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2.6.4 DIAKONIE BEI AUSSIEDLERN, AUSLÄNDERN, ASYLBEWERBERN

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<2_6_4> Kirchliche Arbeit mit Aussiedlern

Vom 30. Juni 1995 (ABl. 1995 B 33)


Albrecht Engelmann und Michael Karstädt

Seit Mitte der 70er Jahre gehören zu unseren Kirchgemeinden, vor allem in Chemnitz und Dresden, deutschstämmige Aussiedler aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Es sind in der Regel ältere Menschen, ihre zahlreichen jüngeren Familienangehörigen haben nur selten den Weg zu einer Gemeinde gefunden.
Seit der deutschen Vereinigung ist eine neue Situation eingetreten. In jedem Kirchenbezirk gibt es mindestens ein Übergangswohnheim. Der Freistaat Sachsen erhält nach der Verteilungsquote einen Anteil von 6,5 % (= ca. 14.000) an den jährlich etwa 220.000 Aussiedlern. Sie kommen meistens aus Kasachstan oder aus Sibirien nach Deutschland.


1 Zur Geschichte der Russlanddeutschen

Text hier weggelassen, siehe ABl. 1995 S. B 33


2 Zur gegenwärtigen Situation der Russlanddeutschen in der GUS

Text hier weggelassen, siehe ABl. 1995 S. B 35


3 Das Aufnahmeverfahren für Aussiedler

Die Aufnahme und Eingliederung von Aussiedlern und ihren Familien geschieht auf Grund umfangreicher gesetzlicher Regelungen des Bundes und der Länder, die hier nur kurz dargestellt werden können. Dies sind im Wesentlichen:
- das Bundesvertriebenengesetz (BVFG),
- das Arbeitsförderungsgesetz (AFG),
- das Bundessozialhilfegesetz (BSHG),
- das Bundesversorgungsgesetz (BVersG),
- das Häftlingshilfegesetz (HHG),
- das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuSTG),
- das Wohngeldgesetz (WoGG).
(Im nachfolgenden Text werden die Abkürzungen verwendet. Im Anhang werden die Fundstellen angegeben.)

Durch das Kriegsfolgebereinigungsgesetz (KfbG) zum 1.1.1993 wurden o. g. Gesetze zum Teil stark geändert, so dass zwischen "neuer" und "alter" Rechtslage unterschieden werden muss, wobei Teile des alten Rechtes weiterhin gültig bleiben. Mit dem In-Kraft-Treten des KfbG wurde der Begriff des Spätaussiedlers eingeführt. Spätaussiedler kann nicht mehr werden, wer nach dem 31.12.1992 geboren ist. Dieser Stichtag setzt also den Anfangspunkt eines langsamen Auslaufens der Aussiedlung.
(Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur der Begriff Aussiedler verwendet, was aber keine rechtliche Qualifizierung im Sinne des KfbG bedeutet.)

3.1. Verfahren bis zum Eintreffen in Deutschland

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in Deutschland werden in einem Aufnahmeverfahren geklärt. Dieses Verfahren führt das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln durch, solange die antragstellende Person noch im Aussiedlungsgebiet wohnt. Das Verfahren kann durch den Antragsteller vom Aussiedlungsgebiet her betrieben werden oder durch einen Bevollmächtigten, der in der Bundesrepublik lebt (oft durch früher ausgesiedelte Verwandte).
Nach komplizierter, zeitaufwendiger Prüfung der Voraussetzungen (insbesondere BVFG § 4) erteilt das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmebescheid, wobei zuvor die Zustimmung des aufnehmenden Bundeslandes vorliegen muss. Einen Eindruck der Komplexität der zu prüfenden Angaben im 20-seitigen Aufnahmeantrag vermittelt ein Textauszug aus dem BVFG. Dort heißt es in § 4:
"(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen nach dem 31.12.1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
1. seit dem 8. Mai 1945 oder
2. nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder
3. seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder der 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sein denn, dass die Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben, seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte.
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. 12. 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Sein nichtdeutscher Ehegatte, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden hat, und seine Abkömmlinge erwerben diese Rechtsstellung mit der Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes. Sie sind auf Antrag, nach Maßgabe des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit, einzubürgern."
In die Anlagen zum Aufnahmebescheid werden Familienangehörige (Ehegatten oder Abkömmlinge, BVFG § 7,2) bzw. sonstige Familienangehörige (BVFG 8,2; z.B. ausländische Ehegatten) eingetragen, wobei die Familie gemeinsam einreisen muss, um ungeteilten Anspruch auf Eingliederungsleistungen zu haben. In Konsequenz dieser Regelung reisen viele Großfamilien ein.
Durch die Erteilung des Aufnahmebescheides soll sichergestellt werden, dass nur Personen als Aussiedler einreisen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, an die sich die Eingliederungsleistungen knüpfen.
(Anhang: Schaubild I)

