Abrufmechanismen beim freien Erinnern: eine multinomiale Analyse

Karl-Heinz Bäuml

Institut für Psychologie, Universität Regensburg
Universitätsstraße 31, 93040 Regensburg
E-Mail: karl-heinz.baeuml@psychologie.uni-regensburg.de

Wenn Versuchspersonen kategorisierte Itemlisten frei erinnern, so erinnern sie die Items einer Kategorie in der Regel unmittelbar nacheinander. Diese Beobachtung hat schon frühzeitig zu der Vermutung geführt, daß dieses Erinnern von zwei Abrufmechanismen gesteuert wird: einem Mechanismus für das Erreichen von Kategorien und einem Mechanismus für das Erreichen von Items innerhalb von Kategorien. Ein multinomiales Prozeßmodell, welches das mögliche Zusammenspiel dieser beiden Mechanismen expliziert, wird vorgestellt und anhand der Daten zweier Experimente empirisch geprüft.
In Experiment 1 wurden Versuchspersonen semantisch kategorisierte Itemlisten präsentiert. Zwölf verschiedene Itemlisten wurden konzipiert, wobei über die Listen sowohl die Kategorieanzahl (3-18 Kategorien) als auch die Anzahl der pro Kategorie präsentierten Items (4-8 Items) variiert wurde. Nach jeder Liste sollten die Versuchspersonen die gerade präsentierten Items frei erinnern. Experiment 2 verlief analog zu Experiment 1, nur daß den Versuchspersonen phonetisch-visuell kategorisierte Itemlisten (Reimlisten) anstelle semantisch kategorisierter Listen präsentiert wurden. Wiederum wurden über die Listen sowohl die Kategorieanzahl (3-16 Kategorien) als auch die Anzahl der pro Kategorie präsentierten Items (3-6 Items) variiert.
Das vorgeschlagene multinomiale Modell kann die Daten der beiden Experimente gut beschreiben. Die für die beiden postulierten Abrufmechanismen resultierenden Parameterschätzungen zeigen dabei einige a priori erwartete Regelhaftigkeiten: So sinkt etwa die Erfolgschance für das Erreichen einer Kategorie mit der Anzahl präsentierter Kategorien und die Erfolgschance für das Erreichen eines Items innerhalb einer Kategorie sinkt mit der Anzahl der pro Kategorie präsentierten Items. Über diese erwarteten Regelhaftigkeiten hinausgehend erweisen sich die beiden postulierten Abrufmechanismen dabei als weitgehend voneinander unabhängig.

Referat in der Gruppe Gedächtnis II, Mittwoch, 31. März 1999, 08:30, HS 16

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