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2.10 KUNSTDIENST
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (11.08.1998, AKL)
Vom 19. Juni 1990 (ABl. 1990 A 52)
31013/264
Das Landeskirchenamt verordnet über die Tätigkeit
des Kunstdienstes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
Folgendes:
I. Grundsatzbestimmungen
§ 1
(1) Der Kunstdienst ist eine Einrichtung der Landeskirche, die
der Aufsicht des Landeskirchenamtes untersteht. Dieses kann Arbeitsaufträge
an den Kunstdienst erteilen.
(2) Für die Tätigkeit des Kunstdienstes
gemäß dieser Verordnung ist dessen Leiter verantwortlich. Er ist
unmittelbarer Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter des Kunstdienstes.
(3) Der Leiter des Kunstdienstes wird vom Landeskirchenamt
berufen. Er untersteht der Dienstaufsicht des Landeskirchenamtes. Die
Einstellung von Mitarbeitern des Kunstdienstes erfolgt durch das
Landeskirchenamt nach Gehör des Leiters des Kunstdienstes.
II. Aufgaben und Arbeitsweise
§ 2
Der Kunstdienst steht den Kirchgemeinden, kirchlichen
Dienststellen sowie dem Landeskirchenamt für das Gesamtgebiet der bildenden
Kunst (Malerei, Grafik, Plastik) und des Kunsthandwerkes (Paramentik,
Ausstattung) beratend und vermittelnd zur Verfügung. Den Schwerpunkt der
Tätigkeit des Kunstdienstes bildet die Begleitung und Unterstützung
von kirchlichen Vorhaben auf dem Gebiet der bildenden Kunst und des
Kunsthandwerkes.
§ 3
Im Einzelnen hat der Kunstdienst insbesondere folgende
Aufgaben zu erfüllen:
a) Förderung des Verständnisses der Kirchgemeinden
und kirchlichen Dienststellen für überlieferte und
zeitgenössische Kunst durch geeignete Veranstaltungen wie z. B.
Ausstellungen, Vorträge, Tagungen usw.;
b) gutachterliche Tätigkeit bei der Erfassung,
Bewahrung, Restaurierung und Pflege des Kunstgutes;
c) Begutachtung von Entwürfen für
gottesdienstliches Gerät, kirchliche Druckerzeugnisse,
Nachrichtenblätter, Plakate, Kirchensiegel usw. sowie Förderung der
Schaukastenarbeit der Kirchgemeinden;
d) Herstellung und Pflege von Künstlerkontakten sowie
Vermittlung geeigneter Künstler und Werkstätten für kirchliche
Gestaltungsaufgaben;
e) Betreuung und Erweiterung des Bildarchives und der
Grafiksammlung zum Gesamtgebiet von bildender Kunst und Architektur als
Grundlage für Ausstellungen, Vorträge und kirchgemeindlichen
Bedarf;
f) Betreuung und Ausbau der Diathek (Bildkammer) zur Ausleihe
von Einzeldias und Diaserien mit anfallenden fotografischen Arbeiten;
g) Weiterführung und laufende Aktualisierung der
Kunstgutkartei sowie deren praktische Erschließung;
h) Veröffentlichungen zur bildenden Kunst und zum
Kunsthandwerk im kirchlichen Raum in Form von Berichten, Bildbetrachtungen,
Arbeitshilfen usw.;
i) Erwerb von Werken zeitgenössischer Kunst für
einen entsprechenden Bedarf der Kirchgemeinde in Abstimmung mit dem
Landeskirchenamt.
§ 4
(1) Der Kunstdienst versieht seine Tätigkeit in
Abstimmung mit dem Landeskirchenamt selbstständig und eigenverantwortlich.
Er arbeitet mit entsprechenden Einrichtungen anderer Landeskirchen zusammen und
beteiligt sich am Erfahrungsaustausch.
(2) Der Leiter des Kunstdienstes ist dem Landeskirchenamt
berichtspflichtig. Er legt dem Landeskirchenamt jeweils bis 31. Oktober einen
Jahresarbeitsplan für das folgende Kalenderjahr zur Prüfung und
Bestätigung sowie zum 31. August einen Tätigkeitsbericht über die
vorangegangenen zwölf Monate zur Kenntnisnahme vor.
(3) Der Leiter des Kunstdienstes ist verpflichtet, auf
Einladung an Dienstberatungen des Landeskirchenamtes teilzunehmen.
(4) Der für die Arbeit des Kunstdienstes erforderliche
Finanzbedarf ist zusammen mit den zu erwartenden Einnahmen in einem
jährlich zu erstellenden Haushaltplan nachzuweisen. Dieser bedarf ebenso
wie der Stellenplan der Genehmigung durch das Landeskirchenamt, das die zum
Ausgleich des Haushaltplanes erforderlichen finanziellen Mittel im Rahmen des
landeskirchlichen Haushaltplanes zur Verfügung stellt.
(5) Die Rechnungsführung erfolgt eigenverantwortlich auf
der Grundlage des genehmigten Haushaltplanes nach den Bestimmungen der Kassen-
und Rechnungsordnung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Der Leiter des
Kunstdienstes nimmt dabei die in der Kassen- und Rechnungsordnung dem
Vorsitzenden des Kirchenvorstandes zugewiesenen Rechte und Pflichten
wahr.
§ 5
(1) Die Kirchgemeinden und kirchlichen Dienststellen sind im
Rahmen der landeskirchlichen Ordnung verpflichtet, bei baulichen und
gestalterischen Vorhaben sowie bei der Beschaffung, Veränderung und
Veräußerung von Inventarstücken liturgischen oder
künstlerischen Charakters die Beratung durch den Kunstdienst in Anspruch zu
nehmen.
(2) Der Kunstdienst hat in diesen Fällen mit dem jeweils
zuständigen kirchlichen Baupfleger zusammenzuarbeiten.
(3) Wird der Kunstdienst bei gestalterischen Vorhaben auf
kirchlichen Friedhöfen tätig, hat er dabei Verbindung mit dem
zuständigen Friedhofspfleger bzw. dem Friedhofsgestalter des
Landeskirchenamtes zu halten.
III. Beirat
§ 6
Zur Beratung des Leiters des Kunstdienstes und zur
Förderung der Tätigkeit dieser Einrichtung wird ein Beirat für
den Kunstdienst der Landeskirche gebildet, dem Baufachleute, Theologen und
Künstler angehören sollen. Einzelheiten über Zusammensetzung,
Aufgaben und Arbeitsweise des Beirates regelt eine vom Landeskirchenamt unter
Einbeziehung des Leiters des Kunstdienstes aufgestellte Ordnung.
