Internationales Kolloquium

Das Labyrinth der Bücher: Jorge Luis Borges und der literarische Kanon

Konzept

Die Bildung und Verbreitung eines literarischen Kanons, sei dies im Rahmen der Nationalliteraturen oder im Kontext der sog. Universalliteraturen, löst bis heute große Debatten aus. Denn der Kanon stellt etwas Elitäres, eine besondere Auslese der Literatur dar. Der Kanon auf der Ebene der Nationalliteraturen dient zudem der Bildung von nationalen Identitäten und hat mit Fragen der kulturellen Macht und des Selbstverständnisses einer Nation oder eines Kontinentes bzw. einer Kultur zu tun.

Die Autoren und Werke, die in einen Kanon aufgenommen werden, gelten als die gekrönten und alle anderen, die nicht dazu gehören, geraten in die Zweitklassigkeit. Aber Begriffe wie Auslese und Zweitklassigkeit ergeben sich aus einer Auswahl a priori aufgestellter, oft sehr arbiträrer und subjektiver Kriterien, die keine allgemeine Gültigkeit haben, jedoch so postuliert werden, wie das jüngste Beispiel und der jüngste Streit über das Buch von Marcel Reich-Ranicki, Alles, was man lesen muß,  zeigt. Allerdings gibt es eine grundsätzliche wissenschaftliche Debatte spätestens seit dem umstrittenen wie auch anregenden Buch von Harold Bloom, The Western Canon, das eine neue Auflage mit dem Erscheinen von Dietrich Schwanitz, Bildung. Alles was man wissen muß, erhalten hat. Aber eigentlich besteht diese Debatte bereits seit Aristoteles’ Poetik und ist in jeder Epoche durch die Auseinandersetzungen der „anciens et modernes“ immer wieder neue belebt worden, sei es mit Dantes proklamiertem „dolce stil novo“, mit der Pléiade, mit Arte nuevo von Lope de Vega, mit Victor Hugos Konzeption des „drame“, mit Borges’ Frühwerk in den 1920er und 30er Jahren [etwa in El tamaño de mi esperanza (Die Weite meiner Sehnsucht), Inquisiciones (Inquisitionen), El idioma de los argentinos (Die Sprache der Argentinier) oder in Evaristo Carriego], oder durch den nouveau roman in Frankreich und durch die nueva novela in Lateinamerika. Es ging immer um die Bildung von Paradigmen und die Vorherrschaft einer bestimmten Literatur.

Der literarische Kanon entwickelt sich sehr eng verbunden mit den unterschiedlichen Schulen (Realismus, Naturalismus, Surrealismus, Expressionismus ...) und mit Theorien wie im Falle zahlreicher Autoren, insbesondere in Frankreich und auch bei Borges.

Borges stellt jedoch einen ganz besonderen Fall dar: Er scheint stets mit literaturtheoretischen Fragen und mit dem literarischen Kanon befasst zu sein, allein aufgrund seiner intertextuellen Praxis der Literatur: zuerst indem er in seinen Texten zahlreiche Autoren zitiert, sodann wenn er Texte über bestimmte Autoren und Werke (über Cervantes, Flaubert, Kafka, Berkeley, Leibniz, Schopenhauer ...) verfasst oder Essays über Literatur schreibt wie in El tamaño de mi esperanza, Inquisiciones, El idioma de los argentinos, Evaristo Carriego oder, und das ist das evidenteste, wenn er Anthologien herausgibt, wie etwas über die Literatura fantástica (zusammen mit Bioy Casares und Sylvina Ocampo). All diese Formen der Beschäftigung mit Literatur Dritter stellen eine bewusste Auswahl von Autoren und Werken - also einen Kanon - dar.

Hauptziel des internationalen Kolloquiums ist eine systematische Analyse, um in Erfahrung zu bringen, ob

oder aber nur

Davon ausgehend ergibt sich eine Fülle von Fragen, z.B.:

I.     Untersuchungszeitraum und Werke

Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden bestimmte Bereiche nach folgendem Plan untersucht:

II.     Untersuchungsbereiche

Es soll eine Klassifikation seiner Gegenstände oder Konstituenten des Kanons in

vorgenommen werden.

III.     Besondere Beziehungen zu Literaturen und Kanonbildung

Konzept: Prof. Dr. Alfonso de Toro

Volver a la página principal del CIIAL.../ Zurück zur Startseite des IAFSL...

WebDesign: Cl. Gatzemeier - Última actualización: 11/2003
Sugerencias respecto al diseño de la página o informaciones sobre enlaces interesantes...