Ist die individuumzentrierte Gedächtnisstärke von Items eine stabile Größe? Eine experimentelle Überprüfung einer Grundannahme der Fuzzy Trace-Theorie.

Gerhard Büttner & Udo Memmel

Lehrstuhl für Psychologie IV
Röntgenring 10, 97070 Würzburg
E-Mail: buettner@psychologie.uni-wuerzburg.de

In der Fuzzy Trace-Theorie, die eine Theorie basaler Entwicklungsprozesse darstellt (z.B. Reyna & Brainerd, 1995), wird postuliert, daß Gedächtnisleistungen durch die Reihenfolge der Wiedergabe von gedächtnisschwachen und gedächtnisstarken Items bestimmt wird (Cognitive Triage-Effekt). Die Gedächtnisstärke wird im Kontext dieser Theorie individuumbezogen als Reichhaltigkeit der semantischen Kernrepräsentation eines Inhaltes definiert, die im Verlaufe der Biographie erworben wird. Sie gilt als relativ invariant, sodaß nach Brainerd & Reyna bei gedächtnispsychologischen Studien sowohl inter- als auch intraindividuell von reliablen Unterschieden in der Gedächtnisstärke verschiedener Items ausgegangen werden kann. Operationalisiert wird die individuumzentrierte Gedächtnisstärke als Häufigkeit, mit der ein Item über mehrere Lerndurchgänge hinweg erinnert werden kann.
In der vorliegenden Studie sollte die Annahme geprüft werden, daß die individuumzentrierte Gedächtnisstärke eines Items über mehrere Lerndurchgänge hinweg stabil erhalten bleibt. Hierzu lernten 34 Zweit- und 34 Viertklässler in sechs Durchgängen balanciert zwei Listen mit je 15 Items. Fünf Items wurden einmal, fünf wurden zweimal und die restlichen fünf wurden viermal dargeboten. Erfaßt wurde die Häufigkeit, mit der die Items erinnert werden konnten. Die Anzahl der Darbietungen hatte einen Einfluß auf die Erinnerungsgüte. Vierfach dargebotene Items wurden besser erinnert als zweifach oder einfach dargebotene. Darüber hinaus waren in der Kategorie der gedächtnisstarken Items die vierfach repetierten Items häufiger vertreten als die einfach dargebotenen. Umgekehrt waren in der Kategorie der gedächtnisschwachen Items die einfach dargebotenen im Vergleich zu den vierfach repetierten überrepräsentiert. Die Ergebnisse sprechen gegen die Auffassung von Brainerd & Reyna, daß die individuumzentrierte Gedächtnisstärke eine relativ invariante Größe darstellt, die kurzfristig nicht zu beeinflussen ist.
Literatur:
Reyna, V.F. & Brainerd, C.J. (1995). Fuzzy-trace theory: An interim synthesis. Learning and Individual Differences, 7, 1-75.

Referat in der Gruppe Gedächtnis II, Mittwoch, 31. März 1999, 09:00, HS 16

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