3.2. Verfahren nach dem Eintreffen in Deutschland

Nach der Einreise des Aussiedlers und dem Eintreffen in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes werden die Aufnahmevoraussetzungen erneut überprüft. Der Aussiedler erhält einen Registrierschein und wird einem Bundesland zugewiesen (Verteilung nach Quoten). Nun ist das Bundesland für die weitere Unterbringung und Betreuung zuständig.
(Anhang: Schaubild II)

3.3. Eingliederungshilfen in einem Bundesland

Grundsätzlich haben Aussiedler die gleichen Rechte und Pflichten wie die einheimische Bevölkerung. Eine Bevorzugung der Aussiedler beim Bezug allgemeiner staatlicher Leistungen (z.B. Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergeld) besteht nicht.
Aufgrund ihrer Herkunft aus Staaten Ost- und Südosteuropas stehen Aussiedler nach ihrer Ankunft in Deutschland jedoch vor zahlreichen Problemen, die ihre Eingliederung in die hiesige Gesellschaft erschweren. Deshalb gewährt der Staat spezielle Hilfen, um die Einbeziehung der Aussiedler in das Sozialsystem sowie die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu fördern. Im Folgenden sollen einige Eingliederungshilfen kurz beschrieben werden.

3.3.1. Pauschalierte, bedürftigkeitsabhängige Eingliederungshilfe
(AFG § 62a ff)
Eingliederungshilfe für Aussiedler, die noch keine Arbeit gefunden haben, wird bis zu sechs Monaten (156 Tage) gewährt. Zuständig dafür sind die Arbeitsämter. Der Lebensunterhalt der Aussiedler wird nach Ablauf der Bezugszeit der Eingliederungshilfen (6 Monate) auf Antrag durch die Sozialhilfe gewährleistet.

Die Teilnahme an einem Deutsch-Sprachlehrgang oder einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung schließt den Anspruch auf Eingliederungshilfe nicht aus, verlängert diesen aber nicht (siehe 3.3.3. und 3.3.4.).
Die Höhe der Eingliederungshilfe ist an die Bezugsgröße in der Sozialversicherung gekoppelt (60 v.H. der Bezugsgröße, Sozialgesetzbuch IV § 18).
Je nach den individuellen Familienverhältnissen und den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen ergeben sich in den einzelnen Steuerklassen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge unterschiedliche Beträge. Die Gewährung der Eingliederungshilfe ist davon abhängig, dass der Antragsteller bedürftig ist; in Anlehnung an die Arbeitslosenhilfe werden sonstige Einkommen berücksichtigt.

3.3.2. Hilfen zur schulischen und beruflichen Eingliederung junger Aussiedler
3.3.2.1. Garantiefonds
(Richtlinie des Bundesminsteriums für Familie und Jugend)
Die Richtlinien des Garantiefonds (GF) wurden im Jahr 1956 vom Bundestag beschlossen. Sie regeln die Vergabe individueller Beihilfen zur schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung junger Zuwanderer. Der Garantiefonds umfasst zwei Bereiche:
- den Schul- und Berufsbildungsbereich für individuelle Hilfen zur gesellschaftlichen, sprachlichen, schulischen, beruflichen und sozialen Eingliederung und
- den Hochschulbereich für Stipendien zur Erlangung der Hochschulreife sowie zur Vorbereitung und Durchführung eines Hochschulstudiums. Die Hilfen werden grundsätzlich nachrangig gegenüber sonstigen Ausbildungsbeihilfen (z.B. AFG, Bafög) gewährt. Zuständig für die Gewährung von Beihilfen im Schul- und Berufsbildungsbereich sind die örtlichen Sozialämter.
Im Hochschulbereich ist im Auftrag der Bundesregierung die Otto-Benecke-Stiftung e.V. tätig.

