journée des martyrs “ Jeunesse du Niger. Online: http://jeunesseduniger.blogspot.de/2014/02/commemoration-de-la-journee-des-martyrs.html (08.06.17).
Idrissa, Abdourahmane et Samuel Decalo.2012. 4. Aufl. Plymouth: Scarecrow Press. Internationales Afrikaforum. 2004. Heft 2, S. 121-122. Online: https://www.wiso-net.de/document/IAC__200404121 (08.06.17).
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Jarausch, Konrad H. und Martin Sabrow (Hg.). 2002. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt. Frankfurt / New York: Campus Verlag.
Kado, Issoufou Boubacar. 2015. „ Les étudiants étaient le fer de lance de la lutte pour l’instauration de la démocratie au Niger“, Tamtaminfo. Online: http://www.tamtaminfo.com/les-etudiants-etaient-le-fer-de-lance-de-la-lutte-pour-linstauration-de-la-democratie-au-niger/ (09.06.17).
Kölsch, Julia. 2000. Politik und Gedächtnis. Zur Soziologie funktionaler Kultivierung von Erinnerung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
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Sawahel, Wagdy. 2017. „University shuts down amid violent student protest”, University World News. Online: http://www.universityworldnews.com/article.php?story=20170413070911654 (08.06.17).
Dieser Blogeintrag beschäftigt sich mit der Problematik der Sprachpolitik an der Universität Stellenbosch in Südafrika. Im Speziellen geht es um die Reaktionen der afrikaanssprachigen Studierenden auf die Studtentenbewegung Open Stellenbosch. Sie hat erwirkt, dass Englisch zur Hauptunterrichtssprache der Universität gemacht wurde. Diese Sprachdebatte ist für Studenten in Ländern, in denen es nur eine Nationalsprache gibt, relativ schwierig nachzuvollziehen. Südafrika steht also mit elf Nationalsprachen, die alle Träger unterschiedlicher Identitäten sind bzw. sein können, vor einer in Deutschland unbekannten Problematik. Sprache und Identität können in diesem Diskurs nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Demnach sind einige der Reaktionen des afrikaanssprachigen Teil der Studenten auf die Open Stellenbosch Bewegung nicht nur durchsetzt von der Angst ihre Sprache, sondern auch ihre Kultur im universitären Kontext aufgeben zu müssen.
Open Stellenbosch ist ein Studentenprotest, der sich im April 2015 entwickelte. Der Bewegung ging eine jahrelange Debatte über die Sprachpolitik an der Universität Stellenbosch voraus. Mittelpunkt dieser Diskussion ist die Unterrichtssprache Afrikaans, eine von elf Nationalsprachen Südafrikas. Von vielen Studenten wird Afrikaans immer noch als Sprache der Apartheid angesehen, welche andere ethnische Gruppen an der Universität Stellenbosch ausgrenzt. Befeuert von weiteren Studentenprotesten in Südafrika 2015 wie zum Beispiel die international bekannte #Rhodesmustfall-Bewegung an der Universität Kapstadt formierte sich die Studentenbewegung Open Stellenbosch. Die Gruppe bestehend aus mehrheitlich Schwarzen Studenten protestierte dafür, dass kein Student dieser Universität mehr gezwungen werden sollte Afrikaans zu lernen. Damit einhergehend, so Open Stellenbosch, müsse die Universität Stellenbosch zu einem Ort der Vielfalt werden. In diesem Jahr wurde nun eine neue Sprachpolitik an der Universität implementiert, die Englisch und Afrikaans als gleichgestellte Unterrichtssprachen vorsieht. Es scheint jedoch, dass Englisch Afrikaans ganz als Hauptunterrichtssprache abgelöst hat und Afrikaans nur noch in sehr kleinem Ausmaß verwendet werde, so viele Studenten der Universität.
Vor diesem Hintergrund galt nun unser Interesse den Auswirkungen dieses Protests auf afrikaanssprachige Studenten an der Universität Stellenbosch. Unsere Ergebnisse haben wir maßgeblich aus Blogs, sozialen Netzwerken und Filmmaterial zusammengetragen und schnell wurde uns klar, wie vielschichtig und komplex die Problematik ist. Zunächst haben wir, wie es auf der Hand liegen möchte, die verschiedenen Kommentare in Pro-, Neutral- und Contra-Argumente für bzw. gegen die Forderung Open Stellenboschs unterteilt, um dann in den jeweiligen Kategorien inhaltliche Subkategorien zu entwickeln.
