© Elisabeth Burr
zitieren Sie bitte wie folgt: Elisabeth Burr (2000/2001): "Accademia della Crusca und Académie française", <www.uni-duisburg.de/FB3/ROMANISTIK/PERSONAL/Burr/Norm/Academia/lecture/Academy.htm> oder <www.fb10.uni-bremen.de/homepages/burr/Norm/Academia/lecture/Academy.htm>

2. Frankreich

2.1 Frühe Beschäftigungen mit dem Französischen

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gibt es eigentlich noch keine wirkliche Grammatik des Französischen. In Frankreich hat man nämlich eigentlich erst in dem Moment begonnen, über die Volkssprache nachzudenken, als ausdrücklich Regeln zu ihrem Gebrauch erlassen wurden. Zum Vergleich, die erste Grammatik des italienischen volgare stammt von 1435. Es ist die lange Zeit als grammatichetta vaticana bezeichnete Grammatik von Leon Battista Alberti.

Zum Französischen gibt es zwar im 13. und 14. Jahrhundert eine Reihe von Traktaten zur Orthographie und zur Morphologie und einige thematische Wörterbücher. Daneben gibt es einige praktischen Zielen gewidmete Texte, wie Konversationsmodelle, Briefmodelle und Sammlungen von Texten für Anfänger und Anfängerinnen. Sie sind allesamt in England entstanden. Hier gab es nämlich ein Bedürfnis, Französisch zu lernen zu einer Zeit als das Französische dort nur mehr als Verwaltungssprache fungierte. Manchmal zeigt sich in diesen Traktaten das Bemühen um die Pariser Norm, die sich im 14. Jahrhundert in Frankreich als Modellsprache durchsetzt.

In Frankreich gibt es zwar eine lange grammatische Tradition, doch handelt es sich dabei vor allem um die der lateinischen Grammatik. Folgende Lateingrammatiken sind größtenteils auf Französisch geschrieben:

2.1.1 Alt- und Mittelfranzösische Donats (Lateingrammatiken)

2.1.2 Mittelfranzösische Lateingrammatiken (MetzerTexte)

2.1.3 Donait françois

Die älteste französische Französischgrammatik stammt dagegen wieder aus England:

Im Vorwort dieser Grammatik heißt es:

Pour ceo que les bones gens du riaume d'Engleterre sont enbrasez a sçavoir lire et escrire, entendre et parler droit françois, a fin qu'ils puissent entrecomuner bonement ové lour voisins, c'est a dire les bones gens du roiaume de France, et ainsi pour ce que les leys d'Engleterre pour le graigneur partie et aussi beaucoup de bones choses sont misez en françois, et aussi bien pres touz les seigneurs et toutes les dames en mesme roiaume d'Engliterre volontiers s'entrescriven en romance, tres necessaire je cuide estre aus Engleis de sçavoir la droite nature de françois. A le honneur de Dieu et de sa tres doulce miere et toutez les saintez de paradis, je, Johan Barton, escolier de Paris, nee et nourie toutez voiez d'Engleterre en la conté de Cestre, j'ey baillé aus avant diz Anglois un Donait françois pur les briefment entreduyr en la droit language du Paris et de païs la d'entour, la quelle language en Engliterre on appelle 'doulce France'. Et cest Donait, je le fis la faire a mes despenses et tres grande peine par pluseurs bons clercs du language avantdite. Pour ce, mes chiers enfantz et tres doulcez puselles que avez fain d'apprendre cest Donait, sçachez qu'il est divisé en belcoup de chapitres, si come il apperera cy avale. (ed. Swiggers 1988: 128).

In Veröffentlichungen, die in Frankreich vor 1530 erschienen sind, finden sich aber viele Bemerkungen zum Französischen so z.B. in: La nature des verbes von 1498 oder in der Grammatographia von Lefèvre d'Etaples (1529), die eine Tabelle der französischen Artikel, die hic, haec, hoc entsprechen enthält.

2.2 Herausbildung der Standardsprache

Wichtige Entscheidungen über die Beschaffenheit des Standardfranzösischen fielen im 12. u. 13. Jahrhundert.

Unter Standardsprache wird eine weitgehend normierte und institutionalisierte Varietät einer historischen Einzelsprache verstanden, die von der betreffenden Sprachgemeinschaft zur überregionalen Kommunikation verwendet wird. Eine solche Standardsprache kann historisch gewachsen sein oder durch einen bewußten Akt sprachlicher Schöpfung durch Einzelpersonen oder Institutionen in wenigen Jahren geschaffen werden. Durch ihre kommunikative Reichweite und durch ihr Prästige ist eine Standardsprache den anderen diatopischen und diastratischen Varietäten übergeordnet.

Was nun die Herausbildung des Standardfranzösischen angeht, so ist wichtig, dass Paris unter Philippe II. August (1180-1223) zur üblichen Residenz der Könige wird. Das Franzische (Sprache der späteren Ile-de-France erlangte dadurch ein Übergewicht gegenüber anderen Dialekten und setzte sich allmählich als Kanzlei-und Literatursprache durch. Francei/françois war die Sprache des Pariser Beckens. Die Bevölkerung von Paris und Umland wußte um das höhere Prestige ihrer Sprache und die Sprecher anderer Varietäten anerkannten die Vorbildlichkeit und Nachahmenswertigkeit der langue d'oïl (Sprachform der France = Kerngebiet des kapetingischen Königreichs). Ein Sprachnormbewußtsein scheint also vorhanden gewesen zu sein (es gibt zahlreiche Zeugnisse davon in der Literatur dieser Zeit).

Das Kloster Saint-Denis spielt dabei eine besondere Rolle. Seit dem 11. Jahrhundert war es nämlich der Aufbewahrungsort der Reliquien des Nationalheiligen Dionysius und ab dem 12. Jahrhundert Grabstätte der französischen Könige. So wurde es zum religiösen Mittelpunkt Frankreichs.

Im 12. und 13. Jahrhundert war der literarische Rang des Normannischen und Pikardischen, des Champagnischen und Orleanesischen zwar weit bedeutender als der des Franzischen. Auch ist das Franzische erst in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in Dokumenten belegt. Trotzdem versuchten immer mehr Dichter auf franceis/françois zu schreiben, auch wenn sie aus anderen Dialektgebieten stammten. Hinzu kommt die sprachliche Mittelstellung des Franzischen gegenüber den anderen altfranzösischen Dialekten (vgl. Toskanisch).

Im 13. Jahrhundert festigte sich die Macht des kapetingischen Königshauses, Paris wuchs beträchtlich an. Das Franzische durchdringt die regionalen Schriftsprachen: Mitte des 13. Jh. durchdringt es zunächst das Champagnische, zu Beginn des 14. Jh. das Normannische u. Orleanesische, sowie die Skripta des Poitou und Berry, im 15. Jh. dann das Pikardische und Lothringische. Diese allmähliche Vereinheitlichung der Schriftsprache brachte implizite Normen hervor. Nach dem Ende des Hundertjährigen Kriegs bildete sich ein französisches Nationalbewußtsein heraus. Während der Regierungszeit von Ludwig XI. (1461-1483) gerieten die meisten großen Lehen in den Besitz der Krone. Seither bezieht sich die Bezeichnung France auf das ganze Reich. Das Stammland der Kapetinger mußte deshalb mit einem Zusatz versehen werden: Ile-de-France. Die Sprachbezeichnung françois wurde verallgemeinert. Im 15. Jahrhundert wurde damit die Sprache der gesamten Nordhälfte Frankreichs gemeint. Das Franzische war also zum Französischen geworden.

Im 14. und 15. Jahrhundert festigte das Französische also seine Rolle als überregionale Schriftsprache, es drängte die übrigen nordfranzösischen Schriftsprachen, das Okzitanische und das Latein zurück und wurde immer häufiger in wissenschaftlichen und technischen Texten verwendet. Zudem setzte es sich als Verwaltungssprache durch, die von einem zentralistsich ausgerichteten, straff organisierten Beamtenapparat in alle Teile des Königreiches getragen wird. Viele Werke klassischer Autoren wurden aus dem Latein ins Französische übersetzt (vgl. Meigret). Der Buchdruck kommt ebenfalls der französischen Schriftsprache zugute, denn er legt eine Vereinheitlichung nahe. Es gibt erste Vorzeichen für eine implizite Normierung. Die Graphie bleibt aber hinter der Lautentwicklung zurück (cf. Winckelmann 1990).

2.3 Sprachgesetzgebung

Einen Beitrag sowohl zur Durchsetzung des Französischen als auch zur Beschäftigung mit der französischen Sprache leisteten natürlich auch die Erlasse zum Gebrauch des Französischen. Zu nennen sind hier (vgl. Schmitt 1990):

Nach den Mémoires de Commynes wünscht Luois XI

que en ce royalme l'on usast d'une coustume et d'ung poys et d'une mesure, et que toutes ces coustumes fussent mises en françoys en ung beau livre, pour éviter la cautelle et la pillerye des avocatz

ordnet an, dass im Langedoc Prozesse und Untersuchungen nicht in Latein, sondern auf Französisch (das dort kaum jemand verstand) oder in der Vulgärsprache der Provinz, d.h. in der okzitanischen Mundart zu führen sind

diese beiden Verfügungen werden erneuert.

die beiden Verfügungen werden noch einmal erneuert.

Für die Provence gilt jetzt also:

Tous les procez criminels (...) seront faits en françois ou à tout le moins en vulgaire du pays

Die Regelungen betrafen zwar vor allem das Latein, sie liefen aber faktisch schon auf eine Französierung der Verwaltung hinaus.

Diese von François Ier erlassene Ordonnance brachte diesen Prozeß zum Abschluß. Alle juristischen Handlungen sind nämlich jetzt in Französisch durchzuführen:

Et afin qu'il n'y ait cause de douter sur l'intelligence desdits arrests, nous voulons et ordonnons qu'ils soient faits et escrits si clairement, qu'il n'y ait ni puisse avoir aucune ambiguité ou incertitude, ne lieu à demander interpretation. Et pour ce que de telles choses sont souvent advenues sur l'intelligence des mots latins contenus esdits arrests, nous voulons d'ores en avant que tous arrests, ensemble toutes autres procedures, soient de nos cours souveraines et autres subalternes et inferieures, soient de registres, enquestes, contrats, commissions, sentences, testaments, et autres quelconques actes et exploicts de justice, ou qui en dependent, soient prononcez, enregistrez et delivrez aux parties en langue maternel françois et non autrement

Für Brunot handelt es sich dabei nicht nur darum, dass dem Latein die Funktion einer Gerichtssprache aberkannt wird, sondern auch um ein Verbot der übrigen Sprachen und Dialekte.

Schon vor diesem Erlaß hat es ein von Claude de Seyssel 1509 ausgearbeitetes, aber erst 1559 editiertes Programm für die Assimilierung alloglotter Gebiete gegeben. Schmitt nennt dieses Programm "das erste imperialistische Programm in der Geschichte der französischen Sprache" (Schmitt 1990: 356). Seyssel möchte mit seinem Programm den König dazu anhalten, wie die Römer aktive Sprachpolitik im Sinne des Prinzips cuius regio, eius lingua zu betreiben.