3.3.2.2. Akademikerprogramm
(Richtlinie des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft)
Gefördert wird die Eingliederung von Aussiedlern mit abgeschlossenem Hochschulstudium in das Berufssystem Deutschlands.

3.3.2.3. Wissenschaftlerprogramm
(Richtlinie des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft)
Über diese Richtlinie werden Zuwendungen (anteiliger Personalkostenzuschuss) an wissenschaftliche Institutionen gewährt, die bereit sind, einen ausgesiedelten Wissenschaftler einzustellen und ihn nach der Förderung weiterzubeschäftigen oder sich nachdrücklich um seine anderweitige adäquate Beschäftigung zu bemühen. Zuständig sind die Kultusministerien der Länder.

3.3.3. Sprachförderung
(AFG § 62a ff.)
Die Höchstdauer der Sprachförderung beträgt sechs Monate. Erwerbstätige Aussiedler erhalten bei Teilnahme an einem Deutsch-Sprachlehrgang Sachkostenerstattung sowie Eingliederungshilfe (siehe 3.3.1.). Die Teilnahme an diesem Sprachlehrgang ist für Aussiedler kostenlos. Die Durchführung der Lehrgänge erfolgt durch unterschiedliche Träger (z. B. Volkshochschulen).

3.3.4. Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen
(AFG §§ 62a, 33 ff.)
Arbeitslose Aussiedler können während des Bezuges der Eingliederungshilfe an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung teilnehmen, die für die zügige berufliche Eingliederung erforderlich ist. Notwendige Kosten der Teilnahme können von der Bundesanstalt für Arbeit ganz oder teilweise, auch über den Zahlungszeitraum der Eingliederungshilfe hinaus, getragen werden.

3.3.5. Leistungen bei Krankheit
(BVFG § 11)
Aussiedler sind (als Arbeitnehmer, als Bezieher von Eingliederungshilfen, als Arbeitslose, als Sozialhilfeempfänger oder als Rentenbewerber) in der Regel bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse krankenversichert. Aussiedler, die nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehören, erhalten einmalig Leistungen wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung hierfür ist, dass sie innerhalb von zwei Monaten nach Verlassen der Herkunftsgebiete hier ständigen Aufenthalt genommen haben und der Grund für die Leitung innerhalb von drei Monaten seit der ständigen Aufenthaltnahme eintritt. Krankengeld und Mutterschaftsgeld werden in Höhe der Eingliederungshilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz gezahlt.

3.3.6. Rentenversicherung
(Fremdrentengesetz)
Aussiedler erhalten individuelle Leistungen nach dem in Deutschland geltenden Rentenrecht unter Berücksichtigung der in den Herkunftsgebieten zurückgelegten, anrechenbaren Beitrags- und Beschäftigungszeiten.

3.3.7. Unfallversicherung
(Fremdengesetz i. V. m. Unfallversicherungsrecht)
Aussiedler mit gewöhnlichem Aufenthalt in den neuen Bundesländern erhalten Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung für die in den Herkunftsgebieten erlittenen Arbeitsunfälle auf der Grundlage des Fremdenrentengesetzes, wenn sie ab dem 3.10. 1990 in die neuen Bundesländer zugezogen sind.

3.3.8. Anerkennung von in den Herkunftsgebieten abgelegten Prüfungen und erworbenen Befähigungsnachweisen einschließlich Glaubhaftmachung dazu notwendiger Urkunden
(BVFG § 10)

3.3.9. Spezielle Hilfen für erlittene Schädigungen kriegsbedingter oder politischer Art
(BVersG, HHG)
Aussiedler, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg oder aus politischen Gründen in Gewahrsam waren, können bei gewahrsambedingten gesundheitlichen Schädigungen wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung nach dem BVersG bzw. in entsprechender Anwendung des BVersG zur Linderung einer Notlage eine einmalige Unterstützung erhalten.

3.3.10. Spezielle Hilfen für Aussiedler aus der ehemaligen UdSSR
(BVFG § 9,2)
Aussiedler aus der ehemaligen UdSSR, die vor dem 1. Januar 1946 bzw. vor dem 1. April 1956 geboren sind, erhalten einmalig zum Ausgleich für den erlittenen Gewahrsam eine zusätzliche pauschale Eingliederungshilfe in Höhe von 6000,- bzw. 4000,- DM.

