Verarbeitung und Repraesentation zeitlicher Informationen in Situationsmodellen

Andrea Haehnel & Mike Rinck

TU Dresden, Allgemeine Psychologie
01062 Dresden
E-Mail: ahaehnel@rcs.urz.tu-dresden.de

Gegenwaertige Theorien des Textverstehens gehen von einer Textverarbeitung auf drei Ebenen aus, wobei das Situationsmodell die hoechste Verarbeitungsebene darstellt. Zu den lange vernachlaessigten Situationsmodellkomponenten zaehlt die Zeit. Wir untersuchten zunaechst die Frage, ob Zeit ueberhaupt in Situationsmodellen repraesentiert wird. Dazu boten wir unseren Versuchspersonen satzweise kurze Geschichten dar, die die Handlung von ein oder zwei Hauptpersonen beschrieben, und erhoben die Satzlesezeiten. Einige Geschichten enthielten Widersprueche, indem zu Beginn zeitliche Informationen genannt wurden, denen gegen Ende der Geschichte widersprochen wurde. In unseren Experimenten trat der gleiche Effekt auf, wie er zuvor fuer raeumliche und emotionale Gegebenheiten nachgewiesen wurde: Die Versuchspersonen lasen eine zeitliche Information signifikant laenger, wenn diese inkonsistent statt konsistent war, was fuer die Repraesentation zeitlicher Informationen im Situationsmodell spricht. Daraufhin stellte sich die Frage, ob diese Verlaengerung der Lesezeiten ein Bewußtwerden des zeitlichen Widerspruchs voraussetzt. Dazu liessen wir 72 Versuchsteilnehmer nur eine der zuvor eingesetzten Geschichten lesen, naemlich ein Drittel die zeitlich konsistente Textversion und zwei Drittel die zeitlich inkonsistente. Anschliessend wurden alle Teilnehmer befragt, ob ihnen irgend etwas an der Geschichte aufgefallen war. Etwa die Haelfte der Versuchspersonen, die die inkonsistente Textversion gelesen hatten, berichteten den enthaltenen Widerspruch. Die drei resultierenden Gruppen "konsistente Version", "Widerspruch berichtet" und "Widerspruch nicht berichtet" unterschieden sich signifikant von einander, wobei die Gruppe "konsistente Version" die kuerzesten und die Gruppe "Widerspruch berichtet" die laengsten Satzlesezeiten produzierte. Die dritte Gruppe lag genau in der Mitte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Lesezeiten bei zeitlichen Widerspruechen auch dann verlaengert sind, wenn der Widerspruch nicht berichtet werden kann.

Referat in der Gruppe Verarbeitung und Repräsentation zeitlicher Information, Mittwoch, 31. März 1999, 14:00, HS 16

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