Visuelles Arbeitsgedächtnis: erleichternde und erschwerende Mechanismen bei Interferenzabwehr

Kristina Ungerer, Axel Mecklinger & Peter Bublak

Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung
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Dem Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley zufolge sind Prozesse exekutiver Kontrolle vom Aktivhalten visueller und verbaler Information funktional abgrenzbar. Ein Beispiel für einen exekutiven Prozeß ist jene Manipulation von Information, bei der aufgabenrelevante Information selektiert und irrelevante inhibiert wird (Interferenzabwehr).
In einer Reihe von Experimenten wurde eine modifizierte S1-S2-Aufgabe zur Untersuchung von Mechanismen der Interferenzabwehr im visuellen Arbeitsgedächtnis verwendet. Während der Retentionsphase wurde entweder eine unstrukturierte Punktmaske (m) präsentiert oder interferierende Stimuli, die im Vergleich zu S1/S2 kategorial verschieden (d) oder kategorial gleich (s) sein konnten. Potentielle inhibitorische Mechansimen wurden anhand von "ignored repetition trials" untersucht, in denen ein interferierender Stimulus auch als S2 fungierte.
Die Probanden absolvierten die Durchgänge der Bedingung m mit den geringsten Fehlerraten, die der Bedingung s jedoch mit den kürzesten Reaktionszeiten. Ferner fanden sich in "ignored repetition trials" höhere Fehlerraten als in der Vergleichsbedingung, in der S2 nicht mit einem der interferierenden Stimuli identisch war.
Diese Ergebnisse weisen auf episodische Anteile der Verarbeitung interferierender Stimuli hin (Neill & Valdez, 1992). Aus einer detaillierten Analyse geht hervor, daß es offensichtlich zu einer differentiellen Verarbeitung der relevanten Merkmale der visuellen Stimuli kommt (Gestaltgesetz der Geschlossenheit). Identische Merkmalsausprägungen interferierender Stimuli fördern das Memorieren dieses Merkmals, während ähnliche, aber nicht identische Merkmale das Behalten stören. Untersuchungen von Miller et al. (1996) sind mit dieser Interpretation einer aktiven Verarbeitung der Interferenzstimuli kompatibel. Demnach könnten die "ignored repetition" Effekte aufgrund von Repetitionsmechanismen entstanden sein, die wirksam werden, wenn die Kontrolle durch den präfrontalen Kortex gestört ist.
Miller, K.E, Erickson, C.A. & Desimone, R. 1996, Neural Mechansims of Visual Working Memory in Prefrontal Cortex of the Macaque, J. of Neuroscience, 16, 5154-5167. Neill, W.T., Valdes, L.A., 1992, Persistence in negative priming: Steady state or decay? J. of Experimental Psychology: Learning, Memory and Cognition, 18, 565-576.

Referat in der Gruppe Arbeitsgedächtnis, Mittwoch, 31. März 1999, 10:30, HS 17

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