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Soft Matter Physics Division - Biophysics at the University of Leipzig University of Leipzig
IntroductionRasterkraftmikroskopie English Deutsch
 

Rasterkraftmikroskopie (engl. "scanning force microscopy" (SFM) oder "atomic force microscopy" (AFM)) gehört zum Gebiet der Rastersondenmikroskopie (engl. "scanning probe microscopy" (SPM)), welches alle Mikroskoptechniken umfasst, die Bilder einer Oberfläche nicht durch optische oder elektronenoptischen Abbildung, sondern durch Wechselwirkung einer physischen Sonde mit der Probe erzeugen.

Der Vorgänger des Rasterkraftmikroskops, das Rastertunnelmikroskop (engl. "scanning tunneling microscope" (STM)) wurde in den frühen 1980er Jahren von Gerd Binnig und Heinrich Rohrer entwickelt [1, 2], was ihnen 1986 den Nobelpreis in Physik einbrachte. Das erste Rasterkraftmikroskops wurde 1986 von Binnig, Quate und Gerber erfunden [3]. Sein englischer Name "atomic force microscopy" spielt auf die Wechselwirkung auf atomarer Ebene zwischen Sonde und Probe an. Anziehenden Van-der-Waals-Kräfte und Pauli-Repulsion (durch die sich überlappenden Elektronenorbitale) können durch das Lennard-Jones-Potential beschrieben werden. 

Lennard-Jones-Potential
(Abbildung von Steve Pawlizak, 2009.)
Prinzip
 
 
Messprinzip eines Rasterkraftmikroskops
(Abbildung aus der Diplomarbeit von Claudia Brunner, 2004.)
Das Rasterkraftmikroskop tastet zeilenweise die Oberfläche ab und baut topografische Bilder auf. Ein Laser strahlt auf einen Hebelarm, den sogenannten Cantilever, und wird von diesem auf positionssensitive Photodioden reflektiert. Während sich die scharfe Spitze, die sich am losen Ende des Cantilevers befindet, über die Probe bewegt, verbiegt sich der Cantilevers relativ zum Höhenprofil der Probenoberfläche und die Photodioden registrieren die daraus tesultierenden Positionsverschiebungen der Laserreflexion. Zwei Piezoelemente (ein Piezoelektrisches Element dehnt sich oder kontraktiert direkt proportional zu einer angelegte elektrischen Spannung) sorgen dafür, dass Cantilever, Laser und Photodioden in x- und y-Richtung über die Probe bewegt werden. Das Signal von den Photodioden wird zu einem z-Piezo geleitet, der den Cantilever hoch oder herunter bewegt, um die Ablenkung des Laserstrahls bzw. die Biegung des Cantilevers wieder auszugleichen. Die Information der Ablenkung wird benutzt, um ein Bild der Oberfläche aufzubauen.

Da ein Rasterkraftmikroskop sowohl in Luft als auch in Flüssigkeit betrieben werden kann, ist es möglich mit lebenden Zellen unter physiologischen Bedingungen zu arbeiten  [4, 5]. Für unsere Forschung benutzen wir das NanoWizard BioAFM (JPK Instruments AG, Berlin), bei dem der x-y-z-Scanner die Halterung des Cantilevers (und nicht die der Probe) gekoppelt ist. Der NanoWizard hat den großen Vorteil, dass viele Lichtmikroskopietechniken (wie z.B. Phasenkontrast) parallel zum Rasterkraftbetrieb eingesetzt werden können, was besonders bei der biologischen Forschung hilfreich ist.
 

