Rudolf Rausch und Horst Rothe
(Die Nachfolgeversion des Programms heißt besser DEUTSCH sprechen)
Das Programm ENDUNG ist eine Gemeinschaftsarbeit von Dr. Rudolf Rausch und Dipl.-Math. Horst Rothe, das 1992 von der Akademischen Software Kooperation der Universität Karlsruhe mit dem Deutsch-Österreichischen Hochschul-Software-Preis und mit dem Sonderpreis für Multimedia ausgezeichnet worden ist.
ENDUNG setzt einen SOUND BLASTER von Creative Labs voraus. Zusätzlich sind Lautsprecher und Mikrofon nötig, um sowohl die gespeicherten Daten als auch die jeweils aktuellen Aufnahmen hörbar zu machen.
ENDUNG ist im eigentlichen Sinne ein Arbeitsergebnis auf der Basis des Autorensystems ENDUNGAS, dem Vorgänger von HyView. Unter Verwendung von ENDUNGAS lassen sich Programme verschiedenster Struktur und mit den unterschiedlichsten Anforderungen für verschiedene Sprachen erarbeiten, die lautsprachliche Ausgabe und Aufnahmemöglichkeiten sowie Präsentation von Musik und Bildern integrieren sollen.
ENDUNG beschreibt die Erscheinungen der deutschen Standardaussprache, vermittelt deren Regeln und Ausnahmen und zeigt dem Lerner, auf welche Weise die jeweilige Erscheinung artikulatorisch zu erarbeiten ist. Das Programm führt den Namen ENDUNG, weil zu Beginn der Bearbeitung die reduzierten Endungen der flektierbaren Wörter das Ziel der Unterweisung waren. Inzwischen befaßt sich das Proramm nicht allein mit Endungen, es beschreibt Einzellaute (Vokale und Konsonanten, das vokalische r), Lautkombinationen, die Auslautverhärtung und die Assimilation der Stimmhaftigkeit ebenso wie Wortakzentuierung deutscher und fremder Wörter oder die Intonation. Das Programm integriert Morphologie und Syntax des Deutschen und offeriert dem Lerner eine Fülle von praktischen Übungen wie zum Beispiel die Verwendung der Abkürzungen, die Aussprache von Namen aller Art, Übungen zur Konjugation (starker und schwacher Verben, der Modalverben, der temporalen Hilfsverben), Übungen zur Bildung der regelmäßigen und unregelmäßigen Imperative, Übungen mit Verben im Indikativ oder im Konjunktiv und viele andere.
Der bestechende Vorteil dieses Programmes gegenüber herkömmlichen Lehrwerken liegt in der Besonderheit der Beispiele bzw. Beispielsätze, die nicht nur orthographisch oder transkribiert vermittelt werden, sondern die zudem beliebig oft "angehört" werden können. Aufnahmen der Ausspracheversuche eines Lernenden sind zu jeder Zeit und nahezu in beliebiger Länge (lediglich beschränkt von der Festplattenkapazität) möglich, so daß er seine Aufnahme sofort mit den im Programm enthaltenen Referenzmustern vergleichen kann. Dabei entfällt lästiges Spulen und Suchen der Beispiele.
Die Programmstruktur erlaubt dem Lernenden, ohne Umwege über ein Register sofort seinen Lerngegenstand zu bestimmen und zu aktivieren und sich mit ihm beliebig lange auseinanderzusetzen. Querverweise gestatten eine tiefergehende Betrachtung und die Integration von Übungen. Zahlreiche Hilfen (ebenfalls in der Mittlersprache) stellen sicher, daß der Lernende die Problematik erfassen kann.
Anfänger beim Erwerb des Deutschen (Ausländer) wären mit diesem Programm überfordert, wenn sie nicht nach dem Programmstart die Möglichkeit hätten, eine "Mittlersprache" zu wählen. Das Programm zeigt danach die Tastenbelegungen, die Online-Hilfen und alle Unterweisungen in der gewählten Mittlersprache, d. h. entweder in Englisch, Französisch oder selbstverständlich auch in Deutsch. Polnisch. Schwedisch, Italienisch, Spanisch und Türkisch sind in Vorbereitung.
Das Programm ENDUNG verwendet einen eigens daür generierten Transkriptionszeichensatz auf der Basis des Internationalen Phonetischen Alphabets in der redigierten Fassung von 1989 und erklärt die einzelnen Zeichen in tabellarischen Übersichten sowohl in Hinblick auf die orthographische Repräsentation, als auch auf die positionellen und lautnachbarschaftlichen Besonderheiten und Angleichungen. Die im Text enthaltenen Beispiele können auf Tastendruck hörbar gemacht werden.
Es steht außer Frage, daß die Orthographie im Deutschen nicht wenige Beispiele liefert, in denen keine Eindeutigkeit vorliegt: wachst [vaxst], [vakst]; -in als [in], [i:n] oder mit nasaliertem Vokal; -ier: [-i: ], [-Ie:], [-I ]. Das gilt ebenso für Folgen, die entweder als Cluster über Silbengrenzen hinweg oder nur als Onsets oder als finale Gruppierungen (Codas) gewertet werden: -erst-: "Mauerstein", "forderst", "erstehen", "erstens". Verben, die in Abhängigkeit von der Akzentposition entweder als trennbar oder nicht trennbar gelten, muß der Lernende als zu der einen oder anderen Gruppe zugehörig bestimmen: 'übersetzen - über'setzen.
