R.Rausch, Horst.Rothe: Generierung deutscher Verbformen mit dem Computer

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2. Algorithmus der Formenbildung

Der Algorithmus generiert zu einem gegebenen Infinitiv bzw. zu einer Infinitivphrase alle Flexionsformen. Die Lösung dieser Aufgabe gliedert sich wie folgt:
  1. die syntaktische Analyse der Infinitivphrase
  2. die morphologische Analyse der Infinitivform
  3. die Generierung der jeweiligen Formen.
Während die syntaktische Analyse zu Beginn der Prozedur vergleichsweise einfach ist, gestaltet sich die morphologische Analyse der Infinitivform weit vielschichtiger. Die Ergebnisse beider Analyseschritte gestatten die Auswahl der zutreffenden Regeln bei der Generierung der einzelnen Formen.

2.1. Analyse des Infinitivs

Die Analyse von Infinitivphrasen wird im Punkt 4 behandelt, so daß zu Beginn der Betrachtungen die Infinitive im Zentrum stehen. Auch die Reflexivität soll zunächst unberücksichtigt bleiben.

Eine der wesentlichen Aufgaben der Analyse ist es, die Basis des Verbs zu ermitteln. Zu diesem Zweck beginnt der Algorithmus mit einer Analyse des Infinitivs von rechts.

2.1.1. Analyse von rechts

Alle Infinitive des Deutschen enden auf n. Wird vom Algorithmus ein Wort erkannt, das diese Bedingung nicht erfüllt, wird es nicht weiter analysiert. Andernfalls ist es gerechtfertigt, anzunehmen, daß dieses n nicht der Basis angehört. In vielen Infinitiven geht diesem n ein e voraus, das ebenfalls abgetrennt werden kann. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß es auch Infinitive wie knien gibt, bei denen das zum ie gehörige e nicht abgetrennt werden darf, während bei auf -eien ausgehenden Infinitiven (z. B. schreien) offensichtlich kein ie vorliegt und folglich das e zur Endung -en und nicht zur Basis gehört.

Zahlreiche Verben enden mit -ern oder -eln. Da bei diesen Verben in bestimmten Formen das e ausfallen kann bzw. muß, prüft der Algorithmus, ob es sich um ein Verb dieser beiden Gruppen handelt. Das e fällt nicht aus, wenn ihm ein Dehnungs-h , d. h. ein h, vor dem ein Vokal steht, vorangeht (nähern). Es erweist sich als zweckmäßig, diese Verben in der Behandlung nicht den Verben auf -ern oder -eln zuzuordnen.

Eine weitere Gruppe von Verben endet auf -igen oder -lichen, wobei -ig und -lich nicht Bestandteil der Basis sind: beschönigen, reinigen, verdeutlichen. Zahlreiche Verben scheinen auf die Morphemgruppe -igen zu enden: geigen, neigen, schweigen usw., wobei das i dieser Verben als Bestandteil des Nukleus ei durchaus zur Basis gehört, so daß Verben, auf eigen nicht zu dieser Gruppe gehören.

Die Gruppe der Verben auf ieren ist für die Formenbildung ebenfalls von Bedeutung, kann jedoch zu diesem Zeitpunkt der Analyse vom Algorithmus noch nicht mit Sicherheit erkannt werden, man denke an schmieren, verlieren,..., die nicht zu dieser Gruppe gehören und bei denen ein Abtrennen von ieren die Basis beschädigen würde!

2.1.2. Analyse von links

Derjenige Teil des Infinitivs, der nach dem Abtrennen der o. g. Buchstabengruppen von rechts übrigbleibt, enthält die Basis, der noch Folgen weiterer Wortkonstituenten vorangehen können. Dem Erkennen dieser vorangestellten Wortteile dient die anschließende Analyse des Wortrests von links.

2.1.2.1. Abtrennbare Konstituenten

Da viele deutsche Verbalpräfixe und andere vor der Basis des Infinitivs auftretende Konstituenten (im folgenden nur noch "Präfixe" genannt) reihenbildend sein können (herkommen, hinausgehen, übereinkommen, umeinanderbinden,...), erweist es sich als sinnvoll, diese iterativ abzutrennen. Eine Liste aller möglichen komplexen Präfixe für diese Analyse bereitzustellen, scheitert aufgrund der Vielzahl der möglichen Kombinationen. Obwohl nicht alle Kombinationen von Präfixen auftreten, trennt der Algorithmus ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Kombination zuverlässig an den Morphemgrenzen und isoliert auf diese Weise die Basis. Ein Hinweis auf die Sinnfälligkeit der Konstituentenkombination wird nicht gegeben. Auf die Bildung der Flexionsformen hat dies keinen Einfluß.

Dennoch sind bei der Abtrennung von Präfixen einige Probleme zu bewältigen:

die Bestimmung aller möglichen Verbalpräfixe und die Klassifizierung ihrer Abtrennbarkeit
ablegen - er legt ab, besitzen - er besitzt,
übersetzen - er übersetzt
(einen Text), übersetzen - er setzt über (= überquert den Fluß)

das Erkennen des Beginns der Basis
angeln (nicht: an/geln), beten (nicht: be-ten ),
annullieren (nicht: er nulliert an), abonnieren (nicht: er onniert ab) usw.

Das erste dieser Probleme läßt sich anhand einer Liste lösen, die aus der Durchsicht der einschlägigen Nachschlagewerke zu erstellen war.

Schwieriger zu lösen ist das zweite Problem, da es nicht sinnvoll wäre, alle Wörter, die nur scheinbar mit einem Präfix beginnen, in Ausnahmelisten zu erfassen, zumal diese ihrerseits präfigiert sein könnten und im ungünstigsten Fall nur in präfigierter Form auftreten und deshalb weder in normalen noch in rückläufigen Wörterbüchern mit vertretbarem Aufwand aufzufinden wären - von der großen (endlichen?) Anzahl ganz zu schweigen!