Abbildungsmodi
Lebende SH-SY5Y Neuroblastom-Zelle, aufgenommen im Contact ModeLebende HMVEC-L Endothelzelle, aufgenommen im Contact ModeLebende Ratten Alveolar Typ I Zelle, aufgenommen im Contact Mode
Ein Rasterkraftbild gibt die Topografie einer Oberfläche wieder und zur Erstellung einer 3d-Darstellung genutzt werden.
Es gibt verschiedene Abbildungsmodi, die in erster Linie in statischen Modus (Contact Mode) und dynamische Modi (Non-Contact und Intermittent Contact Mode) mit oszillierender Sonde unterschieden werden. Die beiden am häufigsten verwendeten Modi, um Proben mit einem Rasterkraftmikroskop abzubilden, sind der Contact und der  Intermittent Contact Mode. Während im Contact Mode die Cantilever-Spitze über die Probenoberfläche kratzt, vibriert der Cantilever im Intermittent Contact Mode und tippt so Punkt für Punkt auf die Probe.
 

Kraft-Spektroskopie
 
 
Kraft-Abstands-Kurve auf hartem Untergrund
(Abbildung aus der Diplomarbeit von Steve Pawlizak, 2009.)
Neben dem Abbilden von Oberflächen gibt es eine weiter bedeutende Anwendung der Rasterkraftmikroskopie: die Kraft-Spektroskopie. Dabei wird der Cantilever an einem Punkt in die Probe gedrückt und anschließend wieder zurück gezogen. Während dieses Vorgangs wird die Höheninformation des z-Piezos und die vertikale Verbiegung des Cantilevers aufgenommen. Das Resultat ist eine sogenannte Kraft-Abstands-Kurve (da die Verbiegung eng mit der auf den Cantilever ausgeübten Kraft verbunden ist). Genauer gesagt, produziert jeder Scan zwei Kurven. Eine zeigt die Cantilever-Biegung u in Abhängigkeit von der Höhe z während der Annährung des Cantilever an die Probe (trace-Kurve) und die andere während des Zurückziehens des Cantilevers (retrace-Kurve). Auf einem quasi-unendlich harten Untergrund (wie z.B. ein Deckgläschen) wird ein charakteristischer Graph produziert, der im Folgenden diskutiert wird.
Trace:  Zunächst wird der Hebel abwärts bewegt, ohne dass die Probe berührt wird. Also wird noch keine Verbiegung sondern nur eine abnehmende Höhe des Hebels gemessen (1). Sehr dicht über der Oberfläche kann der Cantilever plötzlich durch Adhäsionskräfte (z.B. elektrostatische Wechselwirkung) von der Probe angezogen werden, d.h. er schnellt herunter bis zum Kontakt und wird so ein wenig nach unter gebogen (2). Wenn der Cantilever weiter herunter bewegt wird, biegt sich sein loses Ende aufwärts proportional zur Abwärtsbewegung seines fixierten Endes (z-Piezo-Höhe) (3). Dieser charakteristische lineare Anstieg kann zur Kalibrierung des Cantilevers verwendet werden.
Retrace: Sobald eine vorgegebene Verbiegung erreicht ist (4), wird der Cantilever zurückgezogen. Der Cantilever entspannt sich, während sein fixiertes Ende wieder angehoben wird (5). Dann bleibt die Spitze für gewöhnlich durch Adhäsion am Untergrund haften, was den Cantilever in die andere Richtung (abwärts statt aufwärts) verbiegt, bis die Spitze plötzlich losreißt und der Cantilever in seine Ausgangsposition zurückschnellt (6). Das weitere Zurückziehen bewirkt keine vertikale Verbiegung mehr (7).

Wenn der Cantilever kalibriert ist, also seine Sensitivität s und Federkonstante k bekannt sind, kann man die angewendete Kraft F, welche proportional zur vertikalen Verbiegung u des Cantilevers ist, errechnen.



