Rauchbedürfnis nach emotionaler Belastung: Cortisol als Mediator?

Melanie Rüger, Mattias Kaiser, Jürgen Hennig, Sonja Rohrmann & Petra Netter

Fachbereich Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen
Otto-Behaghel-Str. 10, 35394 Gießen
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Obwohl in zahlreichen Studien gezeigt wurde, daß Raucher unter Stress ein stärkeres Rauchbedürfnis (Craving) als unter Ruhebedingungen entwickeln, wurden bislang kaum Untersuchungen zur Mechanismenfrage durchgeführt. Aus Tierstudien wird geschlossen, daß dem Nebennierenrindenhormon Cortisol eine Bedeutung in der Suchtentwicklung und -aufrechterhaltung zukommt. Studien unter Verwendung von Adrenalektomie oder zentral applizierten Glucocorticoid-Antagonisten legen nahe, daß Cortisol selbst eine Dopaminausschüttung verursacht und somit „reward"-Eigenschaften vermittelt und craving reduzieren müßte. Ferner reduziert sich nach Elimination der Cortisolfreisetzung die Selbstapplikation von Cocain im Tiermodell. Andererseits kann jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß das Bedürfnis nach Substanzapplikation (welches sich übergreifend in Streßsituationen zeigt) ebenfalls Cortisol-vermittelt ist, und daß mit erhöhtem Cortisolspiegel dieses Bedürfnis ansteigt. Ziel dieser Untersuchung ist es, unter experimenteller Blockade der Cortisolsekretion mittels des Synthesehemmers Metopiron die oben gezeigten Alternativen zu prüfen.
Insgesamt 80 männliche Studenten (Raucher) wurden randomisiert im Rahmen eines 2x2 faktoriellen Designs einer Stress/Non-Stress und Placebo/Metopiron Bedingung zugeführt. Zunächst wurden Probabanden für 3,5 Std. rauchdepriviert. Im Anschluß fand in der Experimentalbedingung ein modifiziertes Paradigma zum „mental arithmetics"-Streß Anwendung.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, daß die Probanden in der Bedingung Streß/Metopiron ein signifikant höheres Craving berichten als diejenigen in allen anderen Gruppen.
Dieses Ergebnis spricht für die These, daß die Stärke des Cravings durch die Manipulation des Cortisolspiegels vermittelt sein könnte. Die Ergebnisse scheinen zunächst den o.g. Befunden aus Tierstudien zu widersprechen, da sich reduziertes Cortisol nicht mit vermindertem, sondern mit erhöhtem Rauchbedürfnis verbindet. Sie können jedoch auch auf dem Hintergrund der fehlenden Dopaminausschüttung durch reduzierte Cortisolveränderungen unter Streß interpretiert werden, die bei Rauchern ein erhöhtes Rauchverlangen zur Folge hätte.

Referat in der Gruppe Psychopharmakologie/ -endokrinologie, Mittwoch, 31. März 1999, 11:30, HS 15

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