Glücklicherweise ließ sich eine morphologische Regel formulieren, die dieses Problem erheblich vereinfacht, wenngleich auch sie nicht ohne Ausnahmen gilt.

Einsilbigkeitsregel:

  1. Jede Basis eines deutschen Verbs enthält einen Nukleus: einen Vokal, einen Doppelvokal, ie oder einen Diphthong.
  2. Jede Basis eines deutschen Verbs enthält (bis auf wenige Ausnahmen) genau einen silbentragenden Vokal, Doppelvokal, ie oder Diphthong, d. h. die Basen deutscher Verben sind einsilbig. (Das in -ern oder -eln auftretende e zählt dabei nicht zur Basis - es kann ja sogar ausfallen.)
Während 1. trivial zu sein scheint, ist 2. außerordentlich bemerkenswert, jedoch bisher kaum als Bestandteil einer Regel in Erscheinung getreten. Dabei dürfen einige Ausnahmen nicht unberücksichtigt bleiben. Es handelt sich dabei vorwiegend um Wörter fremder Herkunft wie trompeten, posaunen, baldowern, orakeln, kalauern u. a. Die deutschen Verben arbeiten , antworten und heiraten gehören ebenfalls in diese Gruppe. Diese Wörter müssen in Listen geführt werden, weil für die Bildung des Partizip II die Akzentstelle von Bedeutung ist:

'arbeiten - ge'arbeitet, 'kalauern - ge'kalauert
trom'peten - trom'petet, o'rakeln - o'rakelt

Auf der Grundlage der Einsilbigkeitsregel läßt sich der überwiegende Teil der deutschen Verben in Präfixe und Basis aufspalten, indem während des Analyseprozesses iterativ Präfixe abgetrennt werden, solange solche an der linken Seite des verbleibenden Restwortes vorhanden sind und wenigstens eine Silbe als Basis verbleibt. (Wir benutzen hier nur den trivialen Teil 1 der Regel. Bei den zur Zeit bei uns anstehenden Arbeiten zur algorithmischen phonetischen Transkription von Texten erweist sich Teil 2 der Regel als bedeutsames Werkzeug zur Bestimmung der Akzentstellen längerer Wörter). Diese Vorgehensweise verhindert bei Verben wie den folgenden, daß falsche Morphemgrenzen ermittelt werden könnten:

Infinitiv       Analyse von rechts  Analyse von links  
                                    Bemerkung           

dampfen         dampf               dampf               
                                    nicht: da-mpf       
einigen         ein                 ein                 
                                    weil -igen schon ab!                 

hinabwandern    hinabwand(e)r       hin-ab-wand(e)r

hinaufgehen     hinaufgeh           hin-auf-geh         
                                    nicht: hin-auf-ge-h        


(Die Basis ist durch Fettschrift hervorgehoben.)

Beim Abtrennen der Präfixe ist auch darauf zu achten, daß von einem Wort wie hinterfragen nicht hin- sondern tatsächlich hinter- abgetrennt wird. Verallgemeinert ausgedrückt: Stehen aufgrund der Zeichenfolge am linken Wortrand mehrere Präfixe für das Abspalten zur Wahl, muß der Algorithmus das zutreffende auswählen.

2.1.2.2. Präfixe mit schwankendem Akzent

Einen weiteren Problemfall stellen die Konstituenten durch-, hinter-, über-, um-, unter-, voll-, wider- und wieder- dar: Sie können sowohl akzentuiert als auch akzentlos auftreten. In Abhängigkeit davon sind sie abtrennbar oder nichtabtrennbar und das Partizip II wird (wenn nicht andere Bedingungen dies verhindern) mit bzw. ohne -ge gebildet. Die Verben mit wieder- sind alle auf dem Präfix betont, also unfest präfigiert, bis auf wiederholen, das (mit Bedeutungsunterschied) in beiden Akzentuierungen auftritt. Bei den übrigen sieben dieser Präfixe gibt es große Gruppen von Verben, die
  1. stets auf dem Präfix akzentuiert sind
  2. stets auf der Basis akzentuiert sind und
  3. in beiden Akzentuierungen (mit Bedeutungsunterschied) auftreten.
Die ersten beiden Gruppen wurden mit entsprechender Kennzeichnung der Akzentstelle in einer Liste erfaßt, anhand derer der Algorithmus entscheiden kann,

ob das Präfix abgetrennt werden muß oder nicht

wie das Partizip II zu bilden ist

ob das zu des Infinitiv II einzufügen ist oder ob es als Einzelwort vor den Infinitiv I tritt.

Manche dieser Präfixe werden eindeutig klassifizierbar, wenn sie sich mit bestimmten anderen Präfixen reihen wie z. B. hindurch, herüber, umeinander. Die zusätzliche Aufnahme solcher zusammengesetzter Präfixe in die Präfixliste hat die Liste zur Betonungskennzeichnung bedeutend verkürzt.

Gruppe 3 läßt wegen der Homographie beider Verben nicht erkennen, um welche Akzentvariante es sich handelt. In einem solchen Fall hilft nur eine Rückfrage an den Benutzer, der Eindeutigkeit dadurch herstellt, indem er die Akzentsilbe markiert:

über'setzen oder 'übersetzen, um'fahren oder 'umfahren

Neben den abtrennbaren Präfixen müssen auch die nichtabtrennbaren Präfixe (be, ent, emp, er ge, ver, zer) erkannt werden, weil Verben mit diesen Präfixen das Partizip II ohne ge bilden. Außerdem kann nur dann, wenn diese erkannt werden, nach der Einsilbigkeitsregel festgestellt werden, ob ier Basisbestandteil oder Suffix ist.

Bei einigen der mit einem Präfix mit schwankendem Akzent gebildeten Verben wird die Abtrennbarkeit durch Reihung mit einem nachfolgenden nichtabtrennbaren Präfix aufgehoben: überbeanspruchen: du überbeanspruchst. Der Algorithmus trägt diesem Sachverhalt auf der Basis entsprechender Einträge in den Ausnahmelisten Rechnung.