2.3 Erste Normierungsbestrebungen im 16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert kommt es zu ersten Normierungsbestrebungen. Die ersten Grammatiken und Wörterbücher entstehen. Zudem unterbreiten die Drucker Vorschläge für eine Vereinheitlichung der Rechtschreibung und der Grammatik. Dabei bilden sich 2 gegenläufige Tendenzen heraus:

2.3.1 Vervollkommnung des Französischen

Das Französisch soll in lexikalischer Hinsicht bereichert werden, um es zu einer dem Latein völlig ebenbürtigen Sprache auszubauen, in der alle Themen adäquat behandelt werden konnten. So setzt sich Joachim Du Bellay (1522-1560), der zur Dichtergruppe der Pléiade gehört, in seiner La Deffense et Illustration de la Langue Francoyse von 1549 für eine Entlehnung von Wörtern aus anderen Sprachen ein, für die Heranziehung von Archaismen, für die Berücksichtigung von Fachwörtern und für individuelle Wortschöpfungen. Du Bellay hat dabei übrigens sehr viel von Sperone Speroni's: Dialogo delle Lingue übernommen, der ca. 1542 erschienen war. Und Pierre de Ronsard (1524-1485) verlangt in seinem Abbregé de l'Art poëtique François von 1565 nicht nur die Wiederbelebung veralteten Wortgutes, sondern auch die bewußte Einbeziehung von Regionalismen. Von Montaigne (1533-1592) stammt die Aussage: "le gascon y arrive, si le françois n'y peut aller"

2.3.2 Erste Vorschläge zur Sprachnormierung

Es kommt zur Produktion von Texten, von Sprachtraktate also, die Instrumente des normativen Diskurses sind und darauf abzielen, Normen einzuführen, durchzusetzen und aufrechtzuerhalten. Erste Versuche stehen im Zusammenhang mit der Ordonnance de Villers-Cotterêts und mit der Vereinheitlichung des Längenmaßes und der Währung. Nach Settenkorn ist die sprachliche Vereinheitlichung ein Teilschritt auf dem Weg zu einer staatlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Zentralisierung. Vor allem die Drucker bringen als erste in aller Deutlichkeit Normierungsvorschläge vor. Sie haben reale wirtschaftliche und berufliche Interessen, die mit der Verbreitung von Bildungsgütern (Büchern, Dokumenten etc.) Hand in Hand gehen.

So zieht etwa der Drucker Henri Estienne (1531-1598) in mehreren Schriften gegen den mit Italianismen angereicherten Wortschatz des Hofes zu Felde. Die Frage nach dem Französischen wird aber vor allem von dem Drucker Geoffroy Tory in seinem 1529 erschienenen Champ fleury ou l'art et science de la proportion des lettres gestellt. Ich erinnere daran, dass der Champ Fleury Stil gerade von diesem Drucker stammt. Geoffroy Tory ergreift also Position: er verlangt in Aux Lecteurs von Champ fleury ou l'art et science de la proportion des lettres, dass jemand sich die Mühe machen soll, die französische Sprache in Regeln zu gießen. Zu seinem ersten Buch sagt er nämlich:

Lexhortation a mettre & ordonner la Lãgue Francoise par certaine Reigle de parler elegãment en bon & plussain Langage Francoise

denn sonst würde das Französische aufgrund einer zu schnellen Entwicklung untergehen:

[...] Sil ny est mys & ordonne on trouvera que de Cinquante Ans en Cinquante Ans la La [sic] langue Francoise, pour la plus grande part, sera changee & peruertie

Tory wandte sich vor allem gegen Latinismen, Jargonwörter, regionale Varianten und Neologismen jeglicher Art, die den honneste Langage seiner Meinung nach deformieren und korrumpierten. Tory fordert also ausdrücklich einen regulativen Eingriff.

Die Kontroverse, die dadurch entstand, dass gefordert wurde, die französische Sprache solle in Regeln gefaßt werden, drehte sich um die Frage, ob es überhaupt möglich sei, eine Volkssprache in Regeln zu fassen und ob es nicht besser sei, die Sprache einfach so zu lernen. Erasmus z.B. verachtete die Volkssprache, obwohl er sie in der Liturgie benutzte. Charles de Bovelles: De differentia vulgarium linguarum et Gallici sermonis varietate ist davon überzeugt, dass die Volkssprache sich nicht in Regeln fassen läßt. Er verachtet das Volk und seine Mundarten und behauptet, es sei unmöglich und eine vergebliche Liebesmühe, einen Archetyp in der Volkssprache zu suchen:

superfluam et cassam disquisitionem ideae in omni sermone vulgi.

Die Gegner von Bovelles waren:

Die Werke sind sehr unterschiedlicher Natur. Du Wez erklärt zum Beispiel:

sy nay je toutesvois peu trouver regles infalibles pour ce quil nest pas possible de telles les trouver, cest a dire telles que puissent servir infalliblement, comme font les regles composeez pour apprendre latin, grec et hebrieu.

Alle wollen aber Regeln finden, vgl. Palsgrave:

brought the frenche tong under any rules certayn and preceptes grammaticall, lyke as the other thre parfite tonges be (Epistell to the kynges grace 8).

Sylvius:

[...] linguae Gallicae invenire et in canones conjicere (Isagoge, Ad [...] studiosum, fo aiiii)

Meigret:

elle [la langue françoeze) a en soi quelque ordre par lequel nous pouvons distinguer les parties dont sont composés tous langages et la réduire à quelques règles (0,2,1 - fo 1, vo)

Michel Glatigny (1987: 137) stellt die Frage, ob es vielleicht einen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Haltung zur Volkssprache gibt. Während Bouvelles nämlich aus einer adligen Familie stammt, stammen viele derjenigen, die sich für das Französische interessierten, aus einfachen Verhältnissen. Tory erklärt z.B. selbst, er stamme "de petitz et humbles Parens" (Champ fleury, f. I, vo) und Dubois-Silvius wurde 1478 in Amiens geboren, sein Vater war "pauvre et chargé d'enfants".

2.3.3 Die zweisprachigen Wörterbücher und die Grammatiken des 16. Jahrhunderts

Die zweisprachigen Wörterbücher und die Grammatiken des 16. Jahrhunderts verfolgen zwar in erster Linie keinen normativen Zweck, sie unternehmen aber eine ordnende Bestandsaufnahme und prägen die Norm des Französischen in entscheidender Weise vor.

So bilden das Dictionarium latino-gallicum (1531) und das Dictionaire Françoislatin (1539) von Robert Estienne den Schlüssel zur französischen Orthographie des 16. Jahrhunderts und der Gegenwart. Meigrets Grammatik, die die erste vollständige Grammatik des Französischen auf Französisch ist, will die der Sprache innewohnende Ordnung aufdecken und in Regeln fassen. Nach Meigret ist es Aufgabe einer Grammatik zu lehren, wie man gut und richtig spricht und schreibt. Meigret versucht auch die graphische Variation des Französischen auf eine phonetisch orientierte Schreibweise zu reduzieren und überflüssige und mehrdeutige Buchstaben auszuscheiden.

Die Grammatiker nähern sich der Volkssprache aber als Humanisten und wollen als solche das Französische so nah wie möglich an seinen Ursprung heranführen. Die meisten von ihnen sind zudem keine professionellen Grammatiker: Sylvius ist vor allem einmal Arzt, Tory, Estienne, Augereau sind Drucker, Meigret ist Übersetzer (bevor er seine Grammatik schrieb hat er ein Dutzend antiker Werke übersetzt). Viele gehen mit mehreren Sprachen um, sei es als Fremdsprachenlehrer so wie Palsgrave und du Wez, oder als Übersetzer.

Hinzu kommen vor allem die Bedürfnisse der gedruckten Ausgabe. Das Problem mit der Aussprache zahlreicher Vokale aufgrund der Lautentwicklung gab es zwar auch schon vorher, vor allem in der Dichtung, der Buchdruck verstärkt nun aber dieses Problem. Vgl. Tory:

En nostre langage François navons point daccent figure en escripture et ce pour le default que nostre langue nest encores mise ne ordonnee à certaines Reigles (Tory, f, III, ro).

Die Drucker sind deshalb auch die ersten, die sich mit Fragen der Orthographie beschäftigen: wie soll eine Sprache, deren Aussprache nicht den lateinischen Buchstaben entspricht, mit Buchstaben geschrieben werden, die für das Latein entwickelt wurden. Tory und Augereau votieren für die Einführung der cédille (coq - macon), Sylvius schlägt gleich zu Beginn seines Werkes neue Buchstaben vor, Meigret versucht ein neues graphisches System zu entwickeln und veröffentlicht 1542 seinen Traité touchant le commun Usage de l'escriture françoise, auf den er sich dann in seiner Grammatik dauernd bezieht. Zudem sind große Teile aller Grammatiken dem Verhältnis zwischen Laut und Graphie gewidmet.

Da die Unsicherheit im Bereich der Graphie groß war, nehmen die Grammatiker aus didaktischen Gründen fast gezwungenermaßen eine normative Haltung ein. Tory und Sylvius weisen zwar auch darauf hin, dass es Unterschiede im Gebrauch und in den Dialekten gibt, Sylvius jedoch prangert zugleich auch "l'erreur du peuple gaulois" an, z.B. beim Gebrauch von y. Er zieht dagegen die picardische Form li allen anderen Formen vor. Das Picardische scheint dabei aber doch oft nur ein Vorwand zu sein, d.h. es scheint eher darum zu gehen, welche Form näher am Latein ist, in diesem Fall z.B. an illi (li ist näher am Latein als lui). Sein Bedürfnis, einen Bezug zum Latein herzustellen, geht sogar so weit, dass er lateinische Paradigmata erfindet, um eine französische Form rechtfertigen zu können: isthaec, isthuc -> chest. Er legt überhaupt einen großen Wert auf das Erklären von Formen.

Meigret dagegen geht es um die congruité, was sowohl grammatisch korrekt, als auch einer Situation angemessen oder entsprechend einer Struktur bedeuten kann (Kongruenz):

[...] ces manières de parler (...) j'ey eymées les dames sont incongrues et contre la raison naturelle tant du bâtiment du langage que du sens (24,8,71 - fo 68, vo).

Die erste Inkongruenz ist, wenn eine Form nicht einer Bedeutung entspricht, wie bei Pierre s'et eymé (passé) und je suys eymé (présent) - es muß nach Meigret also zwei homonyme Formen eymé geben, eine für die Vergangenheit und eine für die Gegenwart.

Ich will jetzt hier nicht die ganze Diskussion um den accord aufrollen (im ersten Fall nicht, im zweiten Fall schon), die sich daraus für Meigret ergibt, es geht mir nur darum zu zeigen, wie von seiten der Grammatiker auf die Sprache eingewirkt wird und dass das, was wir heute sprechen und schreiben und uns natürlich erscheint, in vieler Hinsicht nicht natürlich gewachsen ist, d.h. auch nicht unbedingt so sein muß, wie es heute ist. In Übereinstimmung mit der lateinischen Tradition erklärt Meigret zudem den usage zum maître absolu der Sprache:

il faut nonobstant tous avis demeurer à celui que l'usage autorisera (32,16,88 - fo 89, ro)

Welchen Gebrauch aber? Wir sind zwar noch nicht bei Vaugelas, aber die häufigen Verweise auf die courtisans zeigen, dass am Horizont der honnête homme des XVII Jahrhunderts auftaucht, der die Sprache der Praktiker zurückweist. Neben dem usage ist bei Meigret aber auch noch das Ohr ein Kriterium für die Kongruenz: Es wird zum Schiedsrichter eines raffinierten Geschmacks gemacht:

la bonne oreille demeurera toujours le souverain juge de tout ce que d'autres et moi en déciderons (Réponse à Guillaume des Autels, 94)

vor allem, wenn es mehrere Formen gibt:

[...] combien qu'elles fussent congrues, elles ne seraient pas toutefois reçues entre les courtisans parce que nous les pouvons vider en langage plus propre, bref et plus élégant (21,7,53 - fo 50, vo (zit. nach Glatigny 1987)

Um der Beschäftigung mit der Volkssprache Seriosität zu verleihen, bedienen sich die Grammatiker des Modells der lateinischen Grammatik (vgl. Kasus). Alle diese Grammatiker sind Humanisten, auch Bovelles, der Schüler von Lefèvre d'Etaples war. In diesem Sinne ist auch purifier zu verstehen, d.h. als ein Zurück zur Antike, zum Ciceronismus, d.h. so wie das Latein von den Unreinheiten gereinigt werden mußte, die das Mittelalter hinterlassen hatte, so mußte auch das Französische so nah wie möglich an seinen Ursprung herangeführt werden.

2.4 Frankreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Frankreich ist im Vergleich zu Italien ein einheitlicher Staat. Es wird in dieser Zeit nicht nur kulturell, sondern auch politisch von Italien beeinflußt. Henri IV (1553-1610), der ursprünglich Hugenotte war, aber zum Katholizismus übertrat, um König von Frankreich werden zu können - von ihm stammt der Ausspruch "Paris vaut bien une messe", und der 1598 das Edikt von Nantes erlassen hatte, in dem den protestantischen Hugenotten Religionsfreiheit zugesichert wurde, war nämlich mit Maria de' Medici verheiratet. Als Henry IV 1610 ermordet wurde, übernahm Maria de' Medici die Regenschaft für ihren minderjährigen Sohn Louis XIII. Sie überließ aber die politische Führung dem Italiener Concino Concini, der zum ersten Minister Frankreichs gewählt worden war. In der Umgebung von Maria de' Medici und von Concino Concini war auch Richelieu zu finden. Richelieu wurde als "Geschöpf" Concinis im November 1616 zum Staatssekretär für Außenpolitik und Kriegswesen ernannt. Concini wird dann 1617 ermordet. Es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen Maria und Louis XIII. Richelieu wird in diese Auseinandersetzung hineingezogen, es gelingt ihm aber trotzdem, 1624 zum Ersten Minister Frankreichs ernannt zu werden.