IV. In-Kraft-Treten und
Außer-Kraft-Treten
§ 7
(1) Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1991 in
Kraft.
(2) Gleichzeitig tritt die Verordnung über den
Kunstdienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens beim
Landeskirchlichen Amt für Innere Mission vom 2. September 1950 (Amtsblatt
1951 Seite A 1) außer Kraft.
Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt
Sachsens
Hofmann
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (22.10.1998, PH)
Im Amtsblatt vom 15. Januar 1951 (ABl. 1951 B 3-4,
7-8)
Von Pfarrer Christian Rietzschel (Radebeul)
Inmitten einer Notzeit, deren drängende Hilferufe
täglich an unser Gewissen rühren, noch dazu inmitten eines Werkes der
Kirche, das gerade in der Linderung der Nöte und Drangsale seine Aufgabe
sieht, sich um Kunst zu bemühen, das mag mehr als einem unter uns
bedenklich erscheinen. Dass die Arbeit eines Kunstdienstes seine Heimstätte
gerade in der Nähe und Nachbarschaft helfenden und lindernden Dienstes
gerade in der Inneren Mission gesucht und gefunden hat, bedarf der
Erläuterung. Hat nicht die Kunst ihr Recht und ihren Sinn verspielt, in der
die innere und äußere Nötigung zur Abhilfe harten und bitteren
Elends unausweichlich ist, so wird man fragen. Ist nicht vielmehr die Kunst dem
Lebensüberschwang, dem Überfluss, dem Reichtum und der Fülle
verschwistert? Müssen wir nicht alles unbedingt Notwendige
zurückstehen lassen, solange die Not uns drängt? Die Frage wird am
besten beleuchtet durch jene Zweifelfrage des Judas angesichts der
Sünderin, die ihr Nardengefäß - eine Kostbarkeit - an den Herrn
verschwendet: Warum ist diese Salbe nicht verkauft um 300 Groschen und den Armen
gegeben? Wir wollen uns im Ernst der Frage, dieser doch zunächst sehr
einleuchtenden Frage, nicht entziehen. Im Grunde ist ja doch wohl jede Gemeinde
irgendwie von dieser Frage bedrängt. Darf sie etwa für die
Ausschmückung eines Gemeindesaales oder einer Kirche Mittel aufwenden,
solange noch spürbare Lasten auf ihren Gliedern liegen? Dürfen wir
Kirchen wieder bauen oder instandsetzen oder ausschmücken, bevor nicht der
Wohnungsnot gesteuert ist?
Wir kennen die Antwort Jesu. Er schützt das den
Jüngern so sinnlos und unzeitgemäß scheinende Tun der Frau: lass
sie mit Frieden; Arme habt ihr allzeit bei euch, mich aber habt ihr nicht
allezeit. Er legitimiert damit das Handeln verschwenderischer Liebe nicht gegen
das nützlicher Liebe, das liturgische gegen das diakonische, sondern eben
das Handeln der Liebe schlechthin. Er lehrt uns damit etwas verstehen, was der
rechnende diakonische Jüngerglaube heute wie damals nicht so ohne weiteres
verstehen kann: dass nämlich nicht der Zweck, nicht das mit dem
diakonischen Handeln Erreichte, nicht die Zahlen der Betten und Heime oder die
Summen der Opfergroschen etwas vor Gott gelten, sondern die Liebe, deren sich
verschenkende Kraft sich darin äußert. Wie sehr gerade die Väter
der Inneren Mission ein offenes Verständnis auch für das zweckfreie
Tun liebender Verehrung hatten, mag uns immer wieder gegenwärtig sein. In
seinem bisher noch nicht veröffentlichten, für den Unterricht der
Diakonissen bestimmten Diktat "Vom Schmuck der heiligen Orte" sagt
Löhe:
Jede Diakonissin hat in der einen Hand die Ölflasche des
barmherzigen Samariters und in der anderen das Nardengefäß, damit man
Jesum salbt und den Geruch seiner Ehren verbreitet.
Uns an anderer Stelle sagt er:
Die Füße im Kot und Staub niedriger Arbeit, das
Haupt im Sonnenlichte der Andacht und Erkenntnis Jesu.
Damit ist wohl am schönsten der innerste Beweggrund aller
Arbeit in der Inneren Mission gekennzeichnet, wie Löhe sagt:
Martha und Maria sein in einer Person.
Und darum geht es uns auch heute in unserem Werk. muss ich
noch darauf hinweisen, dass auch Wichern ein offenes Auge für den Sinn
christlicher Kunst hatte: mit Bethmann Hollweg und anderen hat Wichern den
"Verein für religiöse Kunst in der evangelischen Kirche" zu Berlin
gegründet.
Dass nun die Aufgabe der kirchlichen Kunst gerade von der
Seite der Inneren Mission angefasst wird - und zwar nicht nur bei uns in Sachsen
- ich weise in diesem Zusammenhang auf die Werkbruderschaft unter Leitung des
Leiters des Centralausschusses Ost Pastor Wenzel oder auf die Bemühungen
der Inneren Mission in Mecklenburg hin - darin liegt wohl ein beachtlicher
Zusammenhang. So sehr die Innere Mission von jeher der Ort der Kirche gewesen
ist, an dem die Not unmittelbar gesehen und angegriffen wurde, ist sie immer
zugleich auch das offene Fenster der Kirche gewesen, das den mannigfachen
Kräften, die der Kirche zuwachsen, Einlass gewährt hat.
Überblickt man die geschichtliche Entwicklung der Inneren
Mission, so kann man mit Erstaunen feststellen, mit welcher Energie sie sich
seit ihren Anfängen um die Kunst bemüht hat. In den ersten zwanzig
Jahren nach ihrer Gründung verging fast kein Kongress der Inneren Mission,
auf dem nicht eine Spezialsitzung über religiöse Kunst abgehalten
wurde: "Weil die Mission des Christentums die Kunst in sich schließt,
darum muss auch die Innere Mission Auge, Herz und Hand für die christliche
Kunst haben", so heißt es in einer der vielen Entschließungen dieser
Zeit. Man sah damals freilich in der Kunst ein der Religion benachbartes Gebiet,
das es zu gewinnen und vor allem zur apologetischen und erzieherischen Arbeit
auszunutzen galt. Man sieht die Kunst in ihrer Eigenart neben dem Christentum
stehen und noch nicht in ihm. Man spricht von Wechselbeziehungen zwischen
Religion und Kunst, von "Zwei Welten, die groß und schön
zusammenfließen sollen." Man steht der Kunst werbend gönnerhaft
gegenüber, bisweilen auch wie einem Nebenbuhler, den es zu gewinnen gilt.