Bei Reihungen von Konstituenten, die wieder enthalten, bestehen zusätzliche Probleme der Getrennt- bzw. Zusammenschreibung. Im Infinitiv ist Zusammenschreibung möglich für

wiedereinsetzen, wiederaufführen, wiederherrichten,...,

wenn der Ton nicht verteilt ist. In den finiten Formen ist in diesen Fällen die Basis abzuspalten und zu konjugieren, während die Reihe der übrigen Konstituenten nachgestellt werden muß. Die Besonderheit ist, daß diese an der Fuge zwischen wieder und dem Rest der Reihe zu trennen sind:

er setzt sie wieder ein, sie führten es wieder auf, richte es wieder her!

Für wieder bestätigt das Wörterverzeichnis des Dudens diese Regel.

Für einander liegen u. E. ähnliche Verhältnisse vor, wobei im Duden keine entsprechenden Wörter enthalten sind. Es ist jedoch anzunehmen, daß für

aneinandervorbeireden, auseinanderhervorgehen,...,

Zusammenschreibung möglich sein sollte, auch wenn beispielsweise unter aneinander im Duden zu lesen ist "Getrenntschreibung, wenn ... aneinander zu einem bereits zusammengesetzten Verb tritt" [Drosdowski 1991, S. 107]. Die finiten Formen weisen dieselbe Besonderheit wie Reihungen mit wieder auf:

redet nicht aneinander vorbei!, sie gingen auseinander hervor

Weder die Regelverzeichnisse verschiedener Ausgaben des Duden noch die durchgesehenen Grammatiken enthalten Regeln, die eine eindeutige Entscheidung der Schreibung erlauben. Der Algorithmus akzeptiert Zusammenschreibungen und fügt ggf. notwendige Leerzeichen in die Folge der abgetrennten Konstituenten ein.

Außerdem ergibt sich bei einander eine Einschränkung des Formenumfangs bei intransitiven Verben, denn reziproke Verben benötigen mindestens zwei Handlungsträger und bilden deshalb bei fehlendem Objekt keine Singularformen

auseinanderdriften: sie driften auseinander, nicht: ich drifte auseinander.

hingegen: etwas auseinandernehmen: ich nehme etwas auseinander

2.1.3. Zusammengesetzte Verben

Zusammengesetzte Verben, die nicht entsprechend 2.1.2. behandelt werden können, bereiten bei der Bestimmung der Morphemgrenzen erhebliche Schwierigkeiten. Mit Hilfe der Einsilbigkeitsregel gelingt es relativ leicht, sie zumindest als Zusammensetzungen zu erkennen. Handelt es sich um trennbar zusammengesetzte Verben, kann der Benutzer die Morphemgrenze vor der Basis markieren (kalt/walzen). Bei untrennbar zusammengesetzten Verben kann die Akzentstelle angeben werden. Dies ist einem Deutsch lernenden Ausländer nicht zuzumuten. Die folgenden Überlegungen dienen dem Ziel, dem Nutzer diese Entscheidungen durch den Algorithmus abzunehmen.

Bei einem Teil der zusammengesetzten Verben folgt der ersten Konstituente ein nichtabtrennbares Präfix (vakuumbedampfen). In solchen Fällen kann die Wortfuge mit einiger Sicherheit erkannt werden und aus dem Vorhandensein des nichtabtrennbaren Präfix folgt, daß das Partizip II ohne ge- zu bilden ist. Die Sicherheit beim Erkennen der Fuge und des Präfixes wird noch dadurch erhöht, daß überprüft wird, ob auf das ermittelte Präfix ein für eine Basis zulässiges Onset folgt. Dadurch werden Fehlanalysen wie autogenschweißen: auto-ge-nschweißen unwahrscheinlich. Verben dieses Typs treten hauptsächlich als Infinitive und als Partizipien auf. Die finiten Formen werden selten verwendet. Es erhebt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, sie vom Algorithmus bilden zu lassen.

Weitere zur Formalisierung geeignete Regeln waren bisher weder aus der Literatur noch aus der Beschäftigung mit dem Gegenstand abzuleiten. Aus diesem Grunde war eine Liste zu erstellen, die die Wortfuge bzw. die Akzentstelle aller derjenigen Verben nachweist, die sich der bisher erläuterten algorithmischen Behandlung entzogen. Diese Liste ist nicht vollständig, da es eine große Zahl von Verben (die auch der Duden nicht nachweist) gibt, die z. B. für technische Prozesse stehen und nur in der jeweiligen Fachsprache gebräuchlich sind.

2.1.4. Starke Verben

Nachdem aus dem Infinitiv des Verbs die Basis ermittelt worden ist, kann überprüft werden, ob es sich um die Basis eines starken Verbs handelt. Dazu bedient sich der Algorithmus einer Liste der Basen aller starken Verben, die die zugehörigen Ablautreihen enthält. Außerdem weist diese Liste aus, ob das betreffende Verb zusätzlich eine schwache Form hat und ob diese der starken Form vorzuziehen ist. Besonderheiten der Formenbildung wie abweichende Endungen, abweichende Bildungen des Partizip II oder irreguläre Veränderungen der Basis sind enthalten. Die Existenz von Bedeutungs- oder Verwendungsunterschieden zwischen starken und schwachen Formen ist in dieser Liste ebenso vermerkt.

