Institutionen


In Sachsen befassen sich zahlreiche Institutionen, Museen, Sammlungen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte mit dem kolonialen Erbe und (post-)kolonialen Kontinuitäten. Unsere alphabetische Liste soll der Orientierung dienen und dabei unterstützen, gemeinsame Perspektiven und Projekte zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes zu entwickeln.

Diese Liste ist nicht vollständig. Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie Interesse haben, dass ihre Institution, ihr Projekt oder ihre Iniatitive ebenso in dieser Übersicht erscheinen soll.


Leibniz-Institut für Länderkunde, Geographische Zentralbibliothek und Archiv für Geographie

Dr. Heinz Peter Brogiato (h_brogiato(at)leibniz-ifl.de)

Dr. Bruno Schelhaas (b_schelhaas(at)leibniz-ifl.de)

https://leibniz-ifl.de/

Mit etwa 200 Nachlässen von Geograph:innen, Forschungs­reisenden und Institutionen besitzt das Archiv für Geographie die größte Sammlung geographiehistorisch relevanter Dokumente im deutschsprachigen Raum. Es bietet beste Voraussetzungen für Untersuchungen zur Wissenschafts- und Disziplingeschichte einschließlich ihrer kolonialen Vergangenheit. Die Bestände sind öffentlich zugänglich und durch analoge und digitale Findmittel erschlossen. Die Digitalen Sammlungen, v.a. mit Karten und historischen Fotografien werden systematisch erweitert.

Die Bildsammlungen umfassen rund 120 000 historische Fotografien mit weltweiten Motiven (darunter zahlreiche Motive aus kolonialen Kontexten, etwa aus der Sammlung Hans Meyer und dem Kolonialgeographischen Seminar der Universität Leipzig), Ansichtskarten sowie Werke des Landschaftsmalers Ernst Vollbehr, ebenso mit starken kolonialen Bezügen.

Der Schwerpunkt der Geographischen Zentralbibliothek liegt auf Literatur zur Humangeographie, daneben auch auf Büchern und Zeitschriften zur Physischen Geographie, Raumplanung, Regionalgeschichte und Kartographie. Zum Bestand gehören zudem rund 60.000 Karten sowie eine Sammlung wertvoller historischer Bücher und Atlanten.

Leipzig Postkolonial

leipzig-postkolonial(at)engagiertewissenschaft.de

https://leipzig-postkolonial.de/

2011 organisierte sich eine Gruppe von Studierenden und Doktorand:innen unter dem Verein Engagierte Wissenschaft e.V. in Leipzig, um Erkenntnisse aus postkolonialen akademischen Debatten und aktivistische Kritik zugänglich zu machen. Seitdem engagieren wir uns als ehrenamtliche Arbeitsgruppe Leipzig Postkolonial und machen das koloniale Erbe sowie postkoloniale Perspektiven durch öffentliche Bildungsarbeit, zum Beispiel mithilfe von Stadtrundgängen, sichtbar. Wir sind vor Ort mit anderen aktivistischen Gruppen sowie mit wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen vernetzt und seit 2018 Teil des bundesweiten Decolonize-Netzwerk. Unsere Gruppe wandelt sich beständig, besteht jedoch seit der Gründung mehrheitlich aus weiß positionierten Menschen, welche zum großen Teil weiblich gelesen werden und aus dem akademischen Bereich kommen. Deshalb ist unser Aktivismus durch diese Positionierungen und die damit verbundenen Erfahrungen geprägt. Wir arbeiten stetig daran unsere eigene Arbeit auf Rassismen zu prüfen, um kritische und machtsensible Bildungs- und Bündnisarbeit leisten zu können.