Jedenfalls wagt man nicht, in die Eigengesetzlichkeit, die Autonomie der Kunst,
die sich ihre angebliche Freiheit errungen hatte, einzugreifen. Die Distanz, die
man spürt, wird in jedem Falle eingehalten. Erst die neuere Zeit hat ein
Empfinden dafür geweckt, dass die Werke der Kunst und des Handwerkes zur
Äußerung der Kirche und zur Darstellung ihrer Verkündigung
selbst werden können. Vor allem seit dem Wirken Rudolf Kochs ist der Sinn
dafür geweckt worden, dass einmal die Kunst nicht zur Verkündigung
vermitteln oder vorbereiten kann, sondern selbst Verkündigung sein kann,
kein irgend welchem Zwecke verbundenes Handeln, sondern eine selbstständige
Äußerung der Anbetung. Auf der anderen Seite ist ihre Rolle im Rahmen
kirchlichen Handelns durch Rudolf Koch richtiger gesehen und eingeordnet worden
als eine durchaus dienende und insofern nur dem liturgischen Handeln selbst
untergeordnete. "Diese unsere kirchliche Kunst", sagt Koch, "ist durchaus
dienender Natur. Wir dürfen es nicht unternehmen, auf irgend eine Weise
einen besonderen Eindruck zu machen, auch wenn es noch so sehr im Sinne der
Kirche gemeint wäre. Die ruhige Erscheinung eines Kirchenraumes darf durch
diese unsere Zutat nicht gestört werden, wir tun genug, wenn wir uns von
den überlieferten Formen und Ordnungen leiten lassen. Wir sollen dem
Gottesdienst nichts vorweg nehmen wollen, unsere Arbeiten sollen auch in keiner
Weise auffallen. Umso mehr darf man beim näheren Zusehen die Liebe und
Dankbarkeit erkennen, die die Herzen derer bewegt haben, die da am Werk
waren."
Darum geht es auch gar nicht um eine Anerkennung oder Ehrung
der Kunst in diesem unserem Rahmen, sondern um die Erkenntnis und Ehrung Gottes
durch die Kunst. Auch haben wir nicht Werke im Auge, die irgendwie eine
christliche Thematik zeigen, sondern solche, die der Verkündigung und
Vergegenwärtigung des Evangeliums unmittelbar dienen können: Es geht
im Grunde nicht um christliche Kunst, sondern um die Kunst der
Christenheit.
Dass nun heute wieder die Aufgabe der kirchlichen Kunst gerade
von der Seite der Inneren Mission angefasst wird, - und zwar nicht nur bei uns
in Sachsen, - ich könnte auch auf die Werkstätten der Anstalten von
Bethel und Spandau verweisen - in dieser Verbindung zwischen Kunst und Innerer
Mission liegt ein beachtlicher Zusammenhang, der weit über eine historische
Anknüpfung hinaus Bedeutung hat: Man sieht die innere diakonische
Beziehung, Kunst gehört in den Dienst! So sehr die Innere Mission von jeher
der Ort der Kirche gewesen ist, an dem die Not unmittelbar gesehen und
angegriffen wurde, ist sie immer zugleich auch das offene Fenster der Kirche
gewesen, das den mannigfachen Kräften, die der Kirche zuwachsen, Einlass
gewährt und ihnen ihren Dienst angewiesen hat. Sie hat auf der einen Seite
die Sendung der Kirche an den Menschen und Berufsgruppen ernst zu nehmen, und
sie ist immer noch der Pflanzgarten der neuen Kräfte, die sich dem Dienst
am Herrn verschenken wollen. Zu diesen Kräften der Kirche in der Gegenwart,
die eine lebendige Substanz spüren lassen, gehört zweifellos die
Arbeit der Künste, die der Musik, der Dichtung und eben auch der bildenden
Künste und des Handwerkes.
Vor kurzem erst hat Martin Doerne auf einige untrügliche
Symptome christlicher Substanz in unserem Volke hingewiesen und hat dabei neben
dem prophetischen Durchbruch zur Ursprünglichkeit des Evangeliums in der
dialektischen Theologie, neben der ökumenischen Bewegung, einer
charismatischen Diakonie, das Hervortreten einer christlich geprägten Kunst
genannt. Wir sollten unsere Augen dafür offen haben und immer wieder
Ausschau halten nach den Kräften, die uns von außen zuwachsen, und
sollten dabei doch von der Sorge bewegt sein, diese Kräfte in der Kirche zu
beheimaten, und ihnen helfen, Heimatrecht in der Kirche zu gewinnen. Damit
wäre nun die Weite der Aufgabe des Kunstdienstes umrissen. Man kann diesen
Dienst in der Inneren Mission als einen zwiefachen sehen:
Es ist am christlichen Künstler, der heute in einer ganz
besonderen inneren und äußeren Notlage steht, und es ist der Dienst
an der Kirche, der es die Werke des christlichen Künstlers zu vermitteln
gilt.
Die eine Aufgabe ist eine missionarische im Sinne der
Volksmission, die andere eine der Inneren Mission im echtesten Sinne, indem
nämlich dieser Dienst auf das Zentrum kirchlichen Handelns im Gottesdienst
gerichtet ist. Bereits in den Grundgedanken des von Wichern gegründeten
Vereins für religiöse Kunst ist diese doppelseitige Aufgabe an der
Kunst erkennbar, wie aus einer Entschließung von 1854 zu entnehmen ist:
"Es sei die Aufgabe der Inneren Mission, sowohl das in den bildenden
Künsten neu erwachte Leben für die christliche Gemeinde fruchtbar zu
machen als auch der Kunst und den Künstlern die durch diese Verbindung
bedingte äußere und innere Förderung zuzuwenden."
Lassen Sie mich von beiden nacheinander sprechen.
I.