Beim Vergleichen der Basis mit den Listeneinträgen ist zu berücksichtigen, daß eine Reihe von Verben aufgrund ihrer Präfigierung schwach zu flektieren ist, obwohl die Liste der starken Verben die Basis enthält.

stark: gleiten - glitt, ebenso: ausgleiten - glitt aus

schwach: begleiten - begleitete

Damit erweist sich, daß nur das konsequente Abtrennen der Präfixe während der vorangehenden morphologischen Analyse zu korrekten Ergebnissen bei der Bestimmung der Basismorpheme führt, wohingegen das bedingungslose Aufsuchen der Basis eines starken Verbs in der Zeichenfolge des Infinitivs zu Fehlinterpretationen führen kann (stark: leiden - litt aber schwach: kleiden - kleidete). Ein Verb kann daher nur dann in der Liste der starken Verben als repräsentiert gelten, wenn sich die der Basis vorangehende Zeichenfolge vollständig in Präfixe oder Konstituenten von Zusammensetzungen aufgliedern läßt.

Wurde ein Verb als stark erkannt, ist anschließend der Nukleus zu bestimmen, damit dieser beim Bilden der flektierten Formen durch die entsprechenden Ablaute ersetzt werden kann. Als hilfreich erweist sich an dieser Stelle erneut die Einsilbigkeitsregel, die ausnahmslos für alle starken Verben gilt. Zu beachten ist lediglich, daß neben den Vokalen und Umlauten auch Diphthonge, Doppelvokale und ie erkannt werden müssen. Außerdem ist der Nukleus von rechts her zu suchen, um zu vermeiden, daß ein u , das Bestandteil von qu ist, fälschlich als Basisvokal betrachtet wird.

Bei einigen starken Verben ändert sich durch den Ablaut auch die Vokalqualität:
bitten (ungespannt kurzes i) - bat (hinteres langes a), gebeten (gespanntes langes e)

Hier sind - wie die Beispiele zeigen - regelhafte Veränderungen des Basisauslauts erforderlich. Je nach Vokallänge müssen Doppelkonsonanten durch einfache ersetzt werden oder umgekehrt. Dazu ist es notwendig, die Qualität und Quantität des Basisvokals zu bestimmen. Der Nukleus gilt als lang, wenn

sonst kurz. Bei der späteren Synthese der Flexionsformen wird die so gewonnene Information benutzt, um die nötigen Anpassungen der Basisauslautkonsonanten entsprechend den Rechtschreibregeln auszuführen. Die zu verwendende Ablautreihe wird dem Listeneintrag zum Verb entnommen, ebenso abweichende Endungen dieses starken Verbs in bestimmten Formen.

2.1.5. Partizip II mit oder ohne ge-

Ob das Partizip II mit oder ohne ge zu bilden ist, ermittelt der Algorithmus anhand des von Suffixen befreiten Infinitivs. Betrachtet wird dabei
  1. derjenige Teil, der rechts von allen abtrennbaren Präfixen und Wortkonstituenten steht, falls solche vorhanden sind (Präfixe mit schwankender Betonung können zu diesem Zeitpunkt noch nicht als abtrennbar gewertet werden)
  2. derjenige Teil rechts von der Einfügestelle für ge oder zu, falls eine solche bei der Analyse erkannt wurde. Zu diesen Verben gehören u.a. notlanden - er notlandete - notgelandet, mißbilden - mißgebildet, sonnenbaden - sie sonnenbadete - sonnengebadet. Hier ist ge- im Eintrag der entsprechenden Liste einzufügen.

  3. der ganze von Suffixen befreite Infinitiv, wenn 1. und 2. nicht zutreffen
Das Partizip II ist mit ge- zu bilden, wenn dieser Teil (falls er allein zu sprechen wäre) auf der 1. Silbe akzentuiert ist, sonst ist das Partizip II ohne ge- zu bilden.

Ob ein abtrennbares Präfix vorliegt, wurde bereits bei der Analyse von links ermittelt. Abtrennbare Präfixe ziehen stets den Akzent auf sich, bis auf die oben genannten acht Konstituenten mit schwankender Akzentuierung. Wie in diesen Fällen zu verfahren ist, wurde bereits oben erläutert.

Zu klären bleibt, woraus der Algorithmus auf die Akzentuierung schließen kann. Folgende Fälle sind zu beobachten:

  1. Der zu überprüfende Wortteil enthält ein Akzentzeichen. Steht das Akzentzeichen vor dem Auftreten des ersten Vokals in der Zeichenfolge, ist die erste Silbe betont. Zu beachten ist, das u in qu nicht als Vokal gerechnet werden darf.
  2. Der zu überprüfende Wortteil ist in der Akzentliste enthalten, so daß verifiziert werden kann, ob der Ton auf der ersten Silbe liegt.
  3. Der zu überprüfende Wortteil ist einsilbig und damit auf der ersten (weil einzigen) Silbe akzentuiert.
  4. Ein nichtabtrennbares Präfix (be, ent, emp, er, ge, ver, zer) ist vorhanden. Da diese Präfixe nie betont sind, ist der Wortteil nicht auf der 1. Silbe betont.
  5. Der zu überprüfende Wortteil ist mehrsilbig und endet mit -ier , das den Akzent auf sich zieht, folglich ist die erste Silbe unbetont.
  6. Der zu überprüfende Wortteil beginnt mit der Silbe ur- oder un-. Diese ziehen stets den Akzent auf sich (urteilen - geurteilt), die erste Silbe ist betont.
Liegt keiner dieser Fälle vor, was wenig wahrscheinlich ist, muß der Benutzer aufgefordert werden, ein Akzentzeichen zu setzen oder eine Abtrennstelle zu markieren, beim erneuten Versuch liegt dann entweder Fall A vor oder es wird entsprechend I eine Konstituente abgetrennt.

Wenn ge anzufügen ist, erfolgt dies vor dem Wortteil, der entsprechend I bis III ermittelt wurde. Falls am Wortanfang eines der acht Präfixe mit schwankender Akzentuierung vorhanden ist, wird in der Fuge zwischen Präfixkette und Basis eingefügt, sofern die Präfixkette den Akzent hat.