Messung elastischer und viskoelastischer Eigenschaften
 
 
Zellelastizitätsmessung mit einem mit Kügelchen modifiziertem Cantilever
(Abbildung von Claudia Brunner und Steve Pawlizak, 2004, 2009.)
Mittels Rasterkraftmikroskopie können auch lokale elastische und viskoelastische Eigenschaften von weichen Proben wie biologischen Zellen gemessen werden. Das Elastizitätsmodul E kann durch Aufnahme und Analyse von Kraft-Abstand-Kurven bestimmt werden. Um Beschädigungen von lebenden Zellen während der Messung zu verhindern und um eine wohldefinierte Sondengeometrie für die entsprechende Berechung zu haben, kleben wir kleine Polystyren-Kügelchen (Durchmesser ~ 6 µm) an die Spitzen kommerzieller Cantilever. Die entsprechenden Berechnungen werden nach dem Hertz-Modell gemacht [6].
Durch dynamische Messungen mit einem vibrierenden Cantilever können sogar viskose Eigenschaften durch die Bestimmung Speicher- und Verlustmodul quantifiziert werden. In diesem Fall wird ein modifiziertes Hertz-Modell für die Datenauswertung verwendet, welches in [7] beschrieben wird.
Wenn dünnere Proben untersucht werden sollen, kann der Einfluss des harten Untergrundes auf die Elastizitätsmessung nicht mehr vernachlässigt werden und wir wenden sogenannte Tu- und Chen-Korrekturen auf das Hertz-Modell an [8]. 

Hertz-Modell
(Abbildung von Steve Pawlizak, 2009.)
 
Messung von Adhäsionskräften

Rasterkraftmikroskopie kann darüberhinaus verwendet werden um Adhäsionskräften zwischen Zellen oder zwischen Zellen und Substrat zu messen. Dabei wird eine adhärierte Zelle mit einem beschichteten Cantilever langsam abgerissen, wobei die Cantilever-Verbiegung registriert wird. In unserem Labor verwenden wir das CellHesion 200 (JPK Instruments AG, Berlin) mit einer z-Piezo-Höhe von 100 µm für Zelladhäsionsmessungen.

Krebszellen weisen eine verringerte Adhäsionsstärke auf, welche mit ihrer Eigenschaft zu metastasieren zusammenhängen könnte. Wir werden die Adhäsion normaler Fibroblasten und von Fibroblasten in unterschiedlichen Krebsstadien erforschen. Präzise Messungen der Veränderung der Adhäsionsstärke sowie der damit verbundenen Zytoskeletteigenschaften bösartiger Zellen wird einen neuen Einblick in die Rolle von Zelladhäsion und Metastasenbildung liefern.

(Dieser Artikel wurde  2003-2007, 2009 von Jens Gerdelmann, Claudia Brunner & Steve Pawlizak geschrieben.)



Literaturnachweis:
 
[1]
G. Binnig, H. Rohrer, C. Gerber, E. Weibel: Tunneling through a Controllable Vacuum Gap, Appl. Phys. Lett. 40(2):178-180 (1982).
[2]
G. Binnig, H. Rohrer, C. Gerber, E. Weibel: Surface Studies by Scanning Tunneling Microscopy, Phys. Rev. Lett. 49(1):57-61 (1982).
[3]
G. Binnig, C. F. Quate, C. Gerber: Atomic Force Microscope, Phys. Rev. Lett. 56(9):930-933 (1986).
[4]
M. Radmacher, R. W. Tillmann, M. Fritz, H. E. Gaub: From Molecules to Cells: Imaging Soft Samples with the Atomic Force Microscope, Science 257(5078):1900-1905 (1992).
[5]
F. Moreno-Herrero, J. Colchero, J. Gómez-Herrero, A.M. Baró: Atomic force microscopy contact, tapping, and jumping modes for imaging biological samples in liquids, Phys. Rev. E 69(3):031915 (2004).
[6]
H. Hertz: Über die Berührung fester elastischer Körper, Journal für die reine und angewandte Mathematik 92:156-171 (1881). PDF
[7]
R. E. Mahaffy, C. K. Shih, F. C. MacKintosh, J. Käs: Scanning probe-based frequency-dependent microrheology of polymer gels and biological cells, Phys. Rev. Lett. 85(4):880-883 (2000). PDF
[8]
R. E. Mahaffy, S. Park, E. Gerde, J. Käs, C. K. Shih: Quantitative analysis of the viscoelastic properties in thin regions of fibroblasts using AFM, Biophys. J. 86(3):1777-1793 (2004). PDF

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