Sie hat die Sendung der Kirche an den Menschen ernst zu
nehmen, und sie ist immer noch der Pflanzgarten der neuen Kräfte, die sich
dem Dienst am Herrn verschenken wollen. So möchte ich den Dienst der
Inneren Mission an der Kunst als einen zwiefachen gesehen wissen. Es ist der
Dienst am christlichen Künstler, der heute in einer ganz besonderen Notlage
steht, und es ist der Dienst an der Kirche, indem sie ihr die Werke des
christlichen Künstlers vermittelt und ihnen den Zugang zu ihrer
eigentlichen Bestimmung, dem Gottesdienst, erleichtert. Die eine Aufgabe ist
eine missionarische Aufgabe im Sinne der Volksmission, die andere eine der
Inneren Mission im echtesten Sinne, indem nämlich dieser Dienst auf das
Zentrum des kirchlichen Handelns schlechthin gerichtet ist. Lassen Sie mich von
beiden nacheinander sprechen.
I. Es hat sich herausgestellt, dass die Arbeit einer Inneren
Mission an der Kunst, d. h. an den Künstlern, eine besonders dringende und
notwendige ist. Die äußere und innere Not, leibliche, seelische und
geistige Not des gegenwärtigen Künstlertums ist ganz
außerordentlich, und sie ist bisher noch kaum gesehen, geschweige denn
behoben worden. Es hat wohl schon immer die Kunst unter dem Zeichen der Armut
und des Opfers gestanden. Nun ist aber die Not des künstlerisch Schaffenden
in der heutigen Zeit nicht mehr zu vergleichen mit der anderer Zeiten, sie ist
abgründiger und radikaler geworden, und in ganz besonderer Weise bei den
Künstlern, denen die Gestaltung ihres Glaubensinhaltes Lebensaufgabe
bedeutet, und die sich nicht an einträglichere Aufgaben verloren haben.
Diese Not ist vor allem nach 3 Seiten hin gezeichnet. Es ist einmal die
äußere Existenznot, die offen zutage liegt, es ist zum Zweiten die
geistige Not der Unsicherheit des künstlerischen Schaffens in unserer Zeit,
die durch kein einigendes Band eines gemeinsamen Kulturwillens gehalten wird,
und es ist schließlich die seelische Not der Einsamkeit und Isolierung, in
der sich gerade heute dieser Stand befindet.
1. Es gibt keinen Beruf heute, der so auf Gnade und Ungnade
dem Existenzkampf ausgeliefert ist wie der künstlerische. Da es häufig
so ist, dass selbst die Vorteile, die in anderen Berufen durch
Berufsgenossenschaften und Arbeitgeber für den kirchlichen Künstler
weithin fortfallen, sollte sich die Kirche in irgendeiner Weise verpflichtet
fühlen, wenigstens sie drängendste Not dieser Menschen mitzutragen,
und das kann sie beim Künstler nicht anders, als dass sie ihn arbeiten
lässt. Er will keine Almosen, er will Aufträge. Es geschieht in
vielfacher Weise, dass sich verständnisvolle Pfarrer um die
Kunstschaffenden in ihrer Gemeinde besonders bemühen und bisweilen mutig
das Wagnis eines neuartigen und vielleicht einzigartigen Werkes in ihrer Kirche
verteidigen. Ich könnte Ihnen hierfür eine ganze Reihe von Beispielen
nennen. Es sind diese Versuche, Werke echter Verkündigung der Kirche
dienstbar zu machen, umso höher einzuschätzen, als weithin das
Kirchenvolk sich leiten lässt. Dass in ihrer Not und in ihrem Auftrag die
gegenwärtige Gemeinde in einer einzigartigen Situation steht, sollte auch
den Sinn dafür wecken, dass die Werke der Kunst, die diese Einzigartigkeit
spiegeln, von besonderer Bedeutung für die Zeit sind. An ihnen können
wir uns die Sinne für die geistliche und existentielle Situation
schärfen. Um dieses deutlich zu machen, weise ich auf die besondere
Beziehung hin, die unserer Generation zum Zeichen und Symbol hat, wie es auch
die Urchristenheit gehabt hat.
Leider aber ist die Bereitwilligkeit, Werke der
gegenwärtigen Kunst der Gemeinde zugänglich zu machen, noch sehr
schwach, und im Ganzen hat der Mangel an Auftragserteilung schwerwiegende
Gründe, die nicht nur in der Armut und Mittellosigkeit der Gemeinden
liegen. Sie liegen vielmehr in einer tiefen Entfremdung der Gemeinde von den
Künstlern, und der Künstler von der Gemeinde.
Das Kirchenvolk hat den lebendigen Wert eines
künstlerischen Zeugnisses in der Sprache der Zeit noch nicht recht erkannt.
Dazu steht es noch zu stark unter dem Einfluss einer Kunst, die aus dem
Empfinden bürgerlicher Sicherheit und kleinbürgerlicher Anschauungen
oft genug einer flachen Vorstellung christlicher Verkündigung Vorschub
leistet. Die allzu glatten, sanften, oft süßlichen Bilder der
Epigonen des Nazarenertums aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
beherrschen noch weithin die Geschmacksvorstellungen des Kirchenvolks. Es fehlt
ihm noch der Zugang und das rechte Verständnis dessen, was heute Gestalt zu
gewinnen sucht und das sich, - wie ich meine - in dem neuen Kirchenlied, dem
neuen Kirchbau ebenso ausprägt wie in gewissen Werken christlicher Kunst,
die auf das Liturgische, den Gottesdienst, gerichtet sind. Auch im Bilde
müsste den Gemeinden klar werden, von welcher Größe und Weite
ihr Auftrag in der Zeit ist, und wie wenig sich christliches
Selbstverständnis mit kleinbürgerlicher Sekurität und
sentimentaler Gefühlsseligkeit verbinden lässt. Die großen
christlichen Inhalte, die Gestalt des Herren, der Engel, der Apostel sind durch
eine vorangegangene Zeit so verharmlost, geradezu verniedlicht worden, dass es
an der Zeit ist, neuen Ausdrucksformen Zugang zu verschaffen.
Auf der anderen Seite steht der Künstler der Gemeinde oft
gerade aus diesem Grunde in einer achtungsvollen oder gar verächtlichen
Distanz gegenüber - jedenfalls mit Abstand. Er steht noch allzu stark in
den Vorstellungen seiner so genannten künstlerischen Freiheit und der
Eigengesetzlichkeit seiner Ausdrucksmittel, die ihm häufig genug das
Verständnis erschweren. Er hat noch keinen rechten Zugang zur Gemeinde
gefunden, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Er scheint sich in einer
blendenden Isolierung seines eigenen Glaubens wohler zu fühlen, und ihm
wird das Selbstopfer der Einordnung in die Gemeinde umso schwerer werden, als er
von jeher ein Mensch ist, der stärker als andere aus eigenen Vorstellungen
lebt.