Richelieus innenpolitisches Interesse gilt der Durchsetzung des absolutistischen Staates, für den schon Henry IV. den Grundstein gelegt hatte. Daran hält er auch trotz der protestantischen Aufstände fest, die in der Belagerung von La Rochelle (1627-1628) ihren Höhepunkt finden. Sein Nachfolger wird 1643 Kardinal Mazarin, ein Italiener. Er führt die Politik Richelieus fort und bestimmt so die Regierung des 1643 geborenen Louis XIV. Er entwirft ein Programm für die bevorstehende Alleinregierung des Königs. Von 1648 bis 1653 fand dann der Kampf gegen die "Fronde" statt, in dem sich die Krone schließlich gegen den Adel durchsetzte. Nach dem Tod von Mazarin übernimmt 1661 der jetzt 18 jährige Lous XIV die Macht. Mit dem "Roi-Soleil", um den sich in Frankreich alles zu drehen hatte, wie die Erde um die Sonne, erreicht der Absolutismus seinen Höhepunkt. "L'état c'est moi!", dieser Ausspruch von Louis XIV bringt seine uneingeschränkte Herrschaft auf den Punkt. Unter diesem Blickwinkel ist es nur konsequent, wenn 1685 das Toleranzedikt von Nantes im Edikt von Fontainebleau wieder aufgehoben wird. Die Folge ist die Vertreibung der Hugenotten. Damit wird getreu der Devise von Louis "Un roi, une foi, une loi" die konfessionelle Einheit Frankreichs vollendet.

Mit Louis XIV ist natürlich auch der Begriff der französischen Klassik verbunden. Dieser Begriff greift zum einen auf das Vorbild der griechisch-römischen Antike zurück, zugleich will die Epoche aber auch selbst Maßstäbe setzen. In der Kunst verlangt das klassische Ideal Klarheit und das Befolgen strenger, starrer Normen. Als für die Literatur besonders wichtig gelten die 3 Theaterautoren Molière (1622-1673), Racine (1639-1699) [Akademiemitglied] und Pierre Corneille (1606-1684) [Akademiemitglied]. Das Stück von Pierre Corneille, Le Cid von 1637 entfachte die sogenannte "Querelle du Cid", bei der es um die Einhaltung der klassischen Normen ging, und die im Rahmen der Académie française eine Rolle spielen wird. Daneben sind auch noch Jean de La Fontaine (1621-1695) [Akademiemitglied], von dem die Fables (1678) stammen, und Boileau (1636-1711) [Akademiemitglied] wichtig, dessen L'art poétique (1674) literarische Normen setzt. 1674 wurde die Comédie-Française gegründet.

Mit der Epoche von Louis XIV. werden jedoch nicht nur innere Einigung, äußere Erweiterung (Eroberung von Lille und Straßburg) sowie eine kulturelle Blütezeit Frankreichs verbunden, sondern auch eine Zeit von Kriegen und Hungersnöten. Der durch die Verschwendung des Königs und seines Hofstaats in Versaille zumindest mitverschuldete wirtschaftliche Niedergang Frankreichs führte schließlich dazu, dass das Land beim Tod von Louis XIV 1715 zahlungsunfähig war.

Der Adel hatte durch die Zentralisierungsbestrebungen von Richelieu in dieser Zeit seine politische Funktion verloren und hatte sich neuen Interessen zugewandt. Es enstand ein geschlossener Kulturkreis, der die nächsten Jahrhunderte bestimmte. Diese neue Gesellschaft, d.h. ihr gebildeter Teil, richtete sich an den Idealen des honnête homme aus. Die Grundlage hierfür war Baldassare Castigliones Il libro del Cortegiano, das im 16. Jahrhundert ins Französische übersetzt worden war und große Verbreitung fand. Ähnliches gilt auch für die Werke Civile Conversatione von Stefano Guazzo oder Galateus von Giovanni della Casa. Die Konversation wird in dieser Art von Gesellschaft in Italien (italienische Renaissance) und in Frankreich (Louis XIV) sehr hoch eingeschätzt. Hinzu kommt der Einfluß der zahlreichen italienischen Akademien, die sich, wie wir gesehen haben, im Laufe des 16. Jahrhunderts mehr der Pflege der italienischen Sprache und Literatur zuwandten. In den Hofmann - Traktaten, die in Frankreich im Gefolge des Cortegiano erscheinen, wird nach Spillner immer wieder auf die Bedeutung des guten höfischen Sprachgebrauchs hingewiesen. In der gleichen Zeit entstanden auch die Salons, der bekannteste war der der Italienerin Madame de Rambouillet. Den Frauen wird allgemein zugeschrieben, dass sie eine "refining influence on both the manners and language of the noblemen" ausübten (Lough 1969: 228). Daher spielt auch die Beschäftigung mit der Sprache eine große Rolle. Eine bestimmte soziale Klasse beginnt also, sich mit der Sprache zu beschäftigen und über sie zu diskutieren. Gegenstand dieser Diskussionen ist u.a. auch die Normierung der Sprache. Nach Spillner wird also im 17. Jahrhundert der Hof meinungsbildend in der Diskussion um lexikalische und grammatische Fragen, wobei er aus politischen Gründen mehr und mehr die zuvor vom Gerichstwesen "parlement" ausgeübte Rolle als Entscheidungsinstanz für den guten Sprachgebrauch übernimmt (Spillner 1981: 13). Es kam auch zu extremen Haltungen vgl. die Précieuses (?). Dem Urteil Molières ist allerdings nicht ganz zu trauen.

2.4.1 François de Malherbe

Mit François de Malherbe (1555-1628), der Hofdichter war, beginnt die eigentliche Normierung der französischen Sprache. Gestützt auf die Regeln der antiken Rhetorik, insbesondere auf Quintilians Institutio oratoria, unterzog Malherbe die Werke zeitgenössischer Dichter einer schonungslosen Sprachkritik, die oft mit schulmeisterlicher Pedanterie einherging. Seine Sprachdoktrin ist in keiner eigenen Abhandlung niedergelegt, sondern manifestiert sich als Sammlung von Einzelbemerkungen. So nimmt er etwa Vers um Vers von Desportes unter die Lupe und mißt sie an seinem eigenen Sprachgefühl und bewertet sie entsprechend.

Malherbe hat zur französischen Standarsprache insofern beigetragen, als er zahlreiche Varianten im morphosyntaktischen und syntaktischen Bereich (Artikelsetzung, Modusgebrauch, Verwendung von Personalpronomina, Wortstellung) rigoros beschnitt. Im Namen der clarté verwendet er viel Mühe auf die Suche nach dem richtigen Ausdruck und auf die Abgrenzung semantisch ähnlicher Wörter. Sein Hauptanliegen war die épuration du vocabulaire. Er verfolgte unnachsichtig Fremdwörter, besonders Italianismen, Gräzismen, Latinismen und sprach sich vehement gegen die Verwendung von Regionalismen aus. Seine Devise ist "dégasconner la cour". Er verbannte auch Archaismen, Neologismen und Technizismen aus dem guten Sprachgebrauch. Und natürlich galt es mots sales, mots bas et plébées zu meiden, denn sie verstießen gegen die bienséance.

Malherbes Sprachdoktrin galt zunächst nur der Poesie. Durch seine hervorragende Stellung bei Hofe fand sie aber bald auch auf die Schriftsprache und die gepflegte Konversation Anwendung. Erfolg hatte seine Sprachdokrin nicht zuletzt auch deshalb, weil sie auf der derselben Linie lag, wie die französische Staatsideologie des 17. Jahrhunderts und weil sie sich mit einem zeitgenössischen Bildungsideal deckte: so war die Politik der absoluten Monarchie auf die Konsolidierung des Nationalstaates gerichtet. Sie strebte deshalb nach einer Abgrenzung gegenüber anderen Staaten und deren Sprachen, nach einer vollständigen Zentralisierung im Innern. Letzteres ging einher mit einer Abwertung des politischen, kulturellen und sprachlichen Gewichts der einzelnen Regionen. Das Bildungsideal der gesellschaftlichen Elite war der honnête homme. Er sollte über alle Themen in klarer, gepflegter, allgemein verständlicher Sprache und ohne Verwendung von Fachausdrücken eine Konversation bestreiten können.

2.4.2 Die Akademiebewegung in Frankreich

Von Italien ausgehend erfaßte die Akademiebewegung ab dem Ende des 16. Jahrhunderts auch andere europäische Länder, hauptsächlich England, Frankreich, Deutschland und Spanien. In den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts setzte dann der Prozeß der Verstaatlichung eines großen Teils der europäischen Akademiebewegung ein. Die Entwicklung in England und Frankreich zu modernen Nationalstaaten und der Zentralisierung der politischen Macht im Absolutismus führten zu dem Bemühen, durch Metropolisierung der Wissenschaft das politische Zentrum des Staates auch zum geistigen Mittelpunkt zu machen. Die Akademien unterstanden direkt dem Monarchen, wodurch das soziale Ansehen ihrer Mitglieder erheblich stieg. Da die Akademien von Kirche und Universität weitgehend unabhängig blieben, konnten sie relativ frei über wissenschaftliche Fragen diskutieren, sowie Erfahrungen austauschen, naturwissenschaftliche Experimente und Forschungen durchführen und ihre Erkenntnisse mit hilfe von Publikationen international verbreiten.

Die erste französische Akademie mit vom König, in diesem Fall war es Karl IX., genehmigten Statuten, war die 1570 von dem Dichter und Humanisten Jean-Antoine de Baïf (1532-1589) gegründete Académie de Poésie et de Musique. Diese Akademie veranstaltete nicht nur Konzerte, sondern hier wurden auch alle möglichen Themen diskutiert: Naturphilosophie, Mathematik, Malerei, Geographie, sittlich-moralische Fragen, militärische Ausbildung etc. Nach dem Tod des Königs Karl IX wurde die Akademie von Guy du Faur de Pibrac (1529-1584) unter dem Protektorat seines Nachfolgers König Heinrich III. von 1576 bis 1585 als Académie du Palais mit ihren alten Statuten im Louvre weitergeführt.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden in Paris dann zahlreiche private Akademien, in denen naturwissenschaftliche Forschungen betrieben wurden. So etwa

Danach entstanden noch weitere Akademien für die unterschiedlichsten Bereiche. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden nach dem Vorbild der Hauptstadt auch zahlreiche Provinzakademien gegründet.

2.5 Die Académie française

Seit 1629 gab es zudem einen gelehrten Privatzirkel, der im Haus von Valentin Conrart, dem Sekretär von Louis XIII, zusammentrat. Am 13. März 1634 tritt dieser entsprechend einer Aufforderung von Richelieu zum ersten Mal als Académie française zusammen. Von Nicolas Faret stammt der Entwurf zur Einrichtung einer Académie (vgl. Vorworte bei Nebrija, Barros). Der Entwurf von Faret findet sich in: Baum, Richard (1989): Sprachkultur in Frankreich. Texte aus dem Wirkungsbereich der Académie française. Bonn: Romanistischer Verlag.

2.5.1 Der Entwurf zur Einrichtung einer Académie von Nicolas Faret

In dieser Rede wird zunächst darauf eingegangen, dass das Land seit jeher viele wichtige Männer hervorgebracht hat, von deren Ruhm aber im Unterschied zu dem der Griechen und Römer jede Kunde fehlt, weil sie es nicht verstanden haben, ihn niederzuschreiben. Auch Griechen und Römer wurden jedoch zu Skalven anderer Völker und ihre Sprachen zählen deshalb zu den toten Sprachen. Frankreich dagegen hatte Glück, denn es ist nicht nur noch immer im Besitz der Werte der Vorfahren, sondern auch in der Lage, die Eloquenz wieder aufleben zu lassen, die zusammen mit denen, die sie erfunden haben und deren Lehrern gealtert zu sein scheint. Es war ein glückliches Zusammentreffen, dass sich nach den großen und denkenswerten Aktionen des Königs unter seinen Untergebenen so viele Männer finden, die fähig sind, das Lesen zu lassen, was auf so erstaunliche Weise ausgeführt wurde. Auch hat der Kardinal Richelieu nicht zuletzt den Schutz der belles lettres übernommen "si necessaires pour le bien, et pour la gloire des Etats".

