Die Veränderung induktiver Vermutungen über die Anwendbarkeit einer Interventionsmaßnahme nach erfolgreichen und gescheiterten Anwendungsfällen

E. Lütkemeier, R. Westermann & P. Gerjets

Institut für Psychologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Franz-Mehring-Straße 47, 17487 Greifswald
E-Mail: luetkeme@rz.uni-greifswald.de

In wissenschaftlichen Forschungskontexten und praktischen Handlungszusammenhängen werden häufig aufgrund bisheriger Erfahrungen Vermutungen über die erfolgreiche Anwendbarkeit einer Theorie auf neue Anwendungsfälle angestellt. Innerhalb der strukturalistischen Theorienkonzeption lassen sich derartige induktive Inferenzen als empirische Vermutungen beschreiben. Ihre Berechtigung hängt von vier Faktoren ab: Sie steigt mit der Anzahl, Variabilität und Validität erfolgreicher Anwendungen sowie mit der Ähnlichkeit zwischen erfolgreichen und vermuteten Anwendungen. Da theoriekonforme und -konträre Informationen aus strukturalistischer Sicht von gleicher Wichtigkeit sind, sollten gescheiterte Anwendungsfälle in gleichem Maße zu einem Abfall der Berechtigung empirischer Vermutungen führen.
In einem computergestützen Experiment erhielten die Probanden in zwei Abschnitten Informationen über erfolgreiche und gescheiterte Anwendungsfälle eines Aufmerksamkeitstrainings bei hyperkinetischen Kindern. Nach jedem Abschnitt sollten die Probanden den Erfolg des Aufmerksamkeitstrainings bei einem hyperkinetischen Patienten beurteilen sowie ihre subjektive Sicherheit hinsichtlich des eigenen Urteils einschätzen. Wie erwartet zeigen die Ergebnisse, daß erfolgreiche und gescheiterte Anwendungen die Veränderung der subjektiven Sicherheit gleichermaßen stark beeinflussen. Differenziert man danach, ob die Probanden Erfolg oder Mißerfolg des Aufmerksamkeitstrainings erwarteten, zeigt sich ein signifikant stärkerer Einfluß erwartungswidersprechender Informationen.
Da die Varianzen im ersten Experiment teilweise ungewöhnlich hoch waren, wurden die Probanden in einem zweiten Experiment gebeten, die Veränderung ihrer Einschätzung des Behandlungserfolges nach dem zweiten Informationsabschnitt direkt auf einer Skala anzugeben. Die Ergebnisse zeigen wiederum einen signifikant stärkeren Einfluß erwartungswidersprechender Information, aber keine Unterschiede in den Varianzen.
Die unterschiedliche Bedeutung theoriekonträrer und erwartungswidersprechender Informationen auf der Ebene empirischer Daten, erfordert auf theoretischer Ebene die Differenzierung zwischen empirischen Vermutungen und subjektiven Erfolgshypothesen als Spezialfälle menschlicher Urteilsbildung.

Referat in der Gruppe Denken und Problemlösen II, Dienstag, 30. März 1999, 18:00, HS 20

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