Der Kunstdienst wird seine Aufgabe darin sehen, einmal das
Verständnis heutiger lebendiger Kunst durch Ausstellungen, Vorträge,
Führungen und Unterweisungen zu erschließen, sowie den
Kunstschaffenden den Zugang zur Gemeinde zu erleichtern und das Gespräch
zwischen Kunst und Kirche zu pflegen.
2. Damit haben wir bereits einen Weg angedeutet, der aus der
Not künstlerischer Existenz heute herausführen könnte, und zwar
nicht nur der äußeren materiellen, indem dem Künstler
Aufträge zuteil werden, sondern vor allem auch aus seiner geistigen und
seelischen, in der er im Allgemeinen steht:
Er leidet heute unter den verhängnisvollen Nachwirkungen
einer Kunstentwicklung, die sich nach und nach von der Mitte des Lebens
gelöst und unter Proklamierung der künstlerischen Autonomie und
Freiheit zu einer grenzenlosen Zersplitterung und Zerspaltung der
künstlerischen Kräfte geführt hat - und im Grunde ist diese
Zerspaltung nur ein Symptom unserer gegenwärtigen geistigen Situation in
der Loslösung von der Mitte alles Lebens. -
Die Folge liegt klar zutage. Die Gestaltungskraft ist
erschöpft, die naive Stilsicherheit früherer Zeiten einer
verhängnisvollen Labilität, Stilverwirrung, gewichen, der Zerfall
äußerer Lebensformen und die Unmenschlichkeit der Ausdrucksformen
sind sicherer Zeichen für diese verhängnisvolle innere Lage, in der
sich eben nicht nur der Künstler befindet. "Der Verlust der Mitte"
heißt das vielbeachtete Buch eines Kunsthistorikers, Sedlmayr, der in
dieser künstlerischen Entwicklung und dem Stilverfall seit etwa 100 Jahren
einen Spiegel der menschlichen Entwicklung in ihrer Krankheit zum Tode sieht. Es
wird alles darauf ankommen, die Gebiete des menschlichen Lebens wieder auf diese
Mitte zurückzuführen, menschliches Handeln und Denken gleichsam zu
orientieren, d. h. auf jene Richtung hinzuweisen, von der allein das Heil kommt.
Und so wird es uns darauf ankommen, der Kunst diese Mitte aufzuweisen, die
allein wir Christen benennen können, da uns das Zeugnis dieser Mitte
aufgetragen ist.
Wie sehr der heutige Künstler unter der Zersplitterung
und Unsicherheit schöpferischen Tuns leidet, weiß jeder Einsichtige.
Gerade denen, die ein waches Organ für diese ihre Situation haben, wird das
Schaffen sehr viel schwerer sein als etwa denen, die aus einem kindlichen
Glauben in dem besten Sinne naiver Sicherheit ihren Weg gehen. Die Reflexion und
Problematik ist immer ein starkes Hemmnis für echte künstlerische
Produktion und gläubige Hingabe noch immer ihre beste
Voraussetzung.
Es kann aber der Kunst im Grunde niemand anders helfen als die
Kirche, die allein noch von der Mitte alles Lebens weiß und die allein die
Wege aufzeichnen kann, auf denen echte Sammlung, Hingabe und Freudigkeit
möglich sind. Gehilfen der Freude sollen auch wir denen sein, die nach
solchen Dingen Ausschau halten.
Zu dieser Führung und Hinweisung auf die Mitte des Lebens
bedarf es aber zunächst der Liebe. Die Künstler brauchen unsere Liebe
wie kaum ein anderer Stand. Und das heißt, Liebe zu ihrer Kunst, zu ihrer
tastenden, suchenden Sprache der Hände, die doch, wenn sie echt ist und aus
christlichem Geist erwachsen, das Kirchenvolk erreichen möchte. Die
Künstler brauchen die Liebe gerade auch zu ihrer angefochtenen,
zwiespältigen - wie könnte es anders sein in unserer Zeit - ja sogar
fragwürdigen Kunst, zu dem Stammeln des trostbedürftigen Herzens,
Liebe auch zu ihrer Dienstbereitschaft, die aufgenommen sein will von uns. Die
Liebe, die wir zu geben vermögen, muss ihnen aber auch das Wort der
Wahrheit sagen, auch das Wort kritischer Weisung und fester Führung. Man
kann in dieser Arbeit stark unter der Frage stehen, ob es sich überhaupt
lohne, für diese Sache einzutreten, die gerade heute von vielen Seiten her
anfechtbar ist. Aber so, wie sich der mannigfaltige Dienst der Inneren Mission
auch nicht dem Starken, sondern dem Schwachen zuwendet und in der Nachfolge des
Herrn, der den Sündern und Zöllnern mehr zugetan war als den
Pharisäern, da seine Kräfte verschwendet, so will auch die junge,
tastende kirchliche Kunst unserer Tage von uns ergriffen sein, weil wir
spüren, dass ihr Auftrag ein echter ist, weil wir spüren, wie viel
echte Gottesbegegnung in ihr zum Lichte drängt.
In dieser Liebe wird es aber darauf ankommen, den
Künstlern mit ganzem Ernst die Gründe ihrer geistigen Not aufzudecken
und die verhängnisvolle Selbstsicherheit einer entwurzelten und sinnlos
gewordenen Haltung zu zerstören. Es wird unsere Aufgabe sein müssen,
den Menschen, denen Gott die Gabe der schaffenden Hände gegeben, wieder
ihren Platz in der dienenden Gemeinde anzuweisen und ihnen jede geistliche und
menschliche Arroganz zu verwehren.