Der Entwurf fährt fort:

Qu'il sembloit ne manquer plus rien à la felicité du Royaume, que de tirer du nombre des Langues barbares, cette Langue que nous parlons, et que tous nos voisins parleroient bien-tost, si nos conquestes continuoient comme elles avoient commencé.
Que nostre Langue plus parfaite desia que pas vne des autres vivantes, pourroit bien enfin succeder à la Latine, comme la Latine à la Greque, si on prenoit plus de soin qu'on n'avoit fait jusques icy de l'elocution, qui n'estoit pas à la verité toute l'eloquence, mais qui en faisoit vne fort bonne, et fort considerable partie.

Die Académie sollte folgende Aufgaben haben:

Qu'elles seroient de nettoyer la Langue des ordures qu'elle avoit contractées, ou dans la bouche du peule, ou dans la foule du Palais, et dans les impuretez de la chicane, ou par les mauvais usages des Courtisans ignorans, ou par l'abus de ceux qui la corrompent en l'écrivant, et de ceux qui disent bien dans les chaires, ce qu'il faut dire, mais autrement qu'il ne faut. Que pour cét effect il seroit bon d'establir vn vsage certain des mots.

Dabei sollte der heutige Gebrauch nach den 3 Genres eingeteilt werden: le style sublime, le style mediocre, le style bas/le style comique.

Erreicht werden sollte das durch

l'examen et la correction de leurs [der Akademiker] propres ouvrages. Qu'on en examineroit severement le sujet, et la maniere de le traitter, les arguments, le style, le nombre, et châque mot en particulier.

Die Einzelnen sollten danach selbst entscheiden, ob sie ihre Werke entsprechend korrigieren wollten.

Hinsichtlich der Richtschnur wird gesagt:

l'academie ne desiroit plaire qu'au plus sage de tous les hommes, et non pas à des foux qui commençoient d'estre ébloüis de la gloire qu'elle recevoit d'vn si grand protecteur.

Sollten ihre Beschlüsse auch in der Zukunft nicht als Regeln funktionieren können, dann könnten sie wenigstens Ratschläge darstellen. Hinsichtlich des Namens und der Institutionalisierung wird gesagt:

Que cette Compagnie avoit pris le nom d'ACADEMIE FRANÇOIS, parce qu'il estoit le plus modeste, et le plus propre à sa fonction. Que pour le seau dont elle se serviroit, et les privileges dont elle jouïroit, elle s'en remettoit à son Fondateur, et à son autorité, qui seule ayant donné la forme à cette institution, la pouvait eslever sur des fondemens assez forts pour durer autant que la Monarchie.

Der Entwurf von Faret wird am 27. März 1634 dem Kardinal Richelieu überbracht und von Mai bis Oktober 1634 von der Académie eingehend erörtert. Die Informationen über den Entwurf und die Sitzungen stammen von Pellisson, der die Akademiesitzungen bis zum Jahr 1652 ausgewertet hat. Die Sitzungsberichte der Académie bis zum Jahr 1672 sind nicht überliefert.

2.5.2 Die Gründungsurkunde

Vom 29. Januar 1635 stammt die Gründungsurkunde der Académie Française, die in Baum, Richard (1989): Sprachkultur in Frankreich. Texte aus dem Wirkungsbereich der Académie française. Bonn: Romanistischer Verlag abgedruckt ist.

In dieser Urkunde, die vom König unterschrieben ist, wird zunächst darauf hingewiesen, dass der König seit der Übernahme der Regierung versucht hat, nicht nur etwas gegen das von den Bürgerkriegen verursachte Durcheinander zu tun, sondern auch Frankreich und damit die älteste existierende Monarchie mit allen möglichen Schätzen auszustatten, dass dies aber bisher wegen verschiedener Unruhen noch nicht vollständig möglich war, da er vom Gedanken an den Krieg davon abgelenkt und daran gehindert wurde, die Ruhe zu genießen, die Frankreich den anderen ermöglicht. Nachdem nun aber die anderen unter Frankreichs Schutz in Ruhe und Ordnung leben können und in Frankreich der Handel wieder zum Leben erwacht ist, die Armee diszipliniert wurde und die Finanzen geregelt sind, wäre es jetzt ein Fehler, dem Vorschlag Richelieus nicht zu folgen.

Was schlägt nun Richelieu vor? Er schlägt vor:

Dies tut der König mit dieser Urkunde. Darin wird zugleich festgelegt, dass

Die Gründungsurkunde wird am 5. Februar dem Parlement zur Eintragung ins Register übergeben. Die Bestätigung durch das Parlament erfolgt allerdings erst am 10. Juli 1637, nachdem Richelieu und der König mehrmals das Parlament dazu aufgefordert hatten.

2.5.3 Die Statuten und die Geschäftsordnung

Vom Februar 1635 stammen auch die von Richelieu selbst ausgearbeiteten Statuten sowie die Geschäftsordnung der Académie. Hierin manifestiert sich (ähnlich wie in der Toskana unter Cosimo II) eine gezielte Sprachpolitik. Ganz im Sinne der absolutistisch - zentralistischen Idee, sollte die Académie die für den zentralistischen Einheitsstaat notwendige einheitliche Sprache schaffen und überwachen:

à donner des règles certaines à nostre langue, et à la rendre pure, éloquente, et capable de traiter les Arts, et les Sciences. (§ 24)

Der Akademie wird eine doppelte Aufgabe zugewiesen: nämlich eine Bestandsaufnahme der französischen Sprache:

Les meilleurs autheurs de la langue françoise seront distribuëz aux Académiciens, pour observer tant les dictions, que les phrases qui peuvent servir de régles générales, et en faire rapport à la Compagnie, qui jugera de leur travail, et s'en servira aux occasions. (§25)

und zu ihrer Verbreitung ein dictionnaire, eine Grammatik, eine Rhetorik und eine Poetik zu erarbeiten:

Il sera composé vn Dictionnaire, vne Grammaire, vne Réthorique. et vne Poëtique sur les observations de l'Académie. (§26)

Ab 1635 fällt damit einer staatlichen Institution die Aufgabe der Sprachnormierung zu. Bei der Ausrichtung der Académie richtet sich Richelieu nach dem Vorbild der italienischen Accademia. Die Verbindung zwischen der Crusca und Frankreich wird nicht zuletzt auch darin klar, dass das 1612 erschienene Vocabolario degli Academici della Crusca dem in Frankreich regierenden Concini gewidmet ist.

2.5.4 Querelle du Cid

Die erste wichtige Aufgabe der Akademie im Rahmen der Reinhaltung und Vereinheitlichung der Sprache bestand darin, zur "Querelle du Cid" Stellung zu nehmen. 1637 wurden die Sentiments de l'Academie Françoise sur la tragi-comedie du Cid veröffentlicht. Darin gab die Académie denjenigen recht, die Corneille Mißachtung der klassischen Regeln vorgeworfen hatten.

2.5.5 Das Wörterbuch

Danach nahm sich die Académie vor, ein Wörterbuch zu erarbeiten. Ein Konzept dafür hatte Jean Chapelain gleich nach der Gründung der Académie vorgelegt. Abgedruckt ist es in: Baum, Richard (1989): Sprachkultur in Frankreich. Texte aus dem Wirkungsbereich der Académie française. Bonn: Romanistischer Verlag bes. 22-24.

Dieses Konzept sieht vor, dass von den berühmten, nicht mehr lebenden Autoren die Bücher herangezogen werden, die die Académie für die reinsten und eloquentesten hält. Diese werden an die Mitglieder ausgeteilt, damit sie sie aufmerksam lesen. Auf jeweils verschiedene Blätter sollen sie die Wendungen und Sätze schreiben, die sie als wirklich französische erkennen zusammen mit den Angaben zum Band und der jeweiligen Seite. Auf den Sitzungen werden diese dann behandelt und es wird darüber mehrheitlich abgestimmt, ob sie akzeptiert oder abgelehnt werden. Nur diejenigen, die als gut befunden werden, werden aufgenommen. Auf diese Weise werden nach und nach Wörter aus dem ganzen Korpus der französischen Autoren gesammelt und für Frankreich und das Ausland autorisiert zusammen mit dem Nachweis der Autoren. Damit, dass die Académie auf die Herkunft der Ausdrücke und Sätze verweist, wird denjenigen Autoren, von denen sie stammen, Lob gezollt, ohne ihnen aber Anerkennung für andere Ausdrücke und Sätze zuzusprechen.

Der Vorschlag Chapelains zum Wörterbuch der Académie enthält aber auch z.T. schon über das Konzept der Crusca hinausgehende Vorstellungen. So sollten zwar die Werke geschätzter, aber schon gestorbener Autoren die Grundlage sein, zugleich sollte aber auch eine Sammlung von Wörtern und Sätzen angelegt werden, die sich zwar nicht bei den Autoren finden, aber zum aktuellen Sprachgebrauch gehören. Auch diese sollten nach Autorisierung durch die Akademie ins Wörterbuch aufgenommen werden und zwar mit dem Hinweis, dass sie vom usage autorisiert sind.

Das Wörterbuch sollte zudem aus zwei Teilen bestehen. Einem ersten Teil, der sich nicht am Alphabet ausrichtet, sondern an den Stämmen der einfachen Wörter. Die einfachen Wörter erscheinen dabei zuerst zusammen mit der Angabe, um welchen Redeteil es sich handelt (Verb, Substantiv etc.). Danach folgen Wortzusammensetzungen, -ableitungen, Diminutive und Ausdrücke. Sie werden für die Ausländer lateinisch erklärt. Dann folgt das Zitat der Belegstelle und die Angabe zum Autor, von dem das Zitat stammt. Um das Werk nicht zu groß werden zu lassen, kann bei einfachen Wörtern, die in allen Büchern erscheinen und zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören, auf Belegstellen verzichtet werden. Das Wörterbuch soll Angaben zum Genus der Nomen und zum Stil enthalten, lange Silben bekommen einen Akzent, offenes und geschlossenes E werden durch Diakritika unterschieden, die Orthographie richtet sich an der üblichen aus, um das Lesen nicht zu erschweren. Überflüssiges soll aber ausgeschieden werden.

Der zweite Teil des Wörterbuchs sollte einen Art alphabetisch geordneten Index darstellen, wo nur die Wörter zusammen mit der Angabe zur Seite, wo sie behandelt werden erscheinen. Zugleich sollte auch eine Sammlung der Wörter erstellt werden, die sich zwar bei den Autoren finden, aber nicht mehr gebraucht werden. Sie sollen erklärt werden, damit die Bücher, wo sie erscheinen, verstanden werden können. Zudem sollte ein Wörterbuch zu den einfachen lateinischen Wörtern, die in den für die Ausländer gedachten Erklärungen im Hauptwörterbuch erscheinen, zusammengestellt werden.

Aus dem Wörterbuch ausgeschlossen werden sollten alle möglichen Eigennamen und alle Fachtermini, bis auf die, die zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören. Es bleibt anderen ausdrücklich freigestellt, hierzu Spezialwörterbücher zu erstellen.

Die Orientierung des Konzepts von Chapelain an der Crusca zeigt sich also v.a. darin, dass er als Grundlage für das Wörterbuch die in den Texten fixierte Sprache festlegt, die Orthographie aber an der damals aktuellen orientiert. Dieser Kontakt setzt sich dann allerdings in der Struktur des französischen Wörterbuchs nicht fort, denn die Methode der Crusca setzte die Existenz einer schon klassischen und durch die Jahrhunderte abgesegneten Literatur, die nicht mehr erst diskutiert werden mußte, voraus. In Frankreich gab es aber keine solche Literatur. Die Sprache in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Frankreich ist denn auch eine neue Sprache, an der mehr als die Schriftsteller und die Gelehrten, die mondänen Schichten mitgearbeitet haben, die die Politik der französischen Monarchie um den Hof zentriert.