3.4. Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände

Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände erstreckt sich von den Hilfen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Bundes bis zur ausführlichen Beratung und Betreuung in den Übergangswohnheimen sowie am späteren Wohnsitz.
Da sich ca. 60 % der Aussiedler zum evangelischen Glauben bekennen, sind Kirche und Diakonie besonders gefordert. Einen Schwerpunkt in der Arbeit bildet die psycho-soziale Beratung. Sie setzt bei den Alltagsproblemen an und versucht, die Selbsthilfekräfte der Aussiedler zu wecken und sie zu eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen. Oft bilden äußere Anlässe Anknüpfungspunkte für sehr persönliche Beratungsgespräche.

Die Mitarbeiter der Diakonie beraten zu lebenspraktischen Bereichen. Zum Beispiel bei:
- Polizeilicher Anmeldung bzw. Ausfüllen der Formulare,
- Meldung beim Arbeitsamt (Stellenvermittlung, Kindergeldbeantragung usw.),
- Anmeldung bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse,
- Antrag beim Sozialamt, insbesondere Bei Rentnern und Arbeitslosen,
- Antrag beim Versorgungsamt auf Renten bzw. Kriegsopferfürsorge,
- Fragen des Versicherungswesens (z.B. Unfall-, KFZ-Versicherung),
- Sprachförderung im Allgemeinen und durch besondere Fördermaßnahmen,
- Übergang und Anschluss an weiterführende Schulen,
- Regelung bzw. Vermittlung von Nachhilfestunden für Hauptschüler oder Schüler von weiterführenden Schulen,
- Vorbereitung Jugendlicher auf eine Lehrstelle,
- Einkaufen im Allgemeinen (Supermarkt, Kaufhaus),
- Vertreterbesuchen, Ratenkäufen,
- Arztbesuchen oder Krankenhausaufenthalten,
- der Kontaktaufnahme zu Kirchgemeinden,
- Erläuterung der rechtlichen und politischen Verhältnisse,
- Einladungen zu kirchlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen,
- Begegnung zwischen Einheimischen und Aussiedlern,
- Vorbereitung auf Umzug in die eigene Wohnung,
- Wegzug aus dem Übergangswohnheim.

Wenn Aussiedler eine Wohnung gefunden haben und dort eingezogen sind, brauchen sie weiterhin Beratung zur Bewältigung der neuen Situation, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten:
- Bewerbung
- Wohnungs- und Arbeitssuche
- Verbraucherfragen
- Kreditwesen, Versicherung, Steuern
- Sozialwesen
- Partner- und Familienfragen
- Überschuldung (Schuldnerberatung)
- Berufs- und Arbeitswelt
- Schule und Erziehung
- Rechtsfragen
- staatsbürgerliche Fragen
- Gesundheitsvorsorge/ Suchtberatung
- Kirche und Religion
- Urlaubs- und Freizeitgestaltung
- Bildung und Kultur

3.5. Finanzierung der Eingliederungsarbeit

Die Eingliederungsarbeit der Wohlfahrtsverbände wird durch das Programm Eingliederung des Bundesministeriums für Familie und Senioren und durch das Programm Eingliederung von jungen Zuwanderern des Bundesministeriums für Frauen und Jugend gefördert. Da die im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel in den letzten Jahren empfindlichen Kürzungen unterlagen und nicht mehr ausreichen, hat der Freistaat Sachsen Haushaltsmittel bereitgestellt, um die Eingliederungsarbeit seinerseits zu fördern, obwohl dies vorrangig Bundesaufgabe ist. Die Besetzung von Personalstellen wird unter den Wohlfahrtsverbänden (auf der Ebene der Kreise und Kreisfreien Städte) abgestimmt.
Die Wohlfahrtsverbände sind sich im Klaren, dass die Arbeit nur zu einem Teil durch professionellen Einsatz geleistet werden kann. Gleichzeitig muss aber das ehrenamtliche Engagement stärker gefördert werden. Schon jetzt ist es eine unersetzliche Komponente der Eingliederungshilfen. Zur Förderung ehrenamtlicher Arbeit gibt es diverse Programme (z.B. Aktion 55).
Die Kirchenbezirke und Kirchgemeinden sollen überlegen, wie ehrenamtliche Arbeit zu fördern wäre und auch in den Haushaltsplänen Mittel vorsehen, sofern Übergangswohnheime (und somit neue Mitbürger) in ihrem Bereich eingerichtet wurden.