3. Nur so ist auch schließlich der anderen, der
seelischen Not zu begegnen, die in der Einsamkeit und Isolierung gerade des
Kunstschaffenden liegt. In seinen Eingebungen und Empfindungen wird er immer
stärker im Persönlichen verhaftet sein als der Durchschnittsmensch, da
ja die persönliche Erfahrung der Quell seines Schaffens ist. Nun hat aber,
wie wir schon gezeigt haben, die neuere Kunstentwicklung zu einer
Überschätzung der personalen Äußerungen geführt, die
ihr keineswegs zusteht, und die Größe dessen, was
überpersönlich durch das Medium der Kunst hindurch sprechen will,
verdunkelt. Nun sieht sich freilich der Künstler gegenüber der
grausigen Uniformierung und Gleichschaltung aller menschlichen
Lebensäußerung auf einem verlorenen Posten, einsam gegen die graue
Welle, die sein Werk und ihn selbst hineinreißen will in das
unterschiedslose Tun der Masse. Insofern ist die starre Selbstbehauptung der
Haltung gerade der schöpferischen Menschen in gewisser Weise zu verstehen.
Nun gehört aber zu einer echten Sinnerfüllung der Kunst und des
Lebens, dass sie in einer gesunden Beziehung zum Nächsten steht. Das Werk,
das geschaffen wird, muss ja auch abgenommen werden. Ein Werk, das von
vornherein nur auf sich selbst gerichtet ist, ein Schaffender, der nur sich
selber spiegelt, wie Narzis in der Quelle, trägt das Zeichen der
Unfruchtbarkeit an sich, und sein Tun ist im Grunde sinnlos. Sinngebung kann es
nur geben in Bezug auf Gott und in Bezug auf den Nächsten.
Die Bedrohung der künstlerischen Existenz durch die
seelische Not, der Einsamkeit und Isolierung, kann nur überwunden werden im
Hinblick auf den, der uns seine Gemeinschaft schenkt und unter dessen
Kräften wir zu echter Gemeinschaft geführt werden.
So schwierig die Aufgabe auch sein wird, so ist sie doch die
innerste dieser ganzen Arbeit: den Künstler zur kirchlichen Sitte und
Ordnung zurückzuführen. Die Aufgabe der Kirche an den Ständen hat
bereits Wichern gesehen. Sie ist es, die jeden Stand seinen gottergebenen Dienst
anweist und die ihm in seiner dienenden Haltung gerade seine Ehre
zurückgibt. Der falsche Ehrgeiz, der gerade häufig bei Künstlern
und Halbkünstlern einer echten Einordnung widerstrebt, kann nur
überwunden werden durch eine gemeinsame Neubesinnung unter dem Wort. Eine
Besinnung um den Dienst alles menschlichen Tuns unter dem Kreuz: Je selbstloser
und selbstvergessener er geschieht, umso segensreicher kann erwirken. Rudolf
Koch. dem selbst der Begriff "Künstler" schon anrüchig war durch die
Belastung seines Geltungsanspruches, hat einmal gesagt: "Wir sind nur Handwerker
und haben dem Tage zu dienen" oder "Wir sind keine Einzelmenschen, sondern eine
Gemeinschaft."
Es ist überraschend, dass bereits Wichern einer solchen
echten Einordnung des Künstlertums in das Handwerkertum ganz im Sinne
Rudolf Kochs das Wort geredet hat. In seiner Denkschrift an die deutsche Nation
schreibt er: "Man gebe dem Handwerkerstand seine eigentümliche Ehre und
bringe ihm diese zum Bewusstsein, nicht im Geiste des Übermutes, wie der
Frevel es tut, sondern im Geist der christlichen Demut, wie die Wahrheit und
Liebe es fordert, und der Handwerker wird nicht mehr Künstler heißen
wollen, sondern dem Künstler seine Ehre lassen. Aber beide - Handwerk und
Kunst - werden den zerrissenen Bund wieder erneuern können, durch den in
den alten Tagen unseres Volkes das Handwerk so geehrt und die Kunst so
mächtig und volkstümlich ward. In diesem Geiste, so hoffen wir, wird
die Innere Mission sich einst noch die Aufgabe gefallen lassen, sich der
handarbeitenden Klassen im weitesten Sinne anzunehmen" (Zitat: Die Innere
Mission - Agentur Hamburg S. 140).
Dass die Künstler selber bereits diese Einordnung suchen,
das zeigen deutlich die Gemeinschaftsbildungen ihrer Kreise in den
Werkgemeinden, die aus dem echten Verlangen erwachsen sind, sich
zusammenzuschließen und der Kirche anzuschließen.
II.
1. Es wird deutlich geworden sein, wie sehr dieser Dienst
gegenüber der Kunst und den Künstlern vonnöten ist, und es ist
daran zu erinnern, welche seine eigentümliche Aufgabe auch an der Kirche
ist. Man kann die Aufgabe des Kunstdienstes an einem Bilde klarmachen. Es gibt
vor allem in der alten Architektur einen Baukörper, der den Namen Dienst
trägt. Es ist der Stein, der zwischen dem Säulenschaft und den aus ihm
in die Wand schwingenden Bogen die lastenden und tragenden Kräfte
auffängt und leitet. Solcherweise will der Kunstdienst einmal die
Kräfte der Kunst dem Säulenschaft der Kirche zuleiten und die
tragenden Kräfte der Kirche der Kunst vermitteln, ohne etwas anderes dabei
im Sinne zu haben als eben diese dienende Funktion, und wir haben mit vollem
Bedacht deshalb den Namen des Kunstdienstes für unsere Arbeit wieder
aufgegriffen.
Kunst wird von der Kirche nicht getragen, weil sie etwa ein
liebhaberisches Interesse für sie hätte oder ihre Leistung vielleicht
als erzieherisch oder dekorativ anerkennt, sondern weil sie den Dienst der Kunst
braucht: Sie braucht ihn zur Anbetung, zum Gottesdienst, zum Zeugnis und zur
Verkündigung. Das haben die Männer der Inneren Mission von jeher
erkannt, unter ihnen vor allem Wilhelm Löhe, der in besonderer Weise den
Dienst der Paramentik in den Stätten der Inneren Mission beheimatet hat.
