Lernen Sie die Forschung der Abteilung Struktur und Eigenschaften komplexer Festkörper kennen.

Atomare Struktur und Inhomogenitäten in komplexen Halbleitermaterialien

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Struktur-Eigenschafts-Beziehungen komplexer Verbindungshalbleiter auf der Mikrometer- bis Subnanometerskala. Die modernen, mehrkomponentigen Materialsysteme, die dabei untersucht werden, finden zum Beispiel in Dünnschichtsolarzellen oder einer Vielzahl von elektronischen und optoelektronischen Bauelemente Anwendung. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Bestimmung der elementspezifischen Struktur auf atomarer Skala und die Korrelation dieser Strukturparameter mit zentralen Materialeigenschaften.

Darüber hinaus spielen oft auch strukturelle und chemische Inhomogenitäten im Nano- bis Mikrometerbereich eine wichtige Rolle für die Funktionalität der Solarzelle oder des Bauelements. Ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge zwischen Herstellungsbedingungen, Zusammensetzung und Struktur sowie elektronischen und optischen Eigenschaften ist unerlässlich, um das Potential dieser vielseitigen Halbleitersysteme in Zukunft noch effizienter nutzen zu können. Dazu setzen wir verschiedene, häufig synchrotronbasierte Röntgenverfahren sowie elektronenmikroskopische Methoden ein und arbeiten eng mit einer Vielzahl anderer Forschergruppen im In- und Ausland zusammen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Plot der Bandlücke von unterschiedlichen Bindungspartnern in verschiedenen Chalkopyriten
Grafik: Prof. Dr. Claudia S. Schnohr

Komplexe Verbindungshalbleiter werden in zahlreichen elektronischen und optoelektronischen Anwendungen eingesetzt, beispielsweise lichtemittierenden Dioden und Lasern, Strahlungsdetektoren, Transistoren und Solarzellen.

Die Eigenschaften dieser Materialien können dabei über ihre Zusammensetzung gezielt eingestellt und optimiert werden. Aber nicht nur die Zusammensetzung sondern auch die lokale Anordnung der Atome auf der Subnanometerskala kann die Materialeigenschaften entscheidend beeinflussen. Interessanterweise weicht diese atomare Struktur oft deutlich von der langreichweitigen Kristallstruktur ab. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Plot des „Band Gap Bowing“ von In-Ga und Cu-III in verschiedenen Chalkopyriten
Grafik: Prof. Dr. Claudia S. Schnohr

Daher ist die Bestimmung lokaler, elementspezifischer Strukturparameter, wie Bindungslängen und Deplatzierungen, zentraler Gegenstand unserer Arbeit. Dazu nutzen wir vor allem Röntgenabsorptionsspektroskopie. 

Darüber hinaus untersuchen wir die Korrelation dieser Strukturparameter mit anderen Materialeigenschaften, zum Beispiel der Bandlücke des Halbleiters oder den lokalen elementspezifischen elektronischen Zuständen.

Wir arbeiten unter anderem mit Chalkopyriten, wie Cu(In,Ga)Se2 und Cu(In,Ga)S2, sogenannten Kesteriten, wie Cu2ZnSn(Se,S)4, Cu2(Zn,Fe)SnS4 und Cu2Zn(Sn,Ge)Se4, und Übergangsmetall-dotiertem In2S3.

Compound semiconductor alloys: From atomic-scale structure to bandgap bowing
C. S. Schnohr
Applied Physics Reviews 2, 031304/1-43 (2015)

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Querschnitt einer Chalkopyrit-Probe mittels XRF (Röntgenfluoreszenzspektroskopie) aufgenommen
Grafik: Prof. Dr. Claudia S. Schnohr

Polykristalline Dünnschichtsolarzellen erreichen mittlerweile Spitzenwirkungsgrade von über 22%. Charakteristisch für diese Materialien ist eine Vielzahl von strukturellen und chemischen Inhomogenitäten auf der Nano- bis Mikrometerskala, die sich positiv oder negativ auf die Effizienz der Solarzelle auswirken können.

Daher untersuchen wir chemische Inhomogenitäten, insbesondere Gradienten und Fluktuationen in der Zusammensetzung, Agglomerationen einzelner Elemente und Fremdphasensegregation, mittels ortsaufgelöster Röntgenfluoreszenzanalyse und korrelieren sie mit Strukturelementen, beispielsweise Korngrenzen und Grenzflächen, die wir mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Methoden charakterisieren.

Wir arbeiten mit Dünnschichtsolarzellen basierend auf Chalkopyriten, wie Cu(In,Ga)Se2, und sogenannten Kesteriten, wie Cu2ZnSnSe4 und Cu2ZnSn(Se,S)4.

Rubidium segregation at random grain boundaries in Cu(In,Ga)Se2 absorbers
P. Schöppe, S. Schönherr, R. Wuerz, W. Wisniewski, G. Martínez-Criado, M. Ritzer, K. Ritter, C. Ronning, C. S. Schnohr
Nano Energy 42, 307-313 (2017)

Discrepancy between integral and local composition in off-stoichiometric Cu2ZnSnSe4 kesterites: A pitfall for classification
Ph. Schöppe, G. Gurieva, S. Giraldo, G. Martínez-Criado, C. Ronning, E. Saucedo, S. Schorr, C. S. Schnohr
Applied Physics Letters 110, 043901/1-5 (2017)

Die thermischen Schwingungen der Atome in einem Festkörper werden in erster Linie durch die Kraftkonstanten der Bindung bestimmt. Sie beschreiben, welche Kräfte nötig sind, um die Bindungslänge oder den Bindungswinkel zu ändern.

Die gleichen Kraftkonstanten beschreiben daher auch die Reaktion des Materials auf Spannung oder Zug und sind deswegen von entscheidender Bedeutung für die lokale atomare Struktur an Grenzflächen von Materialien mit unterschiedlichen Gitterkonstanten, in nanostrukturierten Materialien und in Halbleitermischverbindungen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: 3D-Modell eines Kristallgitters, bei der mittels einer Feder die Schwingung einer Bindung visualisiert wird
Grafik: Prof. Dr. Claudia S. Schnohr

Aus diesem Grund nutzen wir temperaturabhängige Röntgenabsorptionsspektroskopie, um die elementspezifischen Kraftkonstanten von ternären Mischverbindungen als Funktion der Zusammensetzung zu bestimmen.

Die Ergebnisse liefern wichtige Informationen über das komplexe Schwingungsverhalten der Atome und helfen, die elektronischen Eigenschaften dieser technologisch hochrelevanten Materialsysteme besser zu verstehen. Wir untersuchen ternäre Halbleitermischverbindungen, wie (In,Ga)As und (In,Ga)P.

Bond-strength inversion in (In,Ga)As semiconductor alloys
S. Eckner, K. Ritter, P. Schöppe, E. Haubold, E. Eckner, J. Rensberg, R. Röder, M. C. Ridgway, C. S. Schnohr
Physical Review B 97, 195202/1-6 (2018)

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