Museum Burg Mylau „Provenienz und Geschichte der ethnologischen Sammlung Mylau/Reichenbach“

Sina Lorbeer-Klausnitz (Projektleiterin; sina.klausnitz(at)burgmylau.de)

Lore Liebscher (Provenienzforscherin; lore.liebscher(at)burgmylau.de)

Dr. Michael Angitso (Provinienzforscher; michael.angitso(at)futurum-vogtland.de)

https://www.burgmylau.de/index.php/museum/projekte/provenance

Im ausgehenden 19. Jahrhundert begannen die beiden Naturkundevereine der Städte Mylau und Reichenbach umfangreiche ethnologische Sammlungen anzulegen. Die Herkunft eines großen Teils dieser Kulturgüter liegt in den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und Ozeanien.
Im Projekt werden die Provenienzen von 112 Objekten mit der Herkunft Afrika (u.a. Namibia, Tansania, Kamerun und Südafrika) recherchiert, wobei vor allem die Erwerbsumstände, die Wege der Objekte in die Sammlungen sowie die beteiligten Personen beleuchtet werden. Dabei werden Verdachtsmomente auf koloniale Unrechtskontexte ermittelt und vertiefend recherchiert.
Untersucht wird auch der Austausch mit und die spätere Überlassung von Objekten und Sammlungsteilen an das Museum für Völkerkunde in Dresden.
Im Rahmen des Projektes soll zudem der Aufbau eines Netzwerkes mit den Herkunftscommunities und Institutionen wie Museen, Universitäten und Archiven in den Herkunftsländern initiiert werden. Dieses Netzwerk soll die Grundlage für eine gemeinsame Erforschung der Kulturgüter und für eine langfristige Zusammenarbeit mit Menschen aus den Herkunftsgemeinschaften und wissenschaftlichen Partner:innen der Herkunftsländer legen.
Die Staatlichen Ethnografischen Sammlungen Sachsen sind Kooperationspartner im Projekt.

Museum-Naturalienkabinett Waldenburg

Fanny Stoye (f.stoye(at)waldenburg.de)

www.museum-waldenburg.de

Seit 2019 finden im ländlichen sächsischen Raum, namentlich im Naturalienkabinett Recherchen zur Provenienz von Ethnografica statt. Diese Initiative möchte eindringlich auf die Relevanz kleinerer Museen für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte auch abseits urbaner Räume hinweisen.

2021 begann die systematische Forschung zu den Ethnografica, die aus dem Besitz der Fürsten von Schönburg-Waldenburg stammen und lange als harmlose „Souvenirware“ galten. Die knapp 150 Ob­jek­te wurden offenbar von Missio­nar:in­nen in den deut­schen Ko­lo­ni­al­ge­bie­ten ge­sam­melt und gin­gen dann an das Fürs­ten­haus von Schön­burg-Wal­den­burg über. Dass die Fürstenfamilie ein globales Netzwerk zu verschiedenen evangelischen Missionen pflegte, ist ein unterschätzter Aspekt sächsischer Geschichte – und nicht unproblematisch. Die wissenschaftliche Forschung der letzten Jahre konnte klar auf die zwiespältige und zum Teil gewaltvolle Rolle der Missionen in der (deutschen) Kolonialzeit verweisen.  Rassistische Stereotype bilden sich noch heute in den historischen Beschriftungen im Museum ab, die eine beständigen Diskurs um die koloniale Wurzel des Museums erfordern.

Projekt „Menschenschauen in Dresden“ des Stadtmuseums Dresden

Volker Strähle (menschenschau(at)projekte-museen-dresden.de)

https://www.stmd.de/menschenschau

Wie in vielen anderen europäischen Großstädten wurden am Dresdner Hof seit dem 18. Jahrhundert Menschen öffentlich zur Schau gestellt. Sie sollten als Angehörige „fremder Völker“ oder aufgrund bestimmter körperlicher Merkmale die Schaulust des Publikums bedienen. Ab den 1870er-Jahren zeigte unter anderem der Dresdner Zoo sogenannte „Völkerschauen“. Was vor allem der Unterhaltung diente, wurde von den Menschenschau-Organisatoren als Bildungsprogramm angepriesen. Tatsächlich popularisierten die Menschenschauen rassistische, sozialdarwinistische und ableistische Vorstellungen, die bis heute nachwirken.

In Dresden hat das Thema Menschenschauen bislang wenig Beachtung gefunden. Das Stadtmuseum widmet sich nun als erste städtische Institution dieser Lücke in der Erinnerungskultur. Geplant sind ein Sammelband und eine Ausstellung. Wir freuen uns über jeden Kontakt, der Interesse am Thema hat.

