Ablenkung und volitionale Abschirmung beim Lernen und Problemlösen mit Hypertext

K. Scheiter, P. Gerjets & E. Heise

Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Georg-August-Universität Göttingen
Goßlerstraße 14, D-37073 Göttingen
E-Mail: pgerjet@cops.uni-sb.de

In der Handlungsphasentheorie von Heckhausen und Gollwitzer können Lern- und Problemlöseaktivitäten als zielgerichtete Handlungen beschrieben werden, die der Realisierung bestimmter Intentionen dienen. Treten während der Handlungsausführung günstige Gelegenheiten zur Realisierung starker Konkurrenzintentionen auf, kann es zu Effizienzbeeinträchtigungen kommen, die mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad abnehmen sollten. Diese Schwierigkeitsabhängigkeit der Ablenkung während der Aufgabenbearbeitung kann durch Mechanismen der volitionalen Abschirmung der aktuellen Zielintention erklärt werden. In Experimenten mit einfachen Wortklassifikationsaufgaben konnten wir diese volitionale Hypothese bestätigen.
In einem nachfolgenden Experiment wurde eine Hypertext-Umgebung eingesetzt, um zu überprüfen, ob schwierigkeitsabhängige Ablenkungseffekte auch in alltagsnäheren Lern- und Problemlösesituationen nachweisbar sind. Als Hauptaufgabe wurden drei Textaufgaben aus der Kombinatorik vorgegeben. Die benötigten Lösungsprinzipien wurden anhand von Beispielproblemen innerhalb der Hypertext-Umgebung vermittelt. Mithilfe von Hyperlinks konnten für die Problemlösung irrelevante Zusatzinformationen abgerufen werden. In einer Bedingung mit starker Ablenkung wurden interessante und auf eine nachfolgende Zweitaufgabe bezogene irrelevante Informationen präsentiert. In der Bedingung mit schwacher Ablenkung war die irrelevante Information uninteressant und nicht auf eine Zweitaufgabe bezogen. Als zweite unabhängige Variable wurden die Test-Aufgaben in zwei Schwierigkeitsausprägungen realisiert. Als abhängige Variablen wurden Fehler und Bearbeitungszeiten bei der Aufgabenbearbeitung sowie die Ablenkungsdauer auf irrelevanten Informationsseiten erfaßt.
Die Ergebnisse zeigen in Übereinstimmung mit vorangegangenen Untersuchungen, daß nur bei niedriger Aufgabenschwierigkeit ablenkungsbedingte Effizienzbeeinträchtigungen auftreten. Diese Beeinträchtigungen können auf die Beschäftigung mit aufgabenirrelevanter Information während der Hauptaufgabe zurückgeführt werden. Weiterhin kann gezeigt werden, daß das Vorliegen einer Realisierungsgelegenheit für eine konkurrierende Zielintention zu Veränderungen in der Bearbeitungsstrategie führt. Implikationen dieser Befunde für die Gestaltung von Hypertext-Lernumgebungen für selbstgesteuertes Lernen werden skizziert.

Referat in der Gruppe Motivation, Mittwoch, 31. März 1999, 09:00, HS 14

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