Spezifizierung von Störungen der visuellen Aufmerksamkeit mit dem Reaktionszeitmodell STRAVIS (STRAtegien der VIsuellen Suche)

Gisela Müller-Plath, Stefan Pollmann & D.Yves von Cramon

Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung
Postfach 500 355, 04303 Leipzig
E-Mail: muellerp@cns.mpg.de

Untersucht wurden Patienten mit ätiologisch verschiedenartigen Hirnläsionen, die unter Störungen der räumlich-visuellen Aufmerksamkeit leiden. Fragestellung war, ob sich das von uns entwickelte Reaktionszeitmodell STRAVIS dazu eignet, zu spezifizieren, welche Teilprozesse der Aufmerksamkeit bei den jeweiligen Patienten beeinträchtigt sind.
Das Modell STRAVIS zerlegt die Reaktionszeit bei visuellen Suchaufgaben in Teilzeiten für die Subprozesse der Suche. Mithilfe von numerischen Modellanpassungen werden bei unterschiedlichen Schwierigkeiten der Suche (von Pop Out bis zur seriellen Suche) folgende Parameter geschätzt: die Verlagerungsdauer der Aufmerksamkeit, die Verweildauer der Aufmerksamkeit, eine ‘Grundzeit’ (z.B. für initiale Wahrnehmung, Reaktionsauswahl, motorische Reaktion) sowie die Größe des Aufmerksamkeitsfokus. Wir haben zunächst drei Gruppen von Patienten damit untersucht: Patienten mit Hemianopsie nach okzipitalem unilateralem Infarkt, Patienten mit kognitiver Verlangsamung nach Schädel-Hirn-Trauma sowie Patienten mit räumlich-visuellen Störungen nach rechtshirnigem Infarkt.
Die Hemianopsie-Patienten zeigten vor allem auf der Seite des ausgefallenen Gesichstfeldes, in geringerem Maße auch auf der anderen Seite, eine Verlangsamung der Aufmerksamkeitsverlagerung sowie einen verkleinerten Aufmerksamkeitsfokus. Bei den Schädel-Hirn-Trauma-Patienten war die Verweildauer der Aufmerksamkeit verlängert, bei einigen zusätzlich die Verlagerungsdauer. Bei den Patienten mit rechtshirnigem Infarkt zeigte sich kein so einheitliches Bild. Überwiegend war bei ihnen der Aufmerksamkeitsfokus verkleinert, es traten aber auch verschiedene Verlangsamungsmuster auf.
Das Vorliegen relativ läsionsspezifischer Muster der Modellparameter sowie Vergleiche mit Befunden aus der Literatur lassen diese Ergebnisse plausibel erscheinen. Das verwendete Suchparadigma mit dem Modell STRAVIS erscheint daher geeignet zur Spezifizierung von Störungen der visuellen Aufmerksamkeit. Zur Zeit wird es an weiteren Patientengruppen erprobt.

Poster in der Gruppe Wahrnehmung und Aufmerksamkeit I, Montag, 29. März 1999, 17:00-19:00, Foyer 2. Stock

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