Das Stadtmuseum Dresden gehört zu den größten historischen Museen in Deutschland und wurde nach vollständiger Renovierung 2006 wiedereröffnet. Es präsentiert neben einer ständigen Ausstellung zur Geschichte der Stadt regelmäßig Sonderausstellungen von regionaler und überregionaler Ausstrahlung.

Promotionsprojekt „Chemnitz postkolonial – Fragmente nicht erzählter Geschichte(n)“

Stephan Schurig (stephan.schurig(at)phil.tu-chemnitz.de)

https://www.tu-chemnitz.de/phil/iesg/professuren/geographie/Forschung/diss_schurig.php

Im Promotionsprojekt werden sowohl die historischen kolonialen Verknüpfungen der Stadt bzw. Region um Chemnitz als auch die postkolonialen Kontinuitäten untersucht. Die lokalen und regionalen Spezifika im (post-)kolonialen Sachsen werden ausgehend von konkreten historischen Phänomenen wie dem Kolonialwaren(-handel), den Kolonialbewegungen in Form von Vereinen oder sog. Menschenzoos (Kolonialität vor Ort), aber auch anhand von symbolischen Repräsentationen und Diskursen durch Exotisierung, Primitivisierung, Othering und Rassifizierung globalhistorisch eingeordnet. Mithilfe einer postkolonial informierten Perspektive stehen Analysen kolonial(rassistisch)er Kontinuitäten bzw. antikolonialer/antirassistischer Widerständigkeiten gegenwärtiger sozio-kultureller Phänomene, wie z.B. die Konstruktion des ‚Eigenen‘ und des ‚Fremden‘ oder stadt- und erinnerungspolitische sowie emanzipatorische Bestrebungen, im Vordergrund des Projekts. Da es der lokalhistorischen Forschung bisher an einer systematischen Auseinandersetzung der Chemnitzer Stadtgeschichte mit den Verflechtungen deutscher bzw. globaler Kolonialgeschichte mangelt, versucht das Promotionsvorhaben mithilfe von explorativen Methoden (z.B. Auswertung von Dokumenten und Archivalien aus Archiven, Kartographierungen) eine Grundlage für die Aufarbeitung dieses Forschungsdesiderats zu schaffen und damit auch einen Theorie-Praxis-Transfer für zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit zu leisten.

Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)

Dr. Konstantin Hermann (konstantin.hermann(at)slub-dresden.de)

https://www.slub-dresden.de/

Die SLUB gewährt niedrigschwellig und zumeist im Open Access Zugang zu einer Vielzahl von retrodigitalisierten Medien wie Bücher, Handschriften, Fotografien, Grafiken und anderen Objekten. Bei Gewährung dieses freien Zugangs werden Aspekte der postkolonialen Diskurse zunehmend verstärkt diskutiert werden, wenn es um Objekte problematischer Herkunft, Beschreibung des Inhalts (Metadaten), dargestellte Personen und Handlungen u.a. geht, auch wenn die Prämisse des freien Zugangs zu Wissen an erster Stelle steht.

Im Rahmen ihres Auftrags unterstützt die SLUB auch Recherchen im Postkolonialkontext durch die Bereitstellung und Digitalisierung entsprechender Medien und durch die Unterstützung von Veranstaltungen. Die SLUB arbeitet hierzu mit der Technischen Universität Dresden und zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen zusammen.

Sächsisches Staatsarchiv

Michael Merchel (michael.merchel(at)sta.smi.sachsen.de)

https://www.archiv.sachsen.de/

Das Sächsische Staatsarchiv ist das zuständige Archiv für Gerichte, Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Freistaates Sachsen. Unsere Aufgabe ist es, Unterlagen des Freistaates Sachsen sowie seiner Rechts- und Funktionsvorgänger zu übernehmen, denen ein bleibender Wert zukommt. Zudem übernehmen wir auch archivwürdige Unterlagen nichtstaatlicher Herkunft, z. B. Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten. Diese Unterlagen können von allen Menschen auf der Grundlage des Sächsischen Archivgesetzes benutzt werden.