4 Über die Arbeit der Kirchgemeinden und Kirchenbezirke mit den Aussiedlern

Ziel der Arbeit mit den Aussiedlern ist es, sie in Kirchgemeinden zu beheimaten. In mehreren Kirchgemeinden liegen dazu bereits Erfahrungen vor, jedoch handelt es sich dabei vor allem um Menschen in höherem Lebensalter. Da jedoch auch jüngere Menschen - einschließlich Kinder und Jugendliche - sich als evangelisch bezeichnen, kommt diesem Personenkreis besondere Aufmerksamkeit zu.

4.1. Die Arbeit im Übergangswohnheim

Dieser Dienst stellt einen besonderen Schwerpunkt dar. Je nach Größe ist er vergleichbar mit dem Dienst in einem Krankenhaus, einem Pflege- oder Altersheim. Auf Grund der Wohnungssituation ist der Aufenthalt im ÜWH von langer Dauer (2 Jahre und mehr). Er ist gekennzeichnet von der Teilnahme an Sprachkursen, von den Bemühungen um eine Arbeitsstelle und um eine Wohnung, von der Beantragung der Rente, von Arztbesuchen usw. Manche Bewohner der ÜWH bemühen sich, nach Abschluss des Sprachkurses in die Nähe von Verwandten zu ziehen, die günstigenfalls bereits Wohnung und Arbeit für die Neuankömmlinge vorbereitet haben. Dies ist jedoch immer seltener der Fall. Bereits zum Aufnahmeantrag gehört die Angabe zur Kirchenzugehörigkeit, eine beachtliche Zahl gibt dabei "evangelisch" an. Normalerweise müsste eine entsprechende Mitteilung aus der sächsischen Landesaufnahmestelle in Bärenstein bei Annaberg an die Meldestelle gelangen und von dort an das zuständige Pfarramt weitergegeben werden, wo sich das ÜWH befindet. Dieser Meldevorgang geschieht z. Z. nur in seltenen Fällen. Mindestens dieses "Konfessionsmerkmal" ist jedoch Anlass für einen Besuch durch die Kirchgemeinde oder den Kirchenbezirk. Die Kontaktaufnahme zu einem Zugezogenen ist manchmal die Brücke zu anderen Heimbewohnern. Kirche muss zunächst durch Personen und Angebote sichtbar werden. Oft liegen die ÜWH außerhalb eines Ortes. Deshalb ist es u.U. notwendig, einen Abhol-Dienst zu kirchlichen Veranstaltungen einzurichten. Es sollten auch Zusammenkünfte im Heim angeboten werden. Der Kontakt zur Heimleitung ist zu pflegen.
Dabei ist es von Vorteil, wenn Besucher russische Sprachkenntnisse haben. Andere Bewohner des ÜWH können als Übersetzer helfen. Im Kirchenbezirk sollte für diesen Besuchsdienst nach geeigneten Mitarbeitern und Gemeindegliedern Ausschau gehalten werden. Dabei kommen natürlich auch Aussiedler in Betracht, die sich bereits zu einer Kirchgemeinde halten. Erfahrungen besagen, dass unter Aussiedlern falsche Vorstellungen und unvollständige Informationen über die Kirche in Deutschland bestehen (z.B. Kirchensteuern, Kirchgeld und Kollekten).
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Aussiedler getauft oder gar konfirmiert sind, selbst wenn sie sich als evangelisch bezeichnen. Sollten die sprachlichen Voraussetzungen dafür bestehen, könnte der Aufenthalt im ÜWH dazu genutzt werden, erste Informationen über den christlichen Glauben, über die Kirchen in Deutschland, über christliche Stätten und Traditionen zu vermitteln. Die Feste des Kirchenjahres bieten sich dazu besonders an. Kindernachmittage und Zusammenkünfte für die Jugend sollten durchgeführt werden. Aufklärung über religiöse Sondergemeinschaften und Sekten ist dringend nötig.
