Wie tief muss Rhodes noch fallen?

Beitrag aus dem Modul zu afrikawissenschaftlichen Methoden (4. Semester, BA Afrikastudien, Sommersemester 2017) zum Thema Studierendenproteste.

Lena Kuske, Jana Uhlendahl, Franziska Pemsel

Im März 2015 formte sich an der Universität Kapstadt die Bewegung #RhodesMustFall. In ihrem Leitbild  bezeichnet sich #RhodesMustFall (#RMF) als ein unabhängiges Kollektiv aus StudentInnen und MitarbeiterInnen der Universität Kapstadt. Ihre Forderung: Die auf dem Campus befindliche Statue von Cecil John Rhodes muss weg!

Cecil Rhodes war einer der bedeutendsten Akteure der britischen Kolonialmacht und Befürworter des Apartheid-Gedankens. Er hatte der Universität einen Teil des Landes übertragen, auf dem später die Universität ihren Platz fand. Deshalb wurde ihm zu Ehren eine Statue auf dem Campus errichtet. Bis heute, mehr als 20 Jahre nach dem offiziellen Ende des Apartheid-Regimes, zeichnen Straßennamen und Monumente eine einseitige Sicht der Geschichte Südafrikas und bestärken die fortbestehende koloniale Narrative im öffentlichen Raum. Die Statue von Ceciles Rhodes steht stellvertretend für dieses Gedächtnis.

Schon zu Beginn der ersten Protestaktionen des #RMF wurde deutlich, dass es nicht nur um die bloße physische Entfernung der Rhodes Statue ging. Somit beendet der Abriss der Statue im April 2015 nicht die Bewegung, sondern steht für die Forderung nach einer längst überfälligen Transformation des südafrikanischen Post-Apartheid-Systems. Die bisherige Aufarbeitung der Geschichte der Nation war in den Augen von #RMF unzureichend. Dies wird in den unterschiedlichen Interpretationen der Erinnerungen des gespaltenen Südafrikas sichtbar. Cecil John Rhodes gilt in den Augen der BefürworterInnen der Statue als Gönner und Investor in die universitäre Bildungslandschaft der Region. Die #RMF hingegen sieht Cecil Rhodes, und so auch sein Abbild, als Verkörperung der Entmachtung der schwarzen[1] Bevölkerung. Die Statue zelebriere und halte die schmerzlichen Erinnerung aufrecht.

Die Regenbogennation ist aus Sicht von #RMF gescheitert. Soziale und ökonomische Ungleichheiten sind aktuelle und alltägliche Realität. Die südafrikanischen Studierenden sind desillusioniert. Die Hoffnung auf Chancengleichheit einer Post-Apartheid-Demokratie wandelt sich zu Unzufriedenheit und Enttäuschung. Sie gipfelt im Protest. Die fortbestehende Ungleichheit als „strukturell eingebettete Norm“ (Chaudhuri 2016, 2) herrsche auch an der Universität in Form von institutionellem Rassismus. Anzeichen dafür sind die geringe Anzahl der schwarzen MitarbeiterInnen und Studierenden, denen der Zugang zur Universität erschwert bleibt. Zudem orientierten sich die Wissensbestände und -produktion an eurozentrischen Idealen. Aus Sicht vieler schwarzer Studierender an der Universität Kapstadt sind die gelehrten Inhalte für sie weitestgehend irrelevant und vermitteln ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit der eigenen Traditionen, Geschichte und Wissensbestände.

#RhodesMustFall hat sich gegründet, um den institutionellen Rassismus an der Universität zu beenden. Die Transformation der Erinnerungskultur, die Reformation der Bildungslandschaft und die Überwindung struktureller Ungleichheit vereinen sich in der Forderung nach einer Dekolonialisierung der Universität. Diese bezieht sich nicht nur auf das Bildungssystem, sondern weitet sich auf alle Bereiche des Post-Apartheid Südafrikas aus.

Die Relevanz der Statue selbst darf dennoch nicht in den Hintergrund treten. Als „perfekte Verkörperung“ (vgl. RMF, 2016:6) all dessen, was in den Augen der südafrikanischen Studierenden in Südafrika seit 1994 falsch läuft, gab der Hashtag RhodesMustFall! der Bewegung ihren Namen.

#RhodesMustFall ihrer Forderung nach Dekolonisierung der Universität hat uns, als Studentinnen des Instituts für Afrikastudien besonders interessiert, weil sie uns zur Selbstreflexion anregt. In der Annäherung an die Thematik haben wir viel über unsere eigene Rolle und Position diskutiert. Es tauchten Fragen auf wie: Können wir, als weiße deutsche Studentinnen, die Forderungen der Bewegung in ihrer Komplexität und Tiefe überhaupt erfassen? Dürfen wir uns mit der Bewegung als Forschungsobjekt beschäftigen? Nicht alle Fragen konnten wir für uns beantworten. Doch die Auseinandersetzung mit der Protestbewegung hat uns deutlich gemacht, dass auch wir Teil der Prozesse sind. Auch unsere Wissensbestände sind kolonialisiert und besetzt- auch unsere Wissensproduktion folgt einer Wahrheit und Geschichte. Es gilt unsere eigene Perspektive zu reflektieren und ein Bewusstsein für verschiedene Wahrheiten und Arten von Wissen zu schaffen. In diesem Kontext stellte sich die Frage inwieweit sich #RhodesMustFalls Forderung nach Dekolonialisierung auch auf die von Ngũgĩ wa Thiong’o proklamierte  „Dekolonialisierung des Bewusstseins“ übertragen lässt. Und in welchem Maße sind wir, drei Studentinnen des Instituts für Afrikastudien, Teil der Debatte, wenn es um die Transformation des Bewusstseins geht? Wie tief muss Rhodes bei uns noch fallen?

[1] Rhodes Must Fall definiert die Beschreibung ’schwarz‘ als alle Personen einschließend, welche sich aufgrund ethnischer Zuschreibung Rassismus ausgesetzt fühlen. Für diese Personengruppen wird auch der Begriff People of Colour (PoC) verwendet. Die Autorinnen haben diese Begriffsdefinition und – verwendung so von #RMF übernommen.

Quellen:

Chaudhuri, Amit (2016): The real meaning of Rhodes Must Fall. In: the guardian, 16.03.2016. <https://www.theguardian.com/uk-news/2016/mar/16/the-realmeaning- of-rhodes-must-fall>, zuletzt geprüft am 30.07.2017.

Mbembe, Achille Joseph (2016): Decolonizing the Decolonizing the university: New directions. In: Arts & Humanities in Higher Education, S. 29–45.

Rhodes Must Fall (2015): UCT Rhodes Must Fall Mission Statement. In: The Johannesburg Workshop in Theory and Criticism (9), S. 6–8. <http://www.jwtc.org.za/the_salon/volume_9/rmf_statements.htm>, zuletzt geprüft am 13.06.2017.

Wa Thiong’o, Ngũgĩ (1998): Decolonising the Mind. In: Diogenes, 46/184, S.101-104.

 

 

Ein Gedanke zu „Wie tief muss Rhodes noch fallen?“

  1. Für mich ist es nicht nur Rhodes. Die Liste ist viel länger…

    Man muss nur mal ins eigene Land schauen, was zum Beispiel gerade in Greifswald passiert.

Kommentare sind geschlossen.