Die Unterlagen sind nach dem Herkunftsprinzip zu Beständen einzelner Stellen zusammengefasst und gegliedert. Deshalb gibt es keinen Bestand mit dem Titel „(Post-)Kolonialismus“. Unterlagen zum Thema finden sich so insb. seit Mitte des 19. Jahrhunderts in vielen Beständen unterschiedlichster Stellen, vom sächsischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten bis hin zum DDR-Wirtschaftsbetrieb. Auch zur Erforschung kolonialer Denkmuster und des institutionellen Rassismus in der jüngeren Vergangenheit verwahren wir Unterlagen. Wir helfen Ihnen gerne dabei, sich in unseren Beständen zurecht zu finden und geeignete Unterlagen für Ihr Anliegen zu ermitteln.

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Dr. Johanna Sänger / Carl Philipp Nies (stadtmuseum(at)leipzig.de)

https://www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/

Das Museum verfügt in seiner Sammlung über zahlreiche Quellen und Objekte mit Bezug zum Kolonialismus in Leipzig, darunter eine große Sammlung an Schaustellerplakaten, als seltene Quelle zu frühen „Völkerschauen“ während der Messetermine im 19. Jahrhundert, zur Messegeschichte allgemein oder Publikationen des Leipziger Zoos. Diese Materialien können in der Sammlungsdatenbank unter www.stadtmuseum.leipzig.de recherchiert, im Museum eingesehen oder ggf. als Reproduktionen bestellt werden. Inhaltliche Ergänzungen zur besseren und kritischen Erschließung werden gern in die Datenbank aufgenommen. Das Museum hinterfragt derzeit seine Sammlungen kritisch auf Spuren des Kolonialismus und setzt sich mit angemessenen Darstellungsformen des Themas im Kontext der Stadtgeschichte auseinander. In Sonderausstellungen oder Interventionen in Dauerausstellungen sollen deshalb in Zukunft (post-)koloniale Bezüge verstärkt berücksichtigt werden. Dazu sind wir interessiert an Kooperationen mit Akteur:innen aus Wissenschaft und Stadtgesellschaft.

Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte

Prof. Dr. Andreas Rutz (andreas.rutz(at)tu-dresden.de)

https://tu-dresden.de/gsw/phil/ige/slge/forschung/forschungsprojekte/projekt-die-welt-vor-ort

„Die Welt vor Ort. Sammlung, Nutzung und Verbreitung globaler Wissensbestände in Sachsen vom 16. bis 19. Jahrhundert“

Der Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte fokussiert am Beispiel Sachsen auf globale Transfer- und Aneignungsprozesse von Wissen und ihre Bedeutung für die regionale und lokale Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft des 16. bis 19. Jahrhunderts. Auch der europäische Raum gerät in diesem Zusammenhang in den Blick, denn gerade ein Binnenland wie Sachsen war auf die Vermittlung von Weltwissen von außen – etwa durch die westeuropäischen Monarchien und die niederländische Republik mit ihren Häfen und globalen Handelsbeziehungen oder die ostmitteleuropäische Staatenwelt mit ihren Kontakten nach Russland und in das Osmanische Reich – angewiesen. Untersucht werden sollen die Akteurinnen und Akteure, die Medien und die Orte des Transfers und der Aneignung sowie die übertragenen Wissensbestände als solche. Zu fragen ist, wer globales Wissen nach Sachsen vermittelte und wer es dort rezipierte, in welcher medialen Form sich Wissenstransfer und -aneignung vollzogen und welche Orte hierfür zur Verfügung standen. Schließlich wird untersucht, wie globale Wissensbestände jeweils genutzt wurden, welche Bedeutung die Aneignung globalen Wissens für die Region und einzelne Orte hatte und wie sich dadurch die Wahrnehmung der Welt bzw. anderer Kulturen veränderte.

Derzeit laufende Arbeiten betreffen die Afrika-Expedition Augusts des Starken 1732/33 (Sophie Döring) und die Biographie des aus Dresden stammenden Angehörigen der VOC, Zacharias Wagner (1614 – 1668) (Andreas Rutz).