2.1.6. Besonderheiten

Nach dem Aufgliedern in Basis und Präfixe (oder auch andere vorangestellte Wortteile) müssen noch einige Ausnahmen erkannt werden:

Wenn ein Konsonant bei der Bildung des Infinitivs elidiert wurde (z. B. vollaufen volllaufen), ist, um die Formen korrekt bilden zu können, der entsprechende Konsonant im Onset der Basis zu ergänzen. Treffen später bei der Formenbildung wieder drei gleiche Konsonanten mit nachgestelltem Vokal zusammen, ist einer davon entsprechend der Rechtschreibregel wieder zu entfernen.

Besondere Ausnahmen bilden Verben wie radfahren oder kegelschieben , die im Infinitiv klein und zusammen geschrieben werden und sich sonst wie trennbare Verben verhalten. Bei der Abtrennung zur Bildung der finiten Formen muß die Großschreibung berücksichtigt werden:

sie fährt Rad, er schiebt Kegel

Die Verbform möchten wird vom Lerner oft als Infinitiv betrachtet. Um diesen Fehler zu erkennen, wird dieser Eingabe der zugehörige Infinitiv mögen zugeordnet.

Wie oben erwähnt, akzeptiert der Algorithmus das Vorhandensein von Akzentzeichen in der Eingabe. Falls ein Akzentzeichen enthalten ist, wird es in allen gebildeten Formen mitgeführt. Falsch gesetzte Akzentzeichen im Infinitiv können jedoch auch zu falschen Betonungen der finiten Formen führen. Schlimmstenfalls können dadurch sogar falsche konjugierte Formen erzeugt werden ('beurlauben - ge'beurlaubt). Der Benutzer sollte Akzente nur dann setzen, wenn der Algorithmus dazu auffordert.

Die Fuge zwischen Präfix und Basis bzw. zwischen den Konstituenten zusammengesetzter Verben kann durch / markiert werden. Dies sollte jedoch in allen Fällen, in denen der Computer nicht explizit danach verlangt, unterbleiben, da falsche Kennzeichnungen der Abtrennstelle zu falschen Formen führen können.

Untrennbar zusammengesetzte Verben, die ge oder zu bei der Bildung des Partizips bzw. des Infinitiv II in der Wortfuge aufnehmen, werden weitestgehend vom Algorithmus erkannt. Sollte dies - insbesondere bei Verben aus dem Fachvokabular spezieller Bereiche - nicht zutreffen, ist eine Markierung der Fuge mit dem Unterstrich ( _ ) möglich. Auch hier gilt jedoch, daß fehlerhafte Kennzeichnungen der Wortfuge zu fehlerhaften Formen führen können.

2.1.7. Die verwendeten Ausnahmelisten

2.2. Synthese der Formen

2.2.1. Anpassungen der Basis wegen Ablauts

Starke Verben lauten in zahlreichen Formen ab, d. h. der Nukleus der Basis ändert sich. Entsprechend der Vokalqualität und -quantität sind daher nicht selten Änderungen im Basisauslaut erforderlich, die den Rechtschreibregeln Rechnung tragen. Einschlägige Grammatiklehrbücher enthalten dazu leider kaum explizite Hinweise.

Lautet ein langer Vokal oder ein Diphthong auf einen kurzen ab, muß ein evtl. vorhandenes Dehnungs-h getilgt werden:

nehmen: ich nehme, du nimmst

Folgt dem Nukleus genau ein Konsonant in der Basis, ist dieser zu verdoppeln:

treten: ich trete, du trittst, er tritt

pfeifen: ich pfiff

Lautet ein kurzer Vokal auf einen langen Vokal oder einen Diphthong ab, sind doppelte Konsonanten durch einfache zu ersetzen.

schaffen: ich schuf

Besonderheiten ergeben sich bei ck, das durch k zu ersetzen ist (backen buk) und bei ss bzw. ß:

Ein ß ist durch ss zu ersetzen, wenn der vorangehende Ablaut kurz wird und die nachfolgende Endung mit einem Vokal (also e) beginnt (schließen geschlossen, reißen wir rissen). Umgekehrt ist ss durch ß zu ersetzen, wenn ein konsonantisch beginnendes Flexionsmorphem folgt (fassen - er faßt) oder wenn die leere Endung folgt (fassen faß!, essen iß!) oder wenn ein kurzer Vokal auf einen langen Vokal ablautet (essen ich aß ich äße).

2.2.2. Formen des Indikativ Präsens

Um die konjugierten Formen des Indikativ Präsens zu generieren, geht der Algorithmus vom Infinitiv des Verbs aus. Dieser war während der Analyse bereits von der Endung und von abtrennbaren Konstituenten befreit worden.

Im allgemeinen sind die Personalendungen anzufügen. Als letztes ist - falls das Verb als trennbar klassifiziert wurde - die abgetrennten Konstituenten nach einem Leerzeichen rechts anzufügen. Es sind jedoch einige Besonderheiten zu berücksichtigen:


Endungen im Indikativ Präsens                       

ich         ...-e       wir ...-en                   
du          ...st       ihr ...-t   
er, sie, es ...-t       sie ...-en 

2.2.2.1. Verben auf -ern und -eln

Im Indikativ der 1. Person Singular fällt bei den Verben auf -eln das e aus. Die Form mit e ist nicht erlaubt.

wandeln: ich wandle nicht: ich wandele

Bei den Verben auf -ern ist sowohl die Form mit oder ohne dieses e möglich.:

wandern: ich wandre oder wandere

In der 1. und 3. Person Plural entfällt bei den Verben auf -eln und -ern das e der Endung -en:

wir handeln nicht: handelen

wir wandern nicht: wanderen

Geht der Infinitiv auf ssern oder sseln aus, erhebt sich die Frage, ob das ss in ß umzuwandeln ist, und ob überhaupt eine Elision des nachfolgenden e gestattet ist:

wassern - ich wassre oder ich waßre oder nur ich wassere ?

fusseln - ich fussle oder ich fußle (zu fußeln?!) oder nur ich fussele ?