Oft bietet der Wunsch nach der christlichen Bestattung Verstorbener den Anlass für eine Kontaktaufnahme. Hier sollte überlegt werden, ob Übersetzung besorgt werden muss. Weiterhin ist zu beachten, dass die Bestattung bei den Russlanddeutschen mit besonderen Bräuchen verbunden ist. Hier müssen Erkundigungen eingeholt und der Ablauf behutsam besprochen werden. Kirchliche Mitarbeiter in den Pfarrämtern und Friedhofskanzleien müssen über die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Lage der Aussiedler informiert sein. Bei Unklarheiten können bei den Beratungsstellen der Diakonischen Werke und den zuständigen Abteilungen im Landratsamt (z.B. Sozialamt) Auskünfte eingeholt werden. Es wäre bedauerlich, wenn Aussiedler von einem Pfarramt oder einer Friedhofskanzlei deshalb abgewiesen werden, weil sie Gebühren nicht bezahlen können oder aus sprachlichen Gründen die Zusammenhänge nicht verstehen.
Den praktizierenden russlanddeutschen Christen fällt es schwer, folgende Erscheinungen in unseren Gemeinden zu begreifen:
Gebete - vor allem das Vater unser - im Sitzen sprechen, dass nicht gekniet wird, Brot und Wein soll nicht mit sündigen Händen genommen werden, sondern wurde direkt in den Mund gegeben; dass bei Beerdigungen (in der Stadt) das Grab offen zurückgelassen werden soll und sich der Pfarrer schnell wieder entfernt. Beerdigungen waren selbst in bescheidenen Verhältnissen mit einem Leichenessen verbunden, um das Ereignis zu verarbeiten und die Gemeinschaft zu erneuern. Die Themen mancher Predigten (z.B. Umweltschutz, politische Ereignisse, die Rettung tropischer Regenwälder) wirken auf sie befremdlich; so etwas stand nicht in den Predigtbüchern aus dem 19. Jahrhundert. Es handelt sich bei der älteren Generation in der Regel um einfache Menschen, die keine gründliche Schulbildung erhielten.
Darüber, ob, wann und wo eine Taufe erfolgte, sind oft keine schriftlichen Dokumente vorhanden. Allerdings wird durch die Vertreter der ev.-luth. Gemeinden in der GUS berichtet, dass in den letzten fünf Jahren Taufurkunden ausgestellt wurden. Wenn keine Bescheinigung vorhanden ist, sollte man nach einem erwachsenen Gemeindeglied fragen, das Zeit und Ort bezeugen kann und dies dann in einer Niederschrift festhalten, vergleichbar mit der Taufanmeldung bzw. dem Taufprotokoll. Mit dem Hinweis auf diese Niederschrift kann eine pfarramtliche Bescheinigung ausgestellt werden. (Zu Kriterien für die Möglichkeit einer Konditionaltaufe vgl. ABl. 1957 S. A 89).
Da die meisten Aussiedler nicht konfirmiert sind, ist zu empfehlen, einen mindestens halbjährigen Kursus zur Vorbereitung auf die Konfirmation durchzuführen. Dann können auf dem Konfirmationsschein die vorhandenen Daten über die Taufe eingetragen werden, möglicherweise mit dem Vermerk "nach eigenen Angaben". Kursus und Konfirmationsgottesdienst dienen der Glaubensstärkung, der Vergewisserung und der Vorbereitung auf das Abendmahl. Eine Arbeitsgruppe für Aussiedlerfragen sollte in jedem Kirchenbezirk entstehen, wo Vertreter der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, sprachkundige Gemeindeglieder, Mitarbeiter der Diakonischen Werke und möglichst auch Aussiedler selbst mit arbeiten. Ein Mitarbeiter aus dem Kirchenbezirk sollte dem Landeskirchenamt als Ansprechpartner benannt werden. Die Aussiedler-Arbeit in unserer Landeskirche und im Gesamtzusammenhang mit der EKD sollte so "von unten nach oben" aufgebaut werden.
Zum Beispiel könnten auf Kirchenbezirksebene Wochenendfreizeiten für bestimmte Altersgruppen oder Familien durchgeführt und dabei auch diejenigen Aussiedler einbezogen werden, die bereits eine eigene Wohnung gefunden haben. Dazu stehen übrigens auch staatliche Fördermittel zur Verfügung.