Anhand von zwei Positionen, die sich gegen die Abschaffung von Afrikaans als Unterrichtssprache richten, wird ein tiefergehender Einblick in die Problematik dieser Sprachdebatte aufgezeigt. Eine dieser Positionen, ist die der afrikaanssprachigen Nationalisten, die wohl lauteste und aggressivste Gruppe in diesem Diskurs.
Pricks like you have been trying for years to make Stellies exclusively english and we’re still here. So gaan huil by jou mamma kind (übersetzt: „Geh heulen bei deiner Mama Kind“). [1]
Ein Statement wie dieses gehört noch zu den harmloseren Posts. Kern ihrer Argumentation ist, dass mit dem Abschaffen von Afrikaans die „großartigen Errungenschaften“ der weißen afrikaanssprachigen Gesellschaft der letzten Jahrzehnte aufgegeben werden bzw. verloren gehen. Ohne sie würde es überhaupt keine solche Universität geben, geschweige denn diesen Grad an Bildung; solche und ähnliche Kommentare sind hier zu lesen. Meist klingt in den Kommentaren subtil oder aber auch sehr offen die Annahme einer Vormachtstellung bzw. einer fortbestehenden Überlegenheit der weißen afrikaanssprachigen Bevölkerung mit.
Eine weitere Sprechergruppe sind die „coloured“ afrikaanssprachigen Studenten. Wichtig ist, dass der Anteil an „coloured“ afrikaanssprachigen Südafrikanern deutlich größer ist, als der an weißen Afrikaanssprachigen.
student Vl: Previously, English students were excluded, now it’s the Afrikaans students. (#00:07:27-5#) I don’t understand the logic behind it. (#00:07:30-3#) The Afrikaans language community is a majority in the Western Cape. (#00:07:32-0# #00:07:40-2#)
I think the language is perceived as white. (#00:07:58-6#) If we are being punished because Afrikaans is seen as a predominantly white language, it will be more detrimental for us. (#00:08:17-0#) That must change – the perception of Afrikaans. (#00:08:21-3#) [2][3]
Diese beiden Zitate von “coloured” afrikaanssprachigen Studenten zeigen klar auf, wo hier die Probleme mit der Forderung Open Stellenboschs Afrikaans abzuschaffen in ihren Augen liegen. Nicht die Sprache Afrikaans ist das Problem, sondern die negative Verknüpfung der Sprache mit der Apartheid, verkörpert durch das Bild des weißen südafrikanischen Nationalisten. Diese beiden wichtigen, unterschiedlichen Gegenstimmen zu Open Stellenbosch zeigen zwei Dinge sehr deutlich: erstens, wie stark die Sprache Afrikaans mit Identität verknüpft ist und zweitens, wie unterschiedlich diese Identitäten sein können.
Neben den negativen Stimmen gibt es aber auch durchaus viele afrikaanssprechende Studenten, die sich für die Forderungen der Open Stellenbosch Bewegung aussprechen.
Die Sprachdebatte an der Universität Stellenbosch wird wahrscheinlich weiter andauern, da durch die Verknüpfung von Sprache und Identität Englisch nur als Übergangslösung angesehen werden kann. Auch Englisch ist durch die ehemalige britische Kolonialherrschaft in Südafrika keine neutrale Sprache. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern die weiteren neun Nationalsprachen Südafrikas eine Rolle spielen sollen. Zwar handelt es sich hier um einen Studentenprotest nur an einer Universität Südafrikas, die Sprachdebatte wirft aber Fragen auf, die in ihrer Problematik auch außerhalb der Universitätswelt eine große Relevanz haben. Ob es überhaupt möglich ist eine Lösung, für die Sprachdebatte an der Universität Stellenbosch, zu finden, die allen recht und gleichzeitig finanzierbar ist wird sich im Laufe der Zeit zeigen.