Bedauerlicherweise geben ausgewiesene Nachschlagewerke darüber keine Auskunft, da - wie oben bereits erwähnt - fast alle Nachschlagewerke nur einige Formen angeben, die 1. Person Singular findet man nur bei wenigen ausgewählten Beispielen.

Anmerkung: Hier beseitigt die Rechtschreibreform nun die Zweifel!

Klar ist hingegen

wir wassern sie wassern.

2.2.2.2. Einschub eines e

Bei der 2. und 3. Person Singular sowie in der 2. Person Plural wird der Einschub eines e erforderlich, wenn die Basis auf d oder t auslautet (reden redest redet). Endet die Basis auf m oder n, wird auch ein e eingeschoben, wenn davor ein Konsonant außer l oder r steht:

trocknen: du trocknest, er trocknet

wappnen: du wappnest, er wappnet

rechnen: du rechnest, er rechnet

filmen: du filmst nicht: du filmest (Konjunktiv!)

lernen: du lernst nicht: du lernest (Konjunktiv!).

Ein Dehnungs-h darf an dieser Stelle nicht als vorangehender Konsonant betrachtet werden, sondern muß als Längenmarkierung des Vokals gelten:

rahmen du rahmst, er rahmt nicht: rahmest, rahmet (Konjunktiv)

Bei den Doppelkonsonanten mm und nn am Ende einer Basis erfolgt kein e-Einschub, da es sich nicht um zwei (verschiedene) Konsonanten handelt, sondern um eine orthographische Regelung, die den vorangehenden Vokal als kurz und ungespannt markiert.

kennen - du kennst, kommen - du kommst.

Diese Regeln des e-Einschubs gelten sowohl für schwache als auch für starke Verben.

Verben wiederum, deren 2. und 3. Person Singular ablauten, weisen nur in der 2. Person Plural diesen e-Einschub auf:

braten: - du brätst nicht: du brätest, jedoch: ihr bratet

2.2.2.3. S-Laute im Basisauslaut

Die Personalendung -st der 2. Person Singular muß in denjenigen Fällen, in denen die Basis auf einen S-Laut endet (dazu zählen neben s auch ß, x und z) auf -t geändert werden:

du nutzt, du hext, du reist, du reißt

2.2.2.4. Anpassung der Basis an den Ablaut

Bei starken Verben, für die die Ablautreihe bereits während der Analyse ermittelt wurde, ist ggf. in der 2. und 3. Person der Basisvokal durch den entsprechenden Ablaut zu ersetzen. Ändert sich dabei die Vokalqualität, sind weitere Anpassungen im Basisauslaut erforderlich (vgl. 2.2.1.).

2.2.2.5. Ausnahmen

Eine besondere Behandlung in den angegebenen Personen erfahren folgende Verben:

sein: ich bin, du bist, er ist, wir sind, ihr seid, sie sind

werden: du wirst, er wird

tun: wir tun, ihr tut, sie tun

Desgleichen gilt dies für die Präteritopräsentia (dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wissen, wollen) in den folgenden Formen im Singular:

Bei der 1. Person muß der Ablaut, der bei den übrigen starken Verben nur für die 2. und 3. Person zutrifft, eingesetzt werden:

ich darf, ich kann,...

Die 1. und 3. Person der Präteritopräsentia sind außerdem endungslos:

ich mag, er darf, sie kann

Schließlich ist in Abhängigkeit vom Ergebnis der vorausgegangenen Analyse zu berücksichtigen, welcher der vom Algorithmus generierten Formen der Vorzug zu geben ist, da hin und wieder konkurrierende Formen (mit oder ohne Elision, stark oder schwach) auftreten. Danach richtet sich, welche an erster und welche an zweiter Stelle zu präsentieren sind.

2.2.3. Formen des Indikativ Präteritum

Um die Formen des Indikativ Präteritum zu generieren, wird wiederum vom Infinitiv ausgegangen, der während der vorausgegangenen Analyse bereits von Endung und ggf. abtrennbaren Konstituenten befreit worden ist.

Entsprechend der Person sind die Endungen anzufügen:


Endungen im Indikativ Präteritum    
(starke Verben)                         

      ich ...-          wir ...-en         
       du ...-st        ihr ...-t    
er,sie,es ...-          sie ...-en      

(schwache Verben)

      ich ...-te        wir ...-ten  
       du ...-test      ihr ...-tet
er,sie,es ...-te        sie ...-ten

Nachdem die konjugierten Formen gebildet worden sind, müssen die abtrennbaren Konstituenten nach einem Leerzeichen rechts wieder hinzugefügt werden. Auch im Präteritum sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen.

Bei schwachen Verben ist in allen Personen der Einschub eines e erforderlich, wenn die Basis auf d oder t auslautet (reden redetest, redete). Endet die Basis auf m oder n, wird auch ein e eingeschoben, wenn davor ein Konsonant steht (nicht aber l oder r: vgl. 2.2.2.2.):

trocknen: ich trocknete, du trocknetest, er trocknete,
wir trockneten, ihr trocknetet, sie trockneten

wappnen: du wappnetest, er wappnete,...

rechnen: du rechnetest, er rechnete

filmen: du filmtest nicht: du filmetest

lernen: du lerntest nicht: du lernetest

In der 1. und 3. Person Plural verliert bei auf ie endenden Basen die Endung -en fakultativ das e:

wir schrie(e)n, sie knie(e)n

Auch bei den starken Verben kann der Einschub eines e zwischen Basis und Endung erforderlich werden, im Indikativ Präteritum allerdings nur in der 2. Person sowohl im Singular als auch im Plural. Die Bedingungen dafür sind die gleichen wie bei schwachen Verben, jedoch wird außerdem auch dann ein e in der 2. Person Singular eingeschoben, wenn die Basis auf s, ß oder z ausgeht (x kommt im Basisauslaut starker Verben nicht vor): du lasest, du maßest, du schmolzest

Bei den starken Verben muß der entsprechende Ablaut eingesetzt werden. Das funktioniert analog zu dem Verfahren, das bereits für Präsens Indikativ beschrieben wurde. Die jeweiligen Anpassungen der Basis sind entsprechend 2.2.1. auszuführen:

saufen er soff , greifen er griff,

triefen es troff, essen sie aß, gießen wir gossen,

kommen er kam

Einige weitere unregelmäßige Veränderungen, die den Eintragungen der Liste starker Verben entnommen werden, sind zu berücksichtigen: z. B. stehen stand, gehen ging, schneiden schnitt, leiden litt, denken, dachte, sein war.

