Verbale Gedächtnisspanne und ereigniskorrelierte Potentiale

Klaus Gramann & Bernd Schönebeck

Institut für Psychologie, Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule Aachen
Jägerstraße 17-19, 52066 Aachen
E-Mail: klaus.gramann@post.rwth-aachen.de

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem verbalen Kurzzeitgedächtnis (artikulatorische Schleife). Es werden Befunde von Schönebeck und Sokolov (1998) über systematische Variationen der P200 in Abhängigkeit von der verbalen Kurzzeitgedächtnisspanne repliziert. Das Versuchsmaterial bestand aus Konsonantenstrings, die nach einem Behaltensintervall von 6,5 Sekunden schriftlich in korrekter Reihenfolge zu reproduzieren waren. Die Größe des Gedächtnissets variierte von einembis sieben Konsonanten. Aus dem kontinuierlich aufgezeichneten EEG wurden ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) auf die Darbietung des Gedächtnissets ermittelt. Hypothesenkonform zeigte sich eine höhere P200-Amplitude bei Probanden mit geringer Gedächtnisspanne an den Elektrodenpositionen F3, F4 und C/T3 sowie C/T4. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit ein visuell evoziertes Potential interindividuelle Differenzen des verbalen Kurzzeitgedächtnisses reflektieren kann. Im Rahmen des Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley (1986) wird das verbale Arbeitsgedächtnis in eine phonologische Speicherkomponente und eine artikulatorische Rehearsalkomponente unterteilt. Bildgebende Verfahren (Awh et al., 1996) zeigen dementsprechend einen präfrontalen, sowie einen temporalen Aktivierungslokus. Für eine optimale Funktion des verbalen Kurzzeitgedächtnisses sind diese räumlich distinkten Subkomponenten zu koordinieren. Die erhaltenen Befunde legen nahe, daß die P200-Amplitude mit dem Ausmaß der für diese Koordinierung notwendigen Hemmungsprozesse kovariiert. Die N300-Komponente des auf das Gedächtnisset ermittelten EKP ist in der beschriebenen Reproduktionsaufgabe signifikant stärker ausgeprägt als in einer an den gleichen Probanden durchgeführten Wiedererkennensanforderung. Die zeitlich aufeinanderfolgenden Komponenten des EKP scheinen somit qualitativ unterschiedliche Prozesse der verbalen Informationsverarbeitung zu reflektieren.

Referat in der Gruppe Arbeitsgedächtnis, Mittwoch, 31. März 1999, 14:00, HS 17

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