4.2. Die Arbeit in den Kirchgemeinden

Was im ersten Abschnitt gesagt wurde, gilt in weiten Teilen natürlich auch für den gemeindlichen Bereich. Hier sollten sich - wie auch auf anderen Gebieten - Gemeinden gegenseitig unterstützen. Für die Kirchgemeinden ist es besonders wichtig, die zugezogenen Aussiedler in ihrer eigenen Wohnung zu besuchen und sie zu begrüßen. Möglicherweise lässt sich auch eine Familie in der Gemeinde finden, die eine Art Patenschaft für eine Aussiedlerfamilie übernimmt. Es geht - wie gesagt - darum, dass diese Menschen eine neue Heimat finden und sich zu Hause fühlen dürfen. Dabei haben es die Vierzehn- bis Achtzehnjährigen besonders schwer, da sie oft aus den für dieses Alter so wichtigen Freundschaften herausgelöst wurden.
Aussiedler, die bereits in der Kirche mitarbeiten, betonen, wie wichtig es sei, auf die Russlanddeutschen zuzugehen und sie zu besuchen, also nicht darauf zu warten, dass sie von sich aus kommen. Verschiedene Hemmungen spielen dabei eine Rolle, nicht zuletzt das Gefühl, sich in der deutschen Sprache über religiöse Fragen nicht ausdrücken zu können. Gerade die jüngeren, unter 60-jährigen Aussiedler sind es nicht gewöhnt, überhaupt über den christlichen Glauben und über Kirche zu reden. Auf keinen Fall darf man sich damit begnügen, in die Räume der Gemeinde einzuladen, einen Aushang im ÜWH anzubringen oder den Gemeindebrief zuzustellen.
Wenn es Aussiedlern gelingt, in einer Gemeinde Fuß zu fassen, stellen sie durch ihre Treue, ihre Frömmigkeit und auch ihre Einsatzbereitschaft ein großes Potential dar. Allerdings ist es erforderlich, ihnen einfühlsam und verständnisvoll zu begegnen. Angesichts der unterschiedlichen Lebenseinstellungen und Glaubenshaltungen der verschiedenen Altersgruppen benötigen vor allem die Kinder und Jugendlichen einen anderen Zugang zum Evangelium als ihnen die eigenen Großeltern vermitteln können. Die frohmachende Kraft biblischer Geschichten und Erfahrungen des Glaubens im Alltag sind für sie besonders wichtig.
Aussiedler können mit ihren Sprachkenntnissen auch bei Krankenbesuchen in Wohnungen und Krankenhäusern sowie beim Kontakt einer Kirchgemeinde zu den Kirchen in der GUS helfen. Wenn Kinder russlanddeutscher Familien zur Taufe angemeldet werden, ist unbedingt die Begleitung der Eltern und Paten erforderlich. Unterstützung und Hilfe werden erbeten z.B. beim Gang zu Behörden, beim Ausfüllen von Formularen, Unfall, Krankheit, Alkoholismus usw. Die Anteilnahme an persönlichen Erlebnissen und Schicksalen ist wichtig. Man muss zuhören können, Zeit haben, anerkennen und ermuntern und gegebenenfalls auch Auskünfte beschaffen.

Anhang

Das Aussiedleraufnahmeverfahren
Das Verfahren vor dem Eintreffen in Deutschland (Schaubild I) <Dieser Teil des Textes des Amtsblattes wird hier insgesamt nicht wiedergegeben.>

Das Aussiedleraufnahmeverfahren
Das Verfahren nach dem Eintreffen in Deutschland (Schaubild II) <Das Schaubild wird nicht mit wiedergegeben.>

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<2_6_4> Orientierungshilfe zum Asyl in kirchlichen Räumen

Im Amtsblatt vom 15. März 1995 (ABl. 1995 A 34)

Reg.-Nr. 2025(6)374
Eine "Orientierungshilfe zum Asyl in kirchlichen Räumen" der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens wird über die Superintendenturen allen Kirchgemeinden zugestellt. Restexemplare sind im Landeskirchenamt erhältlich.

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Asylsuchende und Flüchtlinge
(EKD-Texte 51)

Reg.-Nr. 2025(7)376
In den Superintendenturen ist die Broschüre "Asylsuchende und Flüchtlinge. Zur Praxis des Asylverfahrens und des Schutzes vor Abschiebung" (EKD-Texte 51) zur Einsicht vorhanden. Sie enthält den Bericht der Kommission für Ausländerfragen und ethnische Minderheiten der EKD, der zur Tagung der EKD-Synode im November 1994 vorgelegt wurde. Nach einer Mitteilung des EKD-Kirchenamtes in Hannover soll die Publikation dazu dienen, "die im Bericht enthaltene Kritik an der Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und einen Impuls zur Veränderung und Verbesserung der Asyl- und Flüchtlingspolitik zu geben."
Weitere Exemplare können im Landeskirchenamt angefordert werden.

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