Mit Vaugelas ändert sich dann das Konzept des Wörterbuchs grundlegend. Seine Auffassung legt er in den Remarques svr la langve Françoise dar, von denen 1637 ein erster Entwurf vorliegt, der dann von den Akademiemitgliedern diskutiert wird.

2.6 Claude Favre de Vaugelas

Einen großen Einfluß auf die Académie hatte Claude Favre de Vaugelas (1585-1650), der in Meximieux (Bresse) in Savoyen als Sohn eines Juristen geboren wurde. Dieser Hintergrund wirkte sich auf sein sprachtheoretisches Denken aus. Er setzte die Normierungsbemühungen von Malherbe fort. 1647 erscheinen seine Remarques svr la langve Françoise. Sie sind sein einziges Werk. Daneben hat er noch zwei Übersetzungen angefertigt: 1615 erschien Les sermons de Fonseque sur tous les evangiles du Caresme: Avec une paraphrase perpetuelle sur toutes les parties des Evangiles (aus dem Spanischen), und 1653 (drei Jahre nach seinem Tod): Quinte Curce, De la vie et des actions d'Alexandre le grand (aus dem Lateinischen). Wohl nicht zuletzt aufgrund seiner Herkunft hatte Vaugelas in Paris Kontakt zur Gesellschaft und zum "Hof als geographischem, politischen und sozialen Zentrum" (Settekorn 1988: 61). Seine Einstellung ist "durch finanzielle, institutionelle und allgemein soziale Einbindung in die höfische Gesellschaft geprägt" (Settekorn 1988: 53). Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Akademie. 1637 lag ein erster Entwurf seiner Remarques svr la langve Françoise vor, der noch nicht veröffentlicht, aber von den Akademiemitgliedern diskutiert wurde (cf. Bagola 1991: 153).

1639 wurde ihm, nachdem ein erster Versuch, ein Wörterbuch zu erstellen, fehlgeschlagen war, auf Drängen der Akademie von Richelieu schließlich eine Pension von 2000 Pfund zugesagt, damit er als Sekretär mit der Redaktion des Wörterbuches beauftragt werden konnte (cf. Baum 1989: 27-29), wie sich zeigt, ohne greifbaren Erfolg. Wesentlich wichtiger als diese Tätigkeit ist das Buch, das ihn berühmt gemacht hat. Hinter dem Titel Remarques svr la langue françoise, utiles à ceux qui veulent bien parler et bien escrire verbirgt sich nämlich eines der wichtigsten sprachnormierenden Werke der französischen Grammatikographie.

2.6.1 Le bon usage

Vaugelas beschäftigt sich darin, wie der Titel Remarques svr la langue françoise, utiles à ceux qui veulent bien parler et bien escrire zeigt, sowohl mit der gesprochenen als auch mit der geschriebenen Sprache seiner Zeitgenossen. Im Vorwort führt er aus, dass er keine Gesetze aufstellen will, da diese Macht nur dem bon usage zusteht:

CE ne sont pas icy des Loix que ie fais pour nostre langue de mon authorite priuée ; Je serois bien temeraire, pour ne pas dire insense ; car à quel titre & de quel front pretendre un pouuoir qui n'appartient qu'à l'Vsage, que chacun reconnoist pour le Maistre & le Suuerain des langues viuantes? (Vaugelas 1647/1934: 1).

dass er aber den bon usage aus dem Bestehenden herausfiltern will:

Mon dessein n'est pas de reformer nostre langue, ny d'abolir des mots, ny d'en faire, mais seulement de monstrer le bon usage de ceux qui sont fait, & s'il est douteux ou inconnu, de l'esclaircir, & de le faire connoistre.

Er wird also von diesem bon usage Zeugnis ablegen. Deshalb heißt die Schrift auch Remarques und nicht Decisions. Vaugelas versucht nun zu klären, was er unter dem bon usage versteht. Er versteht darunter nicht einfach die Sprache einer Sprachgemeinschaft:

Car si ce n'est autre chose, comme quelques- uns se l'imaginent, que la façon ordinaire de parler d'une nation dans le siege de son Empire, ceux qui y sont nez & éleuez, n'auront qu' à parler le langage de leurs nourrices & de leurs domestiques, pour bien parler la langue de leur pays, & les Prouinciaux & les Estrangers pour la bien sçauoir, n'auront aussi qu' à les imiter.

Stattdessen gilt es zwei usages zu unterscheiden, den bon usage und den mauvais usage:

Il y a sans doute deux sortes d'Vsages, vn bon & vn mauuis. Le mauuais se forme du plus grand nombre de personnes, qui presque en toutes choses n'est pas le meilleur, & le bon au contraire est composé non pas de la pluralité, mais de l'élite des voix, & c'est veritablement celuy que l'on nomme le Maistre des langues, celuy qu'il faut suiure pour bien parler, & pour bien escrire en toutes sortes de stiles, si vous en exceptez le satyrique, le comique, en sa propre & ancienne signification, & le burlesque, qui sont d'aussi peu d'estenduë que peu de gens s'y adonnent.

Der mauvais usage ist für die überwiegende Mehrheit des Volkes kennzeichnend. Dieser verdient es nicht, näher beleuchtet zu werden. Der bon usage wurde seiner Meinung nach dagegen nur von einer kleinen Minderheit beherrscht, von der élite des voix. Dieser sollte beschrieben und kultiviert werden. Den bon usage definiert er wie folgt:

C'est la façon de parler de la plus saine partie de la Cour, conformément à la façon d'escrire de la plus saine partie des Autheurs du temps. Quand ie dis la Cour, i'y comprens les femmes comme les hommes, & plusieurs personnes de la ville où le Prince reside, qui par la communication qu'elles ont auec les gens de la Cour participent à sa politesse.

Vaugelas vertritt also einen aristokratisch-elitären Sprachbegriff, der völlig auf die absolutistische Monarchie zugeschnitten ist. Die Sprachform, die an der Universität (la chaire) oder bei Gericht (le barreau) verwendet wird und die im 16. Jahrhundert noch teilweise Vorbildfunktion besaß, ordnet er jetzt dem Sprachgebrauch des Hofes qualitativ unter.

Der Hof allein reicht aber als regelschaffende Instanz nicht aus, sondern die guten Autoren müssen ebenfalls einen Beitrag leisten. Der bon usage findet sich dann gerade dort, wo sie beide übereinstimmen:

Toutefois quelque auantage que nous donnions à la Cour, elle n'est pas suffisante toute seule de seruir de reigle, il faut que la Cour & les bons Autheurs y concourent, & ce n'est que de cette conformité qui se trouue entre les deux, que l'Vsage s'etablit.

Der Hof ist somit die oberste Instanz, weil das gesprochene Wort vor dem geschrieben kommt. Das geschriebene Wort ist nur ein Abbild des gesprochenen. Das gesprochene Wort ist dagegen Abbild des Geistes:

Car enfin la parole qui se prononce, est la premiere en ordre & en dignité, puis que celle qui est escrite n'est que son image, comme l'autre est l'image de la pensée.

Die guten Schriftsteller drücken dem Sprachgebrauch des Hofes das Siegel auf und verbreiten ihn bei den Lesenden, die durch die Lektüre ihre Fehler verbessern und eine reine Sprache und einen reinen Stil erhalten. Dies läßt sich nur bei den guten Autoren lernen:

Mais le consentement des bons Autheurs est comme le sceau, ou une verification, qui authorise le langage de la Cour, & qui marque le bon Vsage, & decide celuy qui s'estudient à bien parler & à bien escrire, lors que se rendant assidus à la lecture des bons Ouurages, ils se corrigent de plusieurs fautes familieres à la Cour, & acquierent une pureté de langage & de stile, qu'on n'apprend que dans les bons Autheurs.

Trotzdem reicht das Lesen nicht aus, um die Sprache des Hofes zu lernen. Um eine gute Aussprache zu lernen, muß man sich stattdessen am Hof aufhalten. Nur am Hof, den Vaugelas hier mit einer école gleichsetzt, lassen sich auch die neuen in die Konversation eindringenden Wörter lernen.

Was das Schreiben betrifft, so kann man durch das Lesen der guten Autoren durchaus selbst zu einem guten Autor werden, indem man sich an ihnen wie an Modellen orientiert. So hat ja der Kardinal Bembo gesagt, dass die besten italienischen Autoren zumeist nicht die waren, die in die Reinheit der Sprache hineingeboren waren, weil eben nirgends auf der Welt die Sprache so rein ist, dass sich darein nicht einige Fehler mischten und weil es unmöglich ist, dass diejenigen, für die diese Fehler natürlich sind, sie nicht auch in ihre Schriften einfließen lassen. Statt wie die anderen, die einen solchen Vorteil haben, dauernd vor den Fehlern ihrer Gegend auf der Hut zu sein, haben sie sich ausgezeichneten Meistern angeschlossen, um sie zu imitieren. Oft sind sie dabei sogar über diese hinausgewachsen:

Le Cardinal Bembo à qui la langue Italienne est si redeuable, qui n'a pas terni l'esclat de sa pourpre parmy la poussiere de la Grammaire, a obserué, que presque tous les meilleurs Autheurs de sa langue, n'ont pas esté ceux qui estoient nez dans la pureté du langage, & cela par cette seule raison, qu'il n'y a iamais eu de lieu au monde, non pas mesme Athenes ny Rome, où le langage ait esté si pur, qu'il ne s'y soit meslé quelques defauts, & qu'il est comme impossible, que ceux à qui ils sont naturels n'en laissent couler dans leurs escrits; Au lieu que les autres ont cet avantage, que se deffiant continuellement des vices de leur terroir, ils se sont attachez à des patrons excellens qu'ils se sont proposez d'imiter, & qu'ils ont souuent surpassez prenant de chacun ce qu'il auoit de meilleur;

Vaugelas leitet daraus ab, dass es dreierlei bedarf, um wirklich gutes Sprechen und Schreiben zu lernen, nämlich

Nur letztere können in Zweifelsfällen entscheiden:

Il est vray que d'adiouster à la lecture, la frequentation de la Cour & des gens sçauants en la langue, est encore toute autre chose, puis que tout le secret pour acquerir la perfection de bien escrire & de bien parler, ne consiste qu'à joindre ces trois moyens ensemble. Si nous l'auons fait voir pour la Cour & pour les Autheurs, l'autre n'y est gueres moins necessaire, parce qu'il se presente beaucoup de doutes & de difficultez, que la Cour n'est pas capable de resoudre, & que les Autheurs ne peuuent esclaircir, soit que les exemples dont on peut tirer l'esclaircissement y soient rares, & qu'on ne les trouue pas à point nommé, ou qu il n'y en ait point du tout.

Die Reinheit der Sprache läßt sich also nicht leicht erwerben. Man braucht dazu die 3 genannten Mittel. Die ersten beiden verlangen zudem viel Zeit. Auch reicht es nicht, immer wieder eine Reise an den Hof zu machen und Leute, die diese Sprache benutzen zu kennen, man muß (wie Vaugelas) am Hof schon lange leben und intensiv mit diesen Leuten verkehren und man darf sich nicht zu lang in der Provinz aufhalten, um seine Sprache nicht von der dortigen korrumpieren zu lassen:

Ce n'est donc pas une acquisition si aisée à faire que celle de la pureté du langage, puis qu'on n'y sçauroit paruenir que par les trois moyens que i'ay marquez, & qu'il y en a deux qui demandent plusieurs années pour produire leur effet; Car il ne faut pas s'imaginer que de faire de temps en temps quelque voyage à la Cour, & quelque connoissance auec ceux qui sont consommez dans la langue, puisse suffire à ce dessein. Il faut estre assidu dans la Cour & dans la frequentation de ces sortes de personnes pour se preualoir de l'un & de l'autre, & il ne faut pas insensiblement se laisser corrompre par la contagion des Provinces en y faisant un trop long sejour.

