Pizza essen oder Pizza holen? Zur Repräsentation von Zeit und Raum beim Textverstehen

Martin Christof Kindsmüller

Zentrum Mensch-Maschine-Systeme, Technische Universität Berlin
TIB 4/5-3, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 Berlin
E-Mail: mck@zmms.tu-berlin.de

Experimente zum Textverstehen haben gezeigt (Glenberg, Meyer & Lindem 1987, Glenberg & Langston 1992), daß Textrezipienten eine analoge Repräsentation des Texts im Sinne mentaler Modelle (Johnson- Laird 1983) aufbauen. In den meisten Arbeiten werden die räumlichen - und in jüngster Zeit auch vermehrt die zeitlichen - Aspekte mentaler Modelle thematisiert. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Adäquatheit verschiedener Metaphern zur Repräsentation von Zeit in mentalen Modellen an Hand des ihnen zugrundeliegenden Repräsentationsformats experimentell zu untersuchen.
Die Annahme, daß die Diskurszeit als weitere, unabhängige Dimension, zusätzlich zu den Raumdimensionen im visual spatial sketch pad (VSSP, Baddeley 1990) repräsentiert ist, wird durch ein drei-faktorielles Design mit den Faktoren: Präsentationsmodalität (auditiv, visuell), Aspekt (Zeit, Raum) und Distanz (kurz, lang) operationalisiert. Das Design basiert auf der Annahme, daß die auf dem Lesen als visuell-räumliche Ressourcen konsumierender Prozeß basierenden Unterschiede in der Qualität des mentalen Modells, die sich bei Texten mit räumlicher Variation finden lassen (sogenannter modalitätsabhängiger Raumausschnittseffekt), auch bei Texten mit zeitlicher Variation in ähnlicher Form vorhanden sind.
Die Ergebnisse bestätigen die Resultate einer Untersuchung von Kaup, Kelter, Claus und Kindsmüller (1997) mit einer alternativen Untersuchungsmethode. Die Annahmen über das Repräsentationsformat konnten dahingegen statistisch nicht gesichert werden, weil der modalitätsabhängige Raumausschnittseffekt nicht nachgewiesen werden konnte.
Die Ursachenanalyse der Nichtreplizierbarkeit des modalitätsabhängigen Raumausschnittseffekts liefert Hinweise auf unterschwellige Verarbeitungsstrategien. Ließe sich weitere empirische Evidenz für diese Vermutung finden, so müßten einige - bei der Untersuchung des Verstehens narrativer Texte - publizierte Signifikanzen, im Hinblick auf ihre externe Validität in Frage gestellt werden.

Referat in der Gruppe Verarbeitung und Repräsentation zeitlicher Information, Mittwoch, 31. März 1999, 16:30, HS 16

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