Starke Verben mit Ablaut im Präteritum, deren Basen im Präteritum auf d oder t enden, zeigen in der 2. Person Singular gelegentlich entweder fakultatives oder obligatorisches e zwischen Basis und Endung [Drosdowski 1991].

wandest, tat(e)st, ritt(e)st, fochtest, flochtest, sottest, bat(e)st

aber: fandst, tratst, littst, schnittst, miedst

Einige Verben können sowohl schwach als auch stark konjugiert werden, entweder mit oder ohne Bedeutungsunterschied. In diesen Fällen muß der Algorithmus beide Formen bilden. Die Präfigierung eines solchen Verbs kann jedoch bewirken, daß die eine oder die andere Form unzulässig wird:

schaffen: schuf oder schaffte

erschaffen: nur stark: er erschuf

anschaffen: nur schwach: er schaffte an

Die Liste der starken Verben trägt dieser Erkenntnis Rechnung und enthält für zusammengesetzte Verben mit dieser Eigenschaft zusätzliche Einträge. Um die Anzahl dieser zusätzlich benötigten Einträge gering zu halten, wurden verallgemeinerte Vergleichsmuster in die Liste aufgenommen, die es gestatten, ganze Klassen von Zusammensetzungen mit einer Basis in einem einzigen Eintrag zu behandeln.

Für alle diejenigen starken Verben, die auf verschiedene Weise ablauten können, sind die verschiedenen Ablautvarianten in der Liste der starken Verben vermerkt, so daß alle alternativen Varianten vom Algorithmus gebildet werden:

dreschen: er drasch oder drosch

2.2.4. Formen des Konjunktivs I

Der prinzipielle Ablauf der Synthese der Konjunktivformen gleicht dem der Synthese der Indikativformen.
Endungen im Konjunktiv I   

      ich ...-e      wir ...-en
       du ...-est    ihr ...-et  
er,sie,es ...-e      sie ...-en  

Generell könnten nun dem Basismorphem die einzelnen Personalendungen angefügt werden, Alle Formen des Konjunktiv I werden ohne Ablaut gebildet. Insgesamt müssen jedoch einige Besonderheiten berücksichtigt werden:

Auch im Konjunktiv sind für Verben auf -ern und -eln ausfallende e zu berücksichtigen. Die Literatur erweist sich als unergiebig, gesicherte Erkenntnisse zu vermitteln, welche der vorliegenden Formen

du wandelest, du wandlest oder du wandelst

als standardsprachliche Konjunktive gelten.

Eine Ausnahme macht sein im Singular: ich sei, du sei(e)st, er sei.

Im Gegensatz zu den Formen im Indikativ darf weder vom Basisauslaut noch von der Endung ein e (wie bei ich kniee) entfernt werden.

2.2.5. Formen des Konjunktivs II

Der Ablauf der Synthese konjugierter Formen im Konjunktiv II gleicht prinzipiell der Synthese der Indikativformen.
Endungen im Konjunktiv II (schwache Verben)                             

      ich ...-te          wir ...-ten
       du ...-test        ihr ...-tet
er,sie,es ...-te          sie ...-ten 
      

Endungen im Konjunktiv II (starke Verben)

      ich ...-e           wir ...-en
       du ...-est         ihr ...-et
er,sie,es ...-e           sie ...-en 

Dem für die Bildung des Konjunktivs II gewonnenen Basismorphem werden zu diesem Zeitpunkt die für den Konjunktiv II geltenden Personalendungen angefügt. Danach sind die im Vorfeld abgetrennten Konstituenten rechts nach einem Leerzeichen wieder zu ergänzen.

Wie bei der Synthese des Indikativ bereits beschrieben, kann vor der Endung das Einschieben eines e (in allen Personen) nach den gleichen Regeln (vgl. 2.2.2.2.) erforderlich sein.

Die Ablaute der starken Verben sind der Liste der starken Verben zu entnehmen. Ggf. muß die Basis entsprechend den unter 2.2.1. angegebenen Regeln angepaßt werden (kommen: er käme, saufen: er söffe, sprießen: es sprösse usw.). Ebenso wie beim Indikativ Präteritum können in den Formen des Konjunktiv II alternative Ablaute auftreten (er schwämme oder er schwömme) und ebenso, daß starke und schwache Form miteinander konkurrieren (glimmen: es glömme oder es glimmte).

2.2.6. Formen des Imperativs

Verben, die nur im Plural auftreten (z. B. auseinanderlaufen), bilden keinen Imperativ Singular und unpersönliche Verben, die nur in der 3. Person gebräuchlich sind (z. B. es regnet), bilden keinen Imperativ.

Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Bildung des Imperativ Singular zeigt sich im Auffinden von Regeln, die entscheiden helfen, ob ein Endungs-e unzulässig, fakultativ oder obligatorisch ist. Der Algorithmus benutzt folgende Regeln:

Verben, die im Indikativ Präsens in der 2. und 3. Person Singular von e auf i oder ie ablauten, lauten auch im Imperativ Singular ab und haben in dieser Form kein Endungs-e (z. B. treffen: er trifft, triff!, befehlen: er befiehlt, befiehl!).

Die ss-ß-Regelung (vgl. 2.2.1.) ist auch hier anzuwenden fressen - friß!.

Ausnahmen von dieser Gruppe sind werden: er wird, werde! und bersten: es birst, berste! sowie die spezielle Form siehe in Wendungen wie siehe da! oder siehe Seite ..., siehe oben etc.