Ich denke, damit rechtfertigt Vaugelas seine eigene Kompetenz. Natürlich gibt er sich bescheiden, wenn er dann sagt, dass er nicht für sich in Anspruch nehme, dass mit dem dreimaligen aufmerksamen Lesen seiner Remarques das Gleiche erreicht werden könne, wie mit den drei genannten Mitteln, er meint aber, dass sie diesem Ziel nahekommen könnten, wenn er seine Arbeit so gut geleistet hat, wie sie eben einer leisten kann, der die gleichen Prädikate aufweisen kann, wie er:

qui depuis trente-cinq ou quarantes ans auroit uescu dans la Cour, qui dès sa tendre jeunesse auroit fait son apprentissage en nostre langue aupres du grand Cardinale du Perron & de M. Coëffeteau, qui sortant de leurs mains auroit eu un continuel commerce de conference & de conuersation avec tout ce qu'il y a eu d'excellens hommes à Paris en ce genre, & qui avroit uieilli dans la lecture de tous les bons Autheurs.

Den bon usage unterteilt Vaugelas dann weiter in einen usage declaré, also den Gebrauch, wo Hof und gute Autoren übereinstimmen, und einen usage douteux:

L'usage declaré est celuy dont on sçait asseurément que la plus saine partie de la Cour et des autheurs du temps sont d'accord; et par consequent le douteux ou l'inconnu est celuy dont on ne le sçait pas.

Was die Zweifel betrifft, so gibt es für sie zumindest die folgenden Gründe:

Ausgeräumt werden die Zweifel

sind sie gespalten, dann können beide Arten gebraucht werden bzw. diejenige, die einem besser gefällt

Da aber die Befragten, wenn sie keine Vorlagen für einen bestimmten Gebrauch haben, letztendlich ihre Kenntnisse durch Analogieschlüssen ziehen, gründet sich die Sprache entweder auf den usage oder auf die Analogie:

De tout ce discours il s'ensuit que nostre langue n'est fondée que sur l'Vsage ou sur l'Analogie, laquelle encore n'est distinguée de l'Vsage, que comme la copie ou l'image l'est de l'original, ou du patron sur lequel elle est formée, tellement qu'on peut trancher le mot, & dire que nostre langue n'est fondée que sur le seul Vsage ou desia reconnû, ou que l'on peut reconnoistre par les choses qui sont connuës, ce qu'on appelle Analogie.

Vaugelas kritisiert hier diejenigen, die behaupten, Sprache gründe sich auf Vernunft (raison). Mit dem usage ist es seiner Meinung nach wie mit dem Glauben, man kann darüber diskutieren und versuchen, ihn zu begründen, letztendlich muß man sich ihm aber unterwerfen:

Ainsi l'Vsage est celuy auquel il se faut entierement sousmettre en nostre langue, mais pourtant il n'en exclut pas la raison ny le raisonnement, quoy qu'ils n'ayent nulle authorités; [...] En un mot l'Vsage fait beaucoup de choses par raison, beaucoup sans raison, & beaucoup contre raison.

Vernünftig sind die meisten grammatischen Konstruktionen, wie etwa der Accord. Dagegen hat zum Beispiel die Art und Weise der Ähnlichkeit oder Variation der Tempusformen und Personen keinen vernünftigen Grund, sie entspringt der Phantasie der ersten Menschen, die die Sprache geschaffen haben. Gegen die Vernunft verstößt z.B. zu sagen "une infinité de gens croyent". Hinzu kommen noch die delicatesse & les mysteres du stile. Der Bon Vsage ist zugleich der bel Vsage und der mauvais usage schließt auch das Vulgäre ein.

Was heißt nun aber peuple?

De ce grand Principe, que le bon Vsage est le Maistre de nostre langue, il s'ensuit que ceux-là se trompent, que en donnent tout la iurisdiction au peuple, abusez par l'exemple de la langue Latine mal entendu, laquelle, à leur auis, reconnoist le peuple pour son Souuerain; car ils ne considerent pas la difference qu'il y a entre populus en Latin, & Peuple en François, & que ce mot de Peuple ne signifie aujourd' huy parmy nous que ce que les Latins appellent Plebs, qui est une chose bien differente & au dessous de Populus en leur langue. Le Peuple composoit auec le Senat tout le corps de la Republique, & comprenoit les Patriciens, & l'Ordre des Cheualiers avec le reste du Peuple. Il est vray qu'encore qu'il faille avoûer que les Romains n'estoient pas faits comme tous les avtres hommes, & qu'ils ont surpassé toutes les Nations de la terre en lumiere d'entendement, & en grandeur de courage, si est ce qu'il ne faut point douter, qu'il n'y eust diuers degrez, & comme diverses classes de suffisance & de politesse parmy ce peuple, & que ceux des plus bas estages n'vsassent de beaucoup de mauuais mots & de mauuaises phrases, que les plus éleuez d'entre eux condemnoient. Tellement que lors qu'on disoit que le Peuple estoit le Maistre de la langue, cela s'entendoit sans doute de la plus saine partie du peuple, comme quand nous parlons de la Cour & des Autheurs, nous entendons parler de la plus saine partie de l'un & del'autre. Selon nous, le peuple n'est le maistre que du mauuais Vsage, & le bon Vsage est le maistre de nostre langue.

2.6.2 Die Remarques

Vaugelas geht bei seinen Remarques unsystematisch vor. Er will kein Richter sein, sondern Zeuge, der den bon usage in einer ungeordneten Sammlung von Regeln festhält. Die Remarques sind weder alphabetisch, noch nach Redeteilen geordnet. Vaugelas rechtfertigt dieses Vorgehen auch damit, dass er bei einer eventuell dringenden Veröffentlichung so immer noch Teile anfügen kann. Im strengen Sinne sind die Remarques auch keine Grammatik. Sie erinnern aber irgendwie an Bembos Prose della Volgar lingua, die ja auch im strengen Sinn keine Grammatik sind. Wie Bembo, so steht auch Vaugelas außerhalb der Tradition der lateinischen Grammatik und außerhalb der rationalistischen Sprachtheorie, die die ratio über den usus stellt. Diese wird ja von Vaugelas ausdrücklich zurückgewiesen.

Hier zunächst ein Beispiel aus den Remarques (mit Ausnahme bei den Beispielen stammen die Hervorhebungen von mir):

Vn adjectif auec deux substantifs de different genre
EXemple, Ce peuple a le coeur & la bouche
ouuerte à vos louâges. On demande s'il
faut dire ouuerte, ou ouuerts. M. de Malherbe
[P 83] disoit, qu'il falloit éuiter cela comme vn es-
cueil, & ce conseil est si sage, qu'il semble qu'on
ne s'en sçauroit mal trouuer; Mais il n'est pas
question pourtant de gauchir tousjours aux
difficultez, il les faut vaincre, & establir vne
reigle certaine pour la perfection de nostre
langue. Outre que bien souuent voulant éui-
ter cette mauuaise rencontre, on perd la gra-
ce de l'expression, & l'on prend vn destour qui
n'est pas naturel. Les Maistres du mestier re-
connoissent aisément cela. Comment dirons-
nous donc? Il faudroit dire, ouuerts, selon la
Grammaire Latine, qui en vse ainsi, pour vne
raison qui semble estre commune à toutes les
langues, que le genre masculin estant le plus
noble, doit predominer toutes les fois que le
masculin & le feminin se trouuent ensemble; (raison)
mais l'oreille a de la peine à s'y accommoder,
parce qu'elle n'a point accoustumé de l'ouir
dire de cette façon, & rien ne plaist à l'oreil-
le, pour ce qui est de la phrase & de la diction,
que ce qu'elle a accoustumé d'ouîr. Ie vou-
drois donc dire, ouuerte, qui est beaucoup plus
doux, tant à cause que cét adjectif se trouue
joint au mesme genre auec le substantif qui
le touche, que parce qu'ordinairement
on parle ainsi, qui est la raison decisiue, & que
par consequent l'oreille y est toute accous-
tumée. Or qu'il soit vray que l'on parle ainsi
[P 84] d'ordinaire dans la Cour, ie l'asseure comme
y ayant pris garde souuent, & comme l'ayant
fait dire de cette sorte à tous ceux à qui ie
l'ay demandé, par vne certaine voye qu'il
faut tousjours tenir, quand on veut sçauoir as-
seurément si vne chose se dit, ou si elle ne se
dit pas. Mais qu'on ne s'en sie point à moy,
& que chacun se donne la peine de l'obser-
uer en son particulier. (alle sprechen so)

Neantmoins M. de Malherbe a escrit, il le faut
estre en lieu où le temps, & la peine soient bien em-
ployez. On respond que cét exemple n'est pas
semblable à l'autre, & qu'en celuy-cy il faut es-
crire, comme a fait M. de Malherbe, parce que
deux substantifs qui ne sont point synonimes,
ny approchans, comme le temps, & la peine, re-
gissent necessairement vn pluriel, lors que le
verbe passif vient aprés auec le verbe substan-
tif, ou que le verbe substantif est tout seul,
comme le mari & la femme sont importuns, car
on ne dira jamais, le mari & la femme est impor-
tune, parce que deux substantifs differens de-
mandent le pluriel au verbe qui les suit, &
dés que l'on employe le pluriel au verbe, il le
faue employer aussi à l'adjectif, qui prend le
genre masculin, comme le plus noble, quoy
qu'il soit plus proche du feminin.
La question n'est donc pas pour l'exem-
ple de M. de Malherbe; car la chose est sans
[P 85] difficulté, & sans exception, mais pour l'exem-
ple qui est le sujet de cette Remarque, où le
dernier substantif bouche, est joint immedia-
tement à son adjectif ouuerte sans qu'il y ayt
aucun verbe ny substantif, ny autre entre
deux; comme on dit, les pieds & la teste nuê,
& non pas, les pieds & la teste nuds.

Nach Schroeder ist die Genusregel für Adjektive, die zu mehreren Substantiven gehören, bemerkenswert. Während nämlich im Altfranzösischen das Genus des nächstliegenden Substantivs entscheidend war, richtet sich das Adjektiv von nun an nach dem maskulinen Wort (cf. Schroeder 1996: 52).

Malherbe, Vaugelas und die Académie schufen also im 17. Jahrhundert eine an der Hofgesellschaft ausgerichtete Standardvarietät (bon usage). Sie erhoben manches, was im 16. Jahrhundert angesprochen worden war, zum Programm. Wie die Aussage "le bon au contraire est composé non pas de la pluralité, mais de l'élite des voix" im Vorwort der Remarques und die damit vollzogene "Zurücksetzung des Majoritätsprinzips zugunsten des Eliteprinzips" (Weinrich 1960: 20) zeigt, spiegelt Vaugelas' Schrift die Einstellung des Absolutismus wider.

Die Enzyklopädie der Aufklärung definiert den guten Sprachgebrauch dagegen im folgenden Jahrhundert ganz anders, obwohl sie den Wortlaut fast genau übernimmt, aber eben nur fast genau. Wir haben hier nämlich einen entscheidenden inhaltlichen Unterschied: "Le bon usage est la façon de parler de la plus nombreuse partie de la cour, conformément à la façon d'écrire de la plus nombreuse partie des auteurs les plus estimés du temps" (zitiert nach Weinrich 1960: 20). Beide Definitionen zeigen aber auch, dass im Unterschied zur Situation in Italien, zur Bestätigung des Sprachgebrauchs des Hofes nicht der Sprachgebrauch der antiken Autoren, sondern ausdrücklich der Sprachgebrauch der besten jeweils zeitgenössischen Schriftsteller herangezogen und somit auch der Sprachwandel berücksichtigt wird.

Auf den Sprachwandel geht Vaugelas auch ausdrücklich ein. Seiner Meinung nach sind nicht die einzelnen Normen dauerhaft festzuschreiben, wohl aber die Methode zu ihrer Ermittlung, d.h. die Beobachtung des guten Sprachgebrauchs der "elitären Instanzen" (Berschin / Felixberger / Goebl 1978: 239). Indem der Grammatiker oder Sprachgelehrte aber die gesellschaftliche Hierarchie akzeptiert und so den Hof als höchste Instanz festlegt, legt er auch eine Sprachnorm einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht als die ausschlaggebende fest. Was dabei unter der "plus saine partie" zu verstehen ist, läßt sich bisher nicht ganz klären. Dieter Janik leitet die Formel von dem aus dem kanonischen Recht stammenden lateinischen Begriff "pars sanior" ab, der sich bei Wahlen nicht auf das Mehrheitsrecht "pars maior" bezieht, sondern auf die "Tradition der qualitativen Bewertung der Stimmen" (Janik 1984: 427). Die Entscheidung, wer zu der "plus saine partie" zu rechnen ist, trifft nach Gauger/Oesterreicher/Windisch (1981: 35) der Grammatiker. Insofern ist sein Ansatz normativ. In der Darstellung des einmal als "bon usage" identifizierten Sprachgebrauchs ist er hingegegn deskriptiv.

