Der Einfluß von mentalem Aufwand auf die Koordination der Sprechbewegungen und auf die Sprechflüssigkeit

Andreas Henning & Hans-Georg Bosshardt

Fakultät für Psychologie, Arbeitseinheit Klinische Psychologie, Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150, 44780 Bochum
E-Mail: henning@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de

Es wurde ein Doppelaufgaben-Experiment durchgeführt zur Prüfung der Annahme, daß Unflüssigkeiten beim Sprechen aus einer Interferenz zwischen der Koordination der Sprechbewegungen und gleichzeitig ausgeführten kognitiven Prozessen resultieren.
In einer Sprechaufgabe sollten fünf verschiedene Sequenzen aus drei zweisilbigen zusammengesetzten Substantiven kontinuierlich wiederholt werden. Diese Wortwiederholungen wurden in einer Kontrollbedingung als Einzelaufgabe durchgeführt. Unter drei verschiedenen Doppelaufgaben-Bedingungen wurden während der Wortwiederholungen Zahlen dargeboten, die je nach Versuchsbedingung Bestandteil von Wahrnehmungs-, Behaltens- oder Rechenaufgaben waren. Probanden waren fünfzehn stotternde und fünfzehn nicht stotternde Personen. Es wurde ein Matching der beiden Personengruppen hinsichtlich Alter sowie Leistungen in Rechen- und Gedächtnis-Vortests vorgenommen. Als abhängige Variablen wurden Stotterrate, Inhalationsrate, Pausen, Wortdauer und Dauer einzelner Wortsegmente erhoben.
Erste Datenauswertungen an der Hälfte der Versuchspersonen zeigen, daß bei einem Teil der Stotterer die Ausführung von Aufmerksamkeit fordernden Rechenaufgaben mit flüssiger und zügiger Sprachproduktion interferiert. Des weiteren sind die Reaktionen der Stotterer auf diese Zusatzaufgabe durch eine größere Variabilität gekennzeichnet als die der Nichtstotterer: Während bei einigen Stotterern unter Doppelaufgaben-Bedingungen eine Zunahme der Unflüssigkeiten zu verzeichnen ist, sinkt bei anderen Stotterern die Anzahl der Unflüssigkeiten unter das Niveau bei Einzelaufgaben-Bedingung.
Die ersten Befunde aus diesem Experiment weisen darauf hin, daß das Auftreten von Stotterereignissen abhängt von dem Ausmaß an Verarbeitungskapazität, die für die Sprechplanung bereit gestellt werden kann, sowie von dem Ausmaß der Interferenz zwischen solchen kognitiven Sprechplanungsprozessen und der flüssigen Ausführung von Sprechbewegungen. Es kann angenommen werden, daß die Flüssigkeit der Sprachproduktion bei einer Untergruppe von Stotterern durch derartige Interferenzen besonders beeinträchtigt wird.

Referat in der Gruppe Sprache II, Dienstag, 30. März 1999, 14:30, HS 17

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