Die Programmstruktur demonstriert in jedem Falle die Erscheinungsform sowohl in verschrifteter und in transkribierter Form als auch lautsprachlich. Jedes der Beispiele kann gehört werden. Bei Bedarf lassen sich die dazugehörigen Regeln aktivieren. Die artikulatorischen Abläufe stehen im Mittelteil und die Übungen bilden den Abschluß. Das Verhältnis von Schreibung und Aussprache wird von der Transkription und dem lautsprachlichen Referenzmodell verdeutlicht. So vermittelt das Programm Artikulationsabläufe, die dem Lerner helfen sollen, die Reduktion nachvollziehen zu können. Es zeigt sich, daß die multimedialen Möglichkeiten des Rechners weit über konventionelle Darstellungsformen hinausgehen. So lassen sich die Beispiele akustisch beliebig oft vorführen, ohne daß der Lerner den Beginn des Beispiels suchen müßte. Er kann Aufnahmen seiner eigenen artikulatorsichen Versuche machen und sich den Vergleich auf Tastendruck beliebig oft anhören. Der Lernende kann mit einem Partner gemeinsam üben und seine Aufnahmen mit dem Referenzmustern vergleichen.
Das Programm verfügt über einen Algorithmus, der den Formenbestand deutscher Verben im Indikativ (Präsens und Präterium) als auch im Konjunktiv (ebenso im Präsens und im Präteritum) nach Eingabe des Infinitivs auflistet. Die Imperative, die beiden Partizipien und die Form des Infinitiv II weist der Bildschirm ebenso aus. Satzglieder, die der möglichen Valenz des Verbs entsprechen, können als Bestandteil der Infinitivphrase mit eingegeben werden und werden dann in allen vom Algorithmus gebildeten Formen mit berücksichtigt und an der jeweils richtigen Position eingeordnet. Wenn der Lernende eine bestimmte Form eingibt "mit jem. weggehen", dann erhält er für jede Person in den oben beschrieben Formen analog zu "ich gehe mit jem. weg" die jeweilige Form. Dieser Algorithmus berücksichtigt nicht nur unterschiedliche Stammformen (schleifen: schleifte/ schliff, geschleift/ geschliffen), er zeigt auch archaische Konjunktive (gehen: ginge, gänge) oder die Ambiguität in Hinblick auf den Akzent: 'übersetzen- übergesetzt, über'setzen - über setzt. Ständig ist im Deutschen die Bildung neuer Verben zu beobachten, sei es durch Bildung neuer Komposita oder Onomatopoetika, durch Präfigierung, Derivation oder Entlehnung aus anderen Sprachen. Der Verbformengenerator zeigt auch die Formen solcher Verben und geht insofern weit über konventionelle Nachschlagewerke hinaus. Von großem Wert für den Spracherwerb ist es, das alle Formen gezeigt werden, denn durch die wenigen Formen, die in Nachschlagewerken zu finden sind, ist die Formenbildung eines konkreten Verbs oft recht unzulänglich beschrieben und nicht nur für Ausländer in zahlreichen Fällen unklar.
Verschiedene Übungstypen werden vom Programm angeboten, um
das erworbene Wissen festigen zu helfen, einer davon sei hier
exemplarisch herausgegriffen.
Die oberste Zeile des Bildschirms zeigt Übungen an und
offeriert das sogenannte Satzfenster, in dem vom Rechner nach
einer vom Lerner (im Syntaxfenster) einstellbaren Syntax
(Einstellung von Tempus, von Nurmerus, mit oder ohne Modalverb)
ein Satz generiert wird, der aus Subjekt, Prädikat,
Temporal- und Lokalbestimmung besteht. Dies schließt auch
die Transkription dieses Satzes ein und macht auf diese Weise die
Variabilität der artikulatorischen Umsetzung akzentloser
Endungen deutlich. Zwei weitere Zeilen dieses Fensters benennen
die Satzglieder, die den aktuellen Satz konstituieren.
Ein Tastendruck oder Mausklick führt das Referenzmuster
laut-sprachlich vor, wobei die Häufigkeit vom Nutzer
bestimmt wird. Das Programm stellt etwa 1200 Sätze
verschiedener syntaktischer Strukturen vor. Alle Referenzmuster
weisen standardsprachliche Korrektheit auf und werden mit einer
mittleren Sprechgeschwindigkeit von einer männlichen Stimme
(R. Rausch) vorgetragen.
Das Programm gestattet Aufnahmen der Aussprache des Lerners und
das Anhören im Vergleich mit dem Referenzmuster.
Durch Mausklick oder Tastendruck kann das Aussprachewörterbuch aktiviert werden. Ein Teil des Bildschirms zeigt in alphabetischer Reihung alle im Programm enthaltenen Einzelwörter und Phrasen, die sich lautsprachlich beliebig oft vorführen. Der Lernende kann bestimmte Wörter suchen, indem er auf der Tastatur den Anfang der Buchstabenfolge eingibt. Auch an dieser Stelle kann der Lerner Aufnahmen machen und diese wiederum mit dem aktiven Referenzmuster des Wörterbuchs vergleichen.
Das Register erlaubt dem Lernenden, Lernstoff anhand von Stichwörtern zu suchen. Dies ist einerseits hilfreich, um aus der Fülle des angebotenen Lehrstoffs gezielt auszuwählen aber andererseits auch sehr nützlich, um den gesamten Lehrstoff als Nachschlagewerk nutzen zu können. Dies ist interaktiv an jeder Stelle des Programms möglich.
Vielfältige Übungen zu den einzelnen "Schwierigkeiten" der deutschen Lautung bietet das Programm an und offeriert zudem noch die Möglichkeit, alle Einträge transkribiert zu sehen, um Ausspracheschwierigkeiten zu eliminieren, die von orthographischen Interferenzen bestimmt sind. Der ins Programm einzuarbeitende Algorithmus zur automatischem Transkription bildet die Grundlage für die künftige biphonische basierte Sprachausgabe.
seit 04.07.1996