Der ideale Sprecher des "bon usage" ist nach Grimm (31994: 12) bzw. Geckeler/Dietrich (1995: 214) der konversationsgewandte und anpassungsfähige "honnête homme", der weiß, "was man wann zu sagen hat und wie man es ausformulieren muß" (Schroeder 1996: 53). Er muß keinem Beruf nachgehen, deshalb haben Fachbegriffe auch keinen Platz im "bon usage". Nach Weinrich wählte Vaugelas auch gerade deshalb den Begriff "bon usage" statt des fast bedeutungsgleichen "coutume". Letzteres wurde nämlich im Zusammenhang mit dem Gewohnheitsrecht im Justizwesen in einem technischeren Sinn als ersteres verwendet und war deshalb eher ein Fachbegriff (cf. Weinrich 1960: 7).

Neben Fachtermini, die Vaugelas auf das jeweilige Fachgebiet begrenzen will, sollen auch Archaismen und Neologismen keinen Platz im guten Sprachgebrauch haben. Vaugelas toleriert zwar Wortbildungen durch Derivation, lehnt aber die Einführung gänzlich neuer Wörter ab. Das Recht dazu hat nicht einmal der Herrscher.

Vaugelas beschäftigt sich also vor allem mit Fragen der Wortwahl. Auch die Aussprache und Schreibweise spielen eine Rolle. Mit grammatischen, syntaktischen und morphologischen Fragen beschäftigt er sich dagegen lediglich am Rand, so wenn er etwa das Genus bestimmter Nomen anspricht und dabei das Maskulinum als "genre plus noble" bezeichnet.

Die Remarques wurden zwischen 1651 und 1738 23mal neu aufgelegt (cf. Winkelmann LRL 342). Mit den Remarques hatte Vaugelas einen Vertextungstyp des sprachnormativen Diskurses geschaffen, der nachfolgenden Generationen als Vorbild diente. So war Vaugelas auch das Vorbild für Gilles Ménage und Dominique Bouhours. Sie führen Vaugelas fort, ohne in ihren Werken seine Gedanken zur französischen Sprache wesentlich zu erweitern oder deutlich über sie hinauszugehen.

2.6.3 Nachfolger Vaugelas

2.6.3.1 Gilles Ménage (1613-1692)

Gilles Ménage war Jurist und Kleriker und verfaßte auch selbst Lyrik. 1650 veröffentlichte er mit Origines de la langue françoise das erste etymologische Wörterbuch der französischen Sprache und 1672 die Observations sur la langue françoise, deren 2. Auflage 1675 erscheint. Darin beschäftigt er sich in 359 Kapiteln mit Fragen der Aussprache, Schreibweise, Wortbildung und Wortwahl. Er nimmt dabei Bezug auf Vaugelas und korrigiert ihn aufgrund des gewandelten Sprachgebrauchs. 1676 erscheint ein zweiter Band, in dem Ménage in 156 Kapiteln Stellung zu der Kritik nimmt, die Bonhours in den Doutes sur la langue françoise an der ersten Auflage der Observations übte. Wie aus dem "Avis au lecteur" hervorgeht, ist diese Kontroverse v.a. von persönlichen Eitelkeiten geprägt.

Auch für Ménage sind der Hof und die guten Autoren maßgeblich. Er führt den Sprachgebrauch von Höflingen und Schriftstellern, hier besonders Guez de Balzac (1597-1654), zur Untermauerung seiner Aussagen an. Auch wenn Ménage ein Vierteljahrhundert nach Vaugelas zu anderen Ergebnissen kommt, so scheint doch der methodische Ansatz seiner Observations dem der Remarques zu entsprechen.

2.6.3.2 Bouhours (1628-1702)

Der Jesuit Dominique Bouhours war ein Schüler von Vaugelas. Das bekannteste seiner Werke ist Entretiens d'Ariste et d'Eugène von 1671. Auch er setzt die Richtung von Vaugelas fort. Seine Doutes sur la langue françoise, proposez à Messievrs de l'Académie françoise par vn gentilhomme de province erscheinen anonym 1674. In der Vorrede beruft er sich auf Vaugelas. Dann macht er sich in fünf Teilen Gedanken über "les mots", "les phrases", "la construction", "ce qui regarde la netteté du langage" und "ce qui regarde l'exactitude du stile." Sein Buch unterscheidet sich im Gegensatz zu Ménages Observations zwar hinsichtlich des Aufbaus von den Remarques, zeigt aber den Einfluß von Vaugelas. Auch Bouhours spricht von "la plus saine partie", die für sprachliche Neuerungen ausschlaggebend sein soll. 1675 und 1692 erscheinen, in zwei Bänden, seine Remarques nouvelles sur la langue françoise.

2.7 Die Arbeit der Académie française

Jetzt noch ein paar Worter zur Arbeit der Akademie. Obwohl die Académie Française schon am 29. Januar 1635 gegründet wurde, erscheint ihr Wörterbuch erst 1694, also 60 Jahre später. Zum Vergleich: die 1582 in Florenz gegründete Accademia della Crusca hatte nur 30 Jahre gebraucht, um das Vocabolario degli Accademici della Crusca 1612 zu veröffentlichen, und die Real Academia Española sollte dann schließlich nur 13 Jahre brauchen. Das Wörterbuch der Académie Française trägt den Titel Le Grand Dictionnaire de l'Académie Françoise. Im 18. Jahrhundert erscheinen vier weitere Auflagen: 1718, 1740, 1762, 1798 und im 19. Jahrhundert erscheinen noch einmal 2 Auflagen: 1835 u. 1878.

2.7.1 Le Grand Dictionnaire de l'Académie Françoise

Le Grand Dictionnaire de l'Académie Françoise war nicht alphabetisch, sondern nach Wortgruppen geordnet und enthielt 24.000 Lemmata. Um welche Sprache es sich dabei handelt steht im Vorwort:

C'est dans cet estat où la Langue Françoise se trouve aujourd'hui qu'a esté composé ce Dictionnaire: et pour la representer dans ce mesme estat, l'Académie a jugé qu'elle ne devoit pas y mettre les vieux mots qui sont entierement hors d'usage, ni les termes des Arts et des Sciences qui entrent rarement dans le Discours; Elle s'est retranchée à la Langue commune, telle qu'elle est dans le commerce ordinaire des honnestes gens, et telle que les Orateurs et les Poëtes l'employent; Ce qui comprend tout ce qui peut servir à la Noblesse et à l'Elegance du discours.

In Wirklichkeit wich das Akademiewörterbuch in vielen Fällen von der im Vorwort geschilderten Konzeption ab und das beschriebene puristische Programm wurde keineswegs durchgehalten. Einerseits wurden zahlreiche veraltete Wörter aufgenommen, zumal wenn sie Grundformen von damals im Gebrauch befindlichen Wörtern waren; andererseits führte das Wörterbuch volkstümliche, familiäre, ja sogar vulgäre Wörter und Ausdrücke auf. Archaismen und Wörter, die weder zum bel usage noch zum bon usage gehörten, wurden im Wörterbuch im allgemeinen durch Zusätze wie vieux oder bas markiert (cf. Winkelmann LRL: 343).

Das Wörterbuch der Académie wird aber ebenso wie das der Crusca nicht den gestellten Erwartungen gerecht. Ein Grund dafür ist zum einen sein spätes Erscheinungsdatum (1694). Bei den Zeitgenossen fand aber auch die Wortauswahl keine ungeteilte Zustimmung. Insbesondere die Aufnahme populärer und vulgärer Wörter wurde heftig kritisiert, v.a. wenn ihnen keine Registermarkierung hinzugefügt worden war.

Was die fehlenden Markierungen betrifft, so legen die von der Akademie 1704 in erster und 1705 in zweiter Auflage veröffentlichten Observations de l'Académie Françoise sur les Remarques de M. de Vaugelas, in denen sich die Akademie offen dagegen aussprach, Alltagswörter wie face oder poitrine oder Redewendungen wie vomir des injures völlig aus dem Sprachgebrauch zu verbannen, nahe, dass die Akademie es ablehnte, den Sprachpurismus gewisser Kreise auf die Spitze zu treiben (cf. Winkelmann LRL: 343). Allerdings konnte sie die Kritik nicht ignorieren und legte deshalb bei der zweiten Ausgabe des Wörterbuchs 1718 bei der Berücksichtigung archaischer und volkstümlicher Wörter viel strengere Maßstäbe an als bei der Erstausgabe. (cf. Winkelmann LRL: 343)

2.7.2 Einzelne Akademiemitglieder

Einzelne Mitglieder der Akademie waren produktiver als die Académie selbst:

Furetière wollte keine elitäre Sprache, sondern möglichst das gesamte Französisch seiner Zeit darstellen. Das Werk mußte in den Niederlanden erscheinen, da es in Konkurrenz zum Akademiewörterbuch stand. Furetière sollte deshalb aus der Akademie ausgeschlossen werden. Die Auseinandersetzungen dauerten über seinen Tod hinaus (14.5.1688).

1694 brachte Thomas Corneille mit dem Dictionnaire des arts et métiers und dem Dictionnaire des scienecs et des arts zwei das Akademiewörterbuch ergänzende Bände heraus.

Das wichtigste Buch eines Akademiemitglieds waren allerdings die Remarques sur la langue françoise von Claude Favre de Vaugelas von 1647, die von der Akademie ab 1704 als eigene Grammatik anerkannt wurden. Die Poetik und Rhetorik der Académie erscheinen nie. Eine Grammatik erscheint 1932, sie ist aber wegen ihrer dürftigen Qualität ein Fehlschlag. Von Ferdinand Brunot wurde sie mit vernichtender Kritik belegt. Sie wurde nie wieder aufgelegt.

2.8 Ausblick

Nach Settekorn (1988: 64) hatte der sprachnormative Diskurs gegen Ende des 17. Jahrhunderts Ausmaße eines umfänglichen Kollektivprojekts angenommen. Wie sehr das Bemühen um Eleganz und Reinheit der französischen Sprache die Gemüter der Gebildeten erhitzte, verdeutlicht auch der Titel des von Louis Augustin Alemand 1688 anonym publizierten Sprachtraktats Nouvelles Observations ou Guerre civile des François sur la langue (Winkelmann, LRL 342).

Vaugelas selbst hat auf die französische Grammatikographie eine andauernde Wirkung gehabt. Die von ihm festgesetzten Normen des 17. Jahrhunderts waren grundlegend für das Neufranzösische und sind zum großen Teil noch heute gültig. Ihre beträchtliche Stabilität ist nach Geckeler / Dietrich (1995: 213) weitgehend auf das große Prestige der Klassiker, die den bon usage für die Zeitgenossen und die Folgezeit dokumentiert haben, und die in Frankreich engagierter als in anderen Ländern betriebene staatliche Sprach- und Kulturpolitik zurückzuführen.

Der Kernbegriff bon usage ist dann im 20. Jahrhundert durch die bekannteste moderne französische Grammatik neu aufgegriffen worden. Der Belgier Maurice Grevisse (1895-1980) hat nämlich 1936 unter dem Titel Le Bon usage, die Standardgrammatik des heutigen Französisch veröffentlicht . Seit ihrer 6. Auflage von 1955 bezieht sie sich auch noch im Untertitel Grammaire française avec des remarques sur la langue française d'aujourd'hui eindeutig auf Vaugelas. Grevisse gründet seine Aussagen allerdings auf das geschriebene Französisch. Seit der 12. Auflage von 1986 wird diese Grammatik von Grevisses Schwiegersohn André Goosse fortgeführt, der den zweiten Teil des Untertitels wieder strich. In der Zwischenzeit erreichte sie die 13. Auflage (1993).