Aber weit darüber hinaus haben er und andere bedacht, dass nicht nur der
Kirchenraum, sondern im Grunde jedes Haus und jedes Heim einer
verantwortungsbewussten Gestaltung bedarf gerade, weil die Innere Mission auch
für das seelische Wohl und Wehe der Menschen sich verantwortlich
weiß. Die Wirkungen, die ein Raum und seine Gestaltung auf Menschen
auszuüben vermag, sind kaum zu überschätzen. Man kann einen
Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt, und man kann ihm
umgekehrt eine Hilfe zur Freude und neuer Lebenshoffnung dadurch bieten, ohne
dass es ihm bewusst wird. Wie sehr braucht gerade die Innere-Missions-Arbeit,
die häufig in einer erbärmlichen, trostlosen und hässlichen
Umgebung verrichtet werden muss, diese Mittel, die häufig so einfach zu
erreichen sind und so wenig erkannt werden. Ein heller Raum, ein freundliches
Bild, eine schöne Anordnung der Gebrauchsgegenstände, das alles kann
geradezu heilsam wirken und gehört für die Mitarbeiter und Pfleglinge
der Inneren Mission zu den Dingen, die besonderer Beachtung wert sind. Aber noch
wichtiger als dieses erheiternde Moment zur Freudigkeit erscheint die
Möglichkeit durch die Handwerksgestaltung und die Kunst das Erhabene und
Heilige in den grauen Alltag hineinklingen zu lassen, der Hinweis auf die
österliche Gegenwart Christi. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein,
und die Seele des Menschen ist gerade von der sichtbaren Umgebung und von den
Bildern, die ihre Wirkung ausstrahlen, abhängig. Das sind keine
Äußerlichkeiten, sondern Dinge, die zum Wohl und Wehe unseres Lebens
beitragen können.
Der Dienst, den die Kunst und das Handwerk hier leisten kann,
ist weithin noch ungenutzt gerade in der kirchlichen Umgebung. Hier heißt
es, die Fenster weit öffnen und einer frischen, gesunden, lebensnahen,
christlichen Haltung den Weg bahnen in einer Art christlichen Wohnkultur. Der
kirchliche Muff, das Verstaubte und Unschöne kirchlicher Räume kann
oft mehr zerstören und ersticken als das gut gemeinte Wort in solchen
Räumen aufbaut.
2. Was wir aber erhoffen und wünschen für die Kirche
in allen ihren Räumen ist nicht nur eine schlichte, sondern auch eine heile
Kunst. In einer so heillosen Zeit wie der unseren steht das Verlangen nach
Kräften der Heilung. Eine Kunst aber, die eine heilsame Wirkung ausstrahlen
kann und nicht solche der Verwirrung und Beunruhigung, muss in sich heil sein.
Wenn sie Kräfte des Heiles vermitteln soll, muss sie selbst aus solchen
Kräften erwachsen. Ebenso wenig aber wie es ein heiles Werk des Menschen an
sich gibt, ja nicht einmal ein heiles Werk der Kirche oder der Inneren Mission,
sondern es immer nur aus der Quelle alles Heils begnadet und gesegnet sein kann,
so gibt es auch keine heile christliche Kunst an sich: heile Kunst ist immer
begnadete Kunst, und sie kann nur verstanden werden als das Mittel, dessen sich
Gottes Barmherzigkeit im Geist bedient. So wenig man nun unter dem heilen Bild
nur eines beruhigter und harmloser Sicherheit verstehen muss, so wie es bis auf
Rudolf Schäfer die ganze christliche Kunst des 19. Jahrhunderts war, so
sehr auch das aufrüttelnde und erschreckende Bild heilsam sein kann, weil
es die Hintergründe unseres Lebens aufdeckt, oder weil es vielleicht die
Kräfte unseres Herzens weckt -, so deutlich wird doch von daher eine Grenze
gezogen gegen alle nur morbide und kranke Kunst, die im Untermenschlichen
wurzelt. Die Bilder eines Muntschick, Barlach oder Wilhelm groß
können sehr wohl mit großem Ernst etwas von der menschlichen
Situation aussagen in ihrer Blöße und Verworfenheit, in ihrer
einzigen Hoffnung auf Heilung, auch wenn sie zunächst manchen
abstoßen mögen. Aber man muss bei dieser Art expressiver
Ausdruckskraft spüren, dass sie selbst aus der Quelle alles Heiles, der
Heiligung stammt. Der Kern christlicher Kunst liegt deshalb nicht im Werk an
sich, sondern im Künstler, in seinem Auftrag von Gott her: Es gibt im
Grunde keine christliche Kunst, sondern es gibt nur eine Kunst christlicher
Künstler. Deshalb ist eine solche Kunst nicht nur diakonisch zu verstehen,
wie wir aufgezeigt haben, oder liturgisch, wie wir aufzeigen werden, sondern
kerygmatisch: Kunst ist Zeugnis eines von Gott angefassten und begnadeten
Menschen. Christlicher Künstler sein heißt Zeuge Christi
sein.
Dass gerade dieses Moment christlicher Kunst heute so
eindrucksvoll in Erscheinung tritt, dass christliche Bilder nicht nur aus dem
Illustrationsbedürfnis oder aus dem Gesichtspunkt christlicher Unterweisung
her gesehen sein wollen, sondern als ein Zeugnis, das ist wohl eine der
stärksten Hoffnungen, die sich uns mit dieser Kunst verbinden.
Es ist eine höchst bedeutsame Tatsache der Zeit, dass aus
Kunst und Wissenschaft ein christliches Zeugnis aufkommt, das nicht von der
Kirche her in die Welt hinein, sondern aus der Welt bis an die Tore der Kirche
dringt, und ich meine recht zu sehen, wenn ich sage, dass auch von der Kunst her
die Kirche gefragt ist und zu antworten hat, dass sie die eigenartige Weise
dieses Zeugnisses zu prüfen hat und ihr eigenes Zeugnis daran zu messen.
Nicht nur die Kirche hat eine missionarische Aufgabe an der Kunst, nein auch die
Kunst hat eine Mission an die Kirche. Das ist die innere Mission mit umgekehrten
Vorzeichen.
3. Gerade um den letzten und größten Dienst, den
die Kunst der Kirche leisten kann, den liturgischen, haben sich die christlichen
Künstler fast gründlicher und leidenschaftlicher bemüht als die
Theologen. Dass christliche Kunst sich selbst als ein dienendes Glied
gottesdienstlichen Geschehens betrachtet und keinen anderen Ehrgeiz hat, als in
seiner Weise an diesem gottesdienstlichen Geschehen Anteil zu haben, dass alle
kirchliche Kunst schließlich im Gottesdienst, in der Anbetung der Gemeinde
ihren eigentlichen Ort findet, an dem sie allein wirkliches Daseinsrecht hat,
diese wesentliche Erkenntnis ist im Großen und Ganzen aus der Kunst selber
erwachsen, vor allem aus der schon erwähnten Rudolf Kochs.