Gesondert behandelt wird ebenfalls der Imperativ von sein, der stets ohne e zu bilden ist: sei!.

Verben auf -eln verlieren das e des Infinitivs und erhalten ein Endungs-e: wandeln wandle!

Verben auf -ern können sowohl mit oder ohne e den Imperativ bilden: wandern wand(e)re!

Gesicherte Erkenntnisse darüber, ob wander! oder wander'!, wandel! oder wandel'! in der Standardsprache akzeptabel sind, konnte die Literatur nicht nachweisen, in der Umgangssprache jedoch treten sie offensichtlich nicht selten auf.

Die Verben dürfen, können, sollen und mögen haben keinen (sinnvollen) Imperativ.

Alle verbleibenden Verben bilden den Imperativ Singular mit der Endung -e, basierend auf der in der Analyse gewonnenen Form der Infinitivbasis (ohne abtrennbare Konstituenten). Zusätzlich ist die Imperativform ohne die Endung -e erlaubt, wenn

Dieses "schwer sprechbar" bedarf einer genaueren Betrachtung, da der Computer nicht ohne weiteres in der Lage ist, dies zu verifizieren. Ob ein Imperativ ohne e als schwer sprechbar gilt, wird ermittelt, indem der Algorithmus die Coda der Basis in eine Folge verallgemeinerter phonetischer Transkriptionszeichen umwandelt. Der Vergleich mit den Eintragungen einer Liste, die die "gut sprechbaren" Folgen (etwa 80 verallgemeinerte Konsonantenmuster) enthält, entscheidet, ob die vorliegende Folge als "schwer sprechbar" einzustufen ist.

Bildet ein Verb den Imperativ auf e und die Basis endet mit ss, dann muß eine Anpassung von ss zu ß erfolgen: faß!

Die Form des Imperativs Plural ist mit der 2. Person Indikativ Präsens im Plural identisch und erfordert deshalb keine zusätzlichen Betrachtungen.

Abgetrennte Konstituenten werden sowohl beim Imperativ Singular als auch beim Imperativ Plural rechts nach einem Leerzeichen (einer Spaties) angefügt: aufpassen: paß auf! paßt auf!

2.2.6. Partizipien

Das Partizip I wird aus dem Infinitiv abgeleitet:

1. -en bzw. -n wird von rechts abgetrennt
2. bei Verben auf -eln sowie -ern wird dann -nd angefügt, bei allen anderen -end

Das Partizip II wird aus folgenden Teilen zusammengesetzt:

Die Endung des Partizips II schwacher Verben ist -t und es muß nach den oben beschriebenen Regeln ein vorangestelltes e ergänzt werden. Starke Verben hingegen enden im Partizip II in der Regel auf -en , mit Ausnahme derjenigen Fälle, für die die Liste der starken Verben andere Endungen bereitstellt. Im Partizip II müssen die Regeln des Ablautes ebenso befolgt werden, wie dies bei der Generierung der konjugierten Formen nötig ist. Das gilt sowohl für den Wechsel von ss mit ß als auch für die Verdoppelung oder Vereinzelung von Konsonanten im finalen Bereich des Basismorphems. Bei auf ie endenden Partizipstämmen starker Verben erweist sich das e in der Endung -en als fakultativ: schreien geschrie(e)n. Falls konkurrierende Formen des Partizip II auftreten, wird vom Algorithmus sowohl die starke als auch die schwache Form generiert. Bei werden sind in Abhängigkeit vom Vorhandensein eines weiteren Partizips II im Satz geworden bzw. worden möglich.

"Die Verben brauchen (im Sinne von: müssen), dürfen, können, lassen, mögen, müssen, sollen, wollen und heißen, hören, sehen, beschränkt auch helfen und machen, stehen im Perfekt und Plusquamperfekt als Infinitiv statt als Partizip II, wenn sie mit einem anderen Infinitiv zusammentreffen:" [Baer 87, S. 653]

Das hättest du nicht zu tun brauchen (nicht: gebraucht).

Er hat nicht kommen können / dürfen / sollen.

Ich hatte dich kommen sehen.).

Unter syntaktisch anderen Bedingungen bilden diese Verben durchaus das Partizip II. Der Verbformengenerator trägt diesem Sachverhalt Rechnung und bildet in Abhängigkeit vom Kontext das übliche Partizip II oder den in dieser Funktion stehenden Infinitiv.

2.2.7. Infinitiv mit "zu"

Der Infinitiv mit zu ist relativ problemlos zu bilden, da der Algorithmus auf die Prozedur zur Generierung des Partizips II zurückgreifen kann. In denjenigen Fällen jedoch, in denen abtrennbare Präfixe oder Wortkonstituenten vorliegen oder Einfügestellen für ge beim Partizip II bzw. zu beim Infinitiv II vorliegen, muß das zu an der entsprechenden Stelle in den Infinitiv I eingesetzt werden, sonst ist es voranzustellen und mit einem Leerzeichen vom Inifnitiv zu trennen:

abzulegen, kopfzustehen, notzutaufen, zu rennen, zu bekommen

Einige Verben zeichnen sich dadurch aus, daß die Fügestelle für zu nicht gleichzeitig die Fügestelle für ge ist. Zu dieser Gruppe gehören Verben, die mit einem der Präfixe mit schwankender Akzentuierung gebildet sind und sich zusätzlich mit einem nicht abtrennbaren Präfix verbinden:

überbeanspruchen: du überbeanspruchst, überbeansprucht, überzubeanspruchen,

ebenso überbelasten, überbelichten, überbewerten etc.

Ferner sind Wörter zu beachten, bei denen durch Zusammensetzung einer von drei aufeinandertreffenden Konsonanten vor einem Vokal im Schriftbild nicht mehr vorhanden ist und nun durch das Einfügen von zu bzw. ge wieder geschrieben werden muß:

vollaufen - vollzulaufen.

Reflexive Verben

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