2.8.1 18. Jahrhundert - Änderung der Haltung

Im 18. Jahrhundert änderte sich dann die Haltung. Während Vaugelas den Sprachgebrauch früherer Generationen völlig außer acht gelassen hatte, denn für ihn war usage stets gleichzusetzen mit dem zeitgenössischen Sprachgebrauch, führte jetzt die unter den Gebildeten des Ancien Régime verbreitete Auffassung, gemäß der die französische Sprache im 17. Jahrhundert den Zustand ihrer Vollkommenheit erreicht hatte, zu dem Bestreben, den als vorbildlich angesehenen Sprachgebrauch des siècle classique ein für alle Mal festzuschreiben. Seit dem 18. Jahrhundert orientiert sich deshalb die Mehrzahl der französischen Grammatiker und Philologen hinsichtlich der zu befolgenden Sprachnorm an der Vergangenheit, und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte Alexis François (1912: 144) zu Recht behaupten:

la grammaire française actuelle a encore une tendance très marqueée à considérer la langue comme fixée dans sa perfection depuis trois siècles.

Da die gesprochene Sprache des 17. Jahrhunderts nicht mehr direkt beobachtbar war wie für Vaugelas und seine Zeitgenossen, hielt man sich jetzt an die schriftlichen Zeugnisse des 17. Jahrhunderts und so wurde der Sprachgebrauch der bons auteurs in Normierungsfragen maßgebend. Das von Vaugelas vertretene Prinzip, wonach bei der Normierung die gesprochene Sprache den Vorrang vor der geschriebenen hat, wurde ab dem 18. Jahrhundert ins Gegenteil verkehrt und der "purisme oral et rajeunisseur" wurde nach François (1912: 143-44) in einen "purisme littéral et archaïsant" verkehrt.

Das Prinzip der conformité historique (Wolf 1983: 110) trat immer deutlicher in den Vordergrund, und die anschließende Orientierung der Standardsprache an der Literatur des 17. Jahrhunderts führte dazu, daß sich das geschriebene Französisch nur wenig veränderte, während sich das gesprochene Französisch, dem kaum ein Grammatiker noch Beachtung schenkte, immer stärker von der Schriftnorm entfernte. (cf. Winkelmann LRL: 343)

2.8.2 Vierte Auflage des Akademiewörterbuchs (1762)

Das Akademiewörterbuch trug seinen Teil zur Festschreibung des an der Schriftsprache des 17. Jahrhunderts ausgerichteten Wortschatzes bei. Die Zahl der veralteten, jedoch beibehaltenen Wörter wuchs und immer mehr als anstößig geltende Wörter wurden aus dem Akademiewörterbuch entfernt. Die Akademiemitglieder konnten sich zwar nicht zur Aufnahme der besonders von Voltaire geforderten Autorenzitate durchringen, jedoch waren die Beispiele ab der vierten Auflage, wie nachgewiesen wurde, häufig den Texten der klassischen Autoren nachempfunden. Auch wenn sich Voltaire insgesamt also nicht durchsetzen konnte, so hat er doch die Konzeption der vierten Auflage maßgeblich beeinflußt. Er bewertete jede Abweichung vom Sprachgebrauch des 17. Jahrhunderts als schweren Sprachverstoß, und ihm kommt eine besondere Rolle bei der Durchsetzung des Prinzips der historischen Konformität und bei der Ausbildung des sprachlichen Konservatismus des 18. Jahrhunderts zu.

Auch das Erstarken des Bürgertums und die Aufklärung wirkten sich auf das aus dem 17. Jahrhundert stammende Sprachnormkonzept kaum aus. Die Hofgesellschaft wurde zwar im 18. Jahrhundert als Bestimmungsinstanz des bon usage abgelöst und durch die aus Adligen, Geistlichen und gebildeten Bürgern zusammengesetzte public cultivé ersetzt, diese übernahm aber den Sprachnormbegriff des Hofes nebst seinen sozialen Hierarchien und Wertvorstellungen. Die Académie française nimmt Vertreter der Aufklärung in ihre Reihen auf und kommt mit der vierten Auflage ihres Wörterbuchs den Enzyklopädisten entgegen, indem sie zum ersten Mal grundlegende Fachwörter aufnimmt. Damit trug sie auch dem gestiegenen Bildungsinteresse des anwachsenden Lesepublikums Rechnung. Die Aufnahme des Fachwortschatzes wird denn auch im Vorwort der vierten Ausgabe wie folgt begründet:

Les sciences et les arts ayant été plus cultivés et plus répandus depuis un siècle qu'ils ne l'étoient auparavant, il est ordinaire d'écrire en François sur ces matières. En conséquence plusieurs termes qui leur sont propres, et qui n'étoient autrefois connus que d'un petit nombre de personnes, ont passé dans la Langue commune. Auroit-il été raisonnable de refuser place dans notre Dictionnaire à des mots qui sont aujourd'hui d'un usage presque général? Nous avons donc cru devoir admettre dans cette nouvelle Edition, les termes élémentaires des sciences, des arts, et même ceux des métiers, qu'un homme de lettre est dans le cas de trouver dans des ouvrages où l'on ne traite pas expressément des matières auxquelles ces termes appartiennent. (Baum 1989: 75).

2.8.3 Französische Revolution

Die Französische Revolution erhob das Französische, die langue de la liberté, zur nationalen Staatsdoktrin. 1793 wurde es vom Nationalkonvent zur alleinigen Amtssprache erklärt, gemäß dem Prinzip "une Nation, une langue".

Während der französischen Revolution ging es beim sprachnormativen Diskurs aber nicht mehr in erster Linie um die Pflege und den Erhalt der Standardsprache, sondern vor allem um ihre allgemeine Verbreitung und ihre Durchsetzung im ganzen Land, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Bedürfnis, die revolutionären Ideen schnell und nachhaltig im ganzen Staatsgebiet zu verbreiten. Die Absicht war nach Eleonore Kaeppel durchaus emanzipatorisch. Jeder Citoyen sollte im Sinne der égalité in der Lage sein, seine Rechte, z.B. vor Gericht durchzusetzen und am gesellschaftlichen Leben der Nation teilzuhaben. Der Kampf gegen die als Patois diffamierten Dialekte und Regionalsprachen führte aber schließlich auch zu deren Untergang.

Zur Verbreitung des Französischen wurde auch versucht, einen flächendeckenden staatlichen Schulunterricht einzuführen. So wurden 1793 die ersten staatlichen Grundschulen gegründet. Auch wenn die Umsetzung dieser bildungspolitischen Vorstellungen nur z.T. gelang, so war doch ein wichtiger Anfang gemacht worden und die Durchsetzung des Standardfranzösischen in den Amts- und Schulstuben war in die Wege geleitet.

1793 wurde die Académie française als feudalistisches Überbleibsel aufgelöst. Das blieb so bis 1803. Volles Statut und ihren Namen erhielt sie jedoch erst wieder 1816.

Was die Sprache selbst betrifft, so hatte die Revolution zwar Auswirkungen auf den Wortschatz und lautliche Veränderung der Volkssprache wurden hoffähig, im Großen und Ganzen ließ die französische Revolution den Normenbestand aber unangetastet. Der elitäre Sprachstandard sollte nicht abgeschafft, sondern allen Bürgern zugänglich gemacht werden.

2.8.4 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert wurde das Schulsystem immer weiter verbessert. 1881 führte Ferry den kostenlosen Grundschulunterricht ein. 1882 wurde der Besuch der laizistischen Grundschule obligatorisch. Damit kam eigentlich niemand mehr am Erlernen der Standardsprache vorbei und die Beherrschung der Standardsprache und die Kenntnis ihrer Normen breitete sich immer mehr aus. Dialektalismen wurden dabei allerdings oft mit Gewalt ausgetrieben.

Mit der Schulpflicht expandierte auch das Schulbuchwesen und Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten Sprachlehrbücher, Schulgrammatiken und Wörterbücher mit landesweiter Verbreitung. Verlage wie Hachette und Larousse wurden gegründet.

Im 19. Jahrhundert kam es auch endgültig zur literarischen Kanonbildung. Einheitliche Textausgaben schärften das Sprachnormbewußtsein der Schüler. Klassikerzitate aus dem 17. und 18. Jahrhundert fanden als Belege vorbildlichen Sprachgebrauchs in Sprachlehrwerken, Grammatiken und Wörterbüchern Eingang. Nach Settenkorn wurde die Schriftsprache dieser beiden Jahrhunderte in den Unterrichtsmaterialien allenthalben als le français tout court hingestellt.

Mehr als das Akademiewörterbuch hat allerdings der Littré die französische Standardsprache des 19. Jahrhunderts gesprägt. Dieses Wörterbuch stammt von Emile Littré und trägt den Titel: Dictionnaire de la langue française. Es erschien in den Jahren 1863 bis 1872. 1877 folgte ein Ergänzungsband. Es stellte das Akademiewörterbuch aufgrund seiner Materialfülle in den Schatten.

Littré wollte den usage contemporain darstellen. Unter usage contemporain verstand er folgendes:

Chez nous, l'usage contemporain, pris dans un sens étendu, enferme le temps qui s'est écoulé depuis l'origine de la période classique jusqu'à nos jours.

Er verzeichnet den schriftlichen Wortschatz unter Berücksichtigung einer größtmöglichen Anzahl von Bedeutungsnuancen vom Beginn des 17. bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Auch hinsichtlich des Registers blieb er ganz der Tradition verhaftet, d.h. es geht um die Schriftsprache der bons auteurs. Littré selbst definiert sein Werk wie folgt:

il embrasse et combine l'usage présent de la langue et son usage passé, afin de donner à l'usage présent toute la plénitude et la sûreté qu'il comporte.

Die Einzelbedeutungen illustriert er durch ausführliche Belege aus der französischen Literatursprache. Die Klassikerzitate wirkten stilbildend und formten das Sprachnormbewußtsein der Franzosen. Die Bedeutung dieses Wörterbuchs konnte durch die dann 1878 erscheinenden 7. Ausgabe des Wörterbuchs der Académie nicht gebrochen werden.

Nach Müller wurde der Littré zum Bildungslesebuch des Bürgertums und zum Nachschlagewerk vieler Literaten und erwies sich bis weit ins 20. Jhd. hinein als norm- und stilbildend. Sowohl vom Umfang als auch von der Aktualität des aufgenommenen Wortschatzes war er dem überalterten Akademie-Wörterbuch vielfach überlegen.

2.8.5. 20. Jahrhundert

Die letzte komplette Ausgabe des Akademiewörterbuchs stammt von 1932-35, die neunte Ausgabe wurde 1986 in Angriff genommen. 1992 erschien der erste Band (A - Enz.). Sie stößt aber auf wenig Interesse, da im französischen Sprachraum bessere Wörterbücher zur Verfügung stehen, die einen aktuelleren Sprachzustand widerspiegeln, wie etwa den Grand Robert.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Académie française die einzige staatlich institutionalisierte Sprachnormierungsinstanz, doch stand ihr nach wie vor hohes gesellschaftliches Prestige in immer krasserem Gegensatz zu ihrer sprachnormprägenden Wirkung. Seit 1964 meldet sich die Académie regelmäßig mit kleineren sprachkritischen Stellungnahmen zu Wort, den Communiqués de mise en garde, in denen sie zu Erscheinungen vor allem des modernen französischen Wortschatzes Stellung nimmt. Bis 1987 wurden allerdings von den 187 untersuchten sprachlichen Erscheinungen nur 5 akzeptiert.

Die Académie française ist bei allen sprachnormativen Maßnahmen der französischen Regierung bis heute die Instanz, ohne deren Zustimmung kein Gesetz Geltungskraft erlangt. Das bedeutet nach wie vor eine große Machtfülle und hat vor allem dazu geführt, daß ihre gesellschaftliche Hauptwirkung in diesem Jahrhundert insbesondere darin besteht, in Angriff genommene Reformvorhaben und deren Umsetzung zu behindern und zu blockieren. Ein Beispiel hatten wir zu Beginn der Vorlesung ja gesehen.

Neben der Académie française gibt es heute eine ganze Reihe weiterer Organisationen und Institutionen der Sprachlenkung und -pflege mit z.T. präzisen Aufgabenbereichen. Zu den frühesten Gründungen gehören:

1883 Alliance française (Pflege des Französischen im Ausland)

1937 Office de la langue française

Bei den Gesetzesinitiativen im 20. Jahrhundert lassen sich zwei unterschiedliche Stränge unterscheiden:

a) Orthographie, d.h. in der Folge der Einführung der allgemeinen Schulpflicht wird die Diskrepanz zwischen code phonique und code graphique besonders deutlich. Mehrere Toleranzgesetze wurden erlassen.

b) Wortschatz, vor allem das Problem der Anglizismen.