Wer seine Hand an das Werk der kirchlichen Kunst legt, muss
also wissen und weiß wohl auch, dass er genau so wie der Prediger unter
der Verpflichtung der reinen Lehre und des reinen Gottesdienstes steht. Diese
Verpflichtung schließt aber die höchste Freudigkeit zum Werk in sich.
Das Kunstwerk darf selbst Anbetung, Lob und Dank werden. "Das ist der
schönste Anlass für die Pflege der Kunst" bekennt Rudolf Koch, "wenn
ein von Dankbarkeit überfließendes Herz den schönen
Gottesdiensten des Herrn eine Zierde und einen Schmuck verleihen möchte. Da
loben die Hände der Werkleute den Namen des Höchsten mit der reinsten
Freude, und jeder, der das fertige Werk sieht, geht gesegnet davon, und sei es
nach 1000 Jahren".
In dieser Weise ist kirchliche Kunst eine gebundenen Kunst,
die in der Einfügung des Gottesdienstes seine höchste Ehre sieht.
Gerade in dieser Bindung aber kann sie zur schönsten Freiheit erweckt
werden. Sie gibt ihr den schönsten Adel, den eine Kunst tragen kann: dem
Lobe Gottes zu dienen. Von da aus scheint freilich die dienstbereite Übung
edlen Handwerkes heute oft mehr Berechtigung zu haben als die Werke der freien
Kunst in ihrem Anspruch auf eigene Geltung, da sie sich widerstandsloser
einfügen.
*
Noch ist unsere kirchliche Kunst in jeder Weise eine Kunst
auf Hoffnung. Da, wo sie echt ist, wartet sie auf die Zeichen der Begnadigung
und Erlösung, und wir leider noch unter der Armut der
Verkündigungsvollmacht auch in dieser Hinsicht. Aber wir mögen den
Dienst erkennen, den sie uns anbietet und den wir freudig annehmen. Sie dient
der Freude, der überschwänglichen, einfältigen Freude derer, die
sich in der Gemeinde Christi als die Kinder Gottes wissen. So sollten wir denn
auch das Gottesgeschenk der Kunst mit einfältigem Herzen als einen Reichtum
annehmen, dessen wir uns freuen dürfen, und ihr Raum geben in unseren
Häusern, Stuben und Kirchen. größer als alle Kunst, die doch
Menschenwerk bleibt, ist immer Gottes Wort, und so möge denn am Schluss das
Wort Löhes stehen:
So hell und schön die Kirche immer sei, weit über
ihr schwebt ja doch ihr festes prophetisches, ihr apostolisches Wort, ihr helles
Licht, in welchem der Herr selber kommt, zu erleuchten alle, die in die Welt
kommen.
-~-
Vorsicht ! Bisher nur erste
Tippfehlerkorrektur erfolgt ! (AG)
Vom 11. Dezember 1951 (ABl. 1951 A 99)
3322/87; 2451/63; 2417
Es gehört zu den Zeichen einer wiedergeweckten
Verantwortung kirchlichen Bewusstseins, wenn die Gestaltung und Auswahl
kirchlicher Blätter und Urkunden nicht allein dem persönlichen
Geschmack oder dem Zufall anheim gestellt wird. Kirchliche Urkunden und
Gedenkblätter erreichen fast alle Gemeindeglieder. Von allen kirchlichen
Druckerzeugnissen haben sie den weitesten Wirkungsradius. Ihre Breitenwirkung
ist daher kaum zu überschätzen. Vielfach bildet sich unbewusst an
ihnen die Vorstellung kirchlicher Gestaltungsfähigkeit, Freude und
Bereitschaft zu kirchlichen Handlungen. Kindergottesdienst- und
Konfirmandentestate, Gedenkurkunden zur Konfirmation, zur Trauung oder den
Traujubiläen sind bei geeigneter Ausstattung eine volksmissionarische Hilfe
erster Ordnung. Häufig werden Urkunden als Hausschmuck verwendet und geben
einem christlichen Heim das Gepräge. In den Scheinen und Urkunden kann sich
das kirchliche Leben in seiner ganzen Vielfalt spiegeln: Kinder und Konfirmanden
werden bei ihrer Bildfreudigkeit genommen und zum Besuch von
Schulanfängergottesdienst, Kindergottesdienst, Christenlehre und
Gemeindegottesdienst genötigt. Taufeltern und Paten werden an ihre
Christenpflicht erinnert. Traupaare festigen in Bild und Wort die Erinnerung an
ihre Einsegnung. Kranke und Trauernde erhalten ein Wort des Trostes, das -
durchs Bild bereichert - den seelsorgerlichen Zuspruch unterstützt. Das
Kirchenjahr in seinem reichen Sinngehalt wird Kleinen und Großen lebendig
und anschaulich gemacht durch Jahreslosung, Spruchkarten, Bild und
Symbolzeichnungen. Alles in allem steht den Pfarrämtern ein reicher Schatz
der Verlebendigung und Einprägung kirchlichen Lebens zur Verfügung,
der in seiner ganzen Fülle Beachtung verdient und genutzt werden
sollte.
Es ist anzuerkennen, dass einige Verlage und Künstler
diesen stillen und wichtigen Dienst für die Kirche versehen. Je
verantwortungsvoller und gewissenhafter aber das geschieht, umso mehr wird ein
solcher Dienst die fragwürdigen Zeugnisse kirchlichen Kitsches langsam
verdrängen.
Der Kunstdienst der Landeskirche hat die Aufgabe, auch dieses
kirchliche Kunstschaffen zu betreuen. Er ist im Besonderen beauftragt, alle
Druckerzeugnisse, die der kirchlichen Arbeit dienen, zu begutachten (vgl.
Verordnung vom 2. September 1950 - Amtsblatt 1951 Seite A 1 unter II Nr. 1 -
Abs. 2 Nr. 1-2).
Dementsprechend werden die Pfarrämter und die anderen
kirchlichen Dienststellen verpflichtet, vor der Deckung ihres Bedarfs an solchen
kirchlichen Zeugnissen und Urkunden, an Gedenkblättern, künstlerisch
gestalteten Grußblättern und Verteilblättern sowie an
ähnlichen Druckerzeugnissen sich durch den Kunstdienst der Ev.-Luth.
Landeskirche Sachsens in Radebeul 2, Rolf-Helm-Str. 1, beraten zu
lassen.
Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt
Sachsens
D. Kotte