Zum Schriftlichkeitsueberlegenheitseffekt bei der verbalen Wissensdiagnose: Neue Belege durch Beruecksichtigung des hoeheren Lebensalters

Joachim Grabowski & Christhard Gelau

Lehrstuhl Psychologie III, Universitaet Mannheim
D-68131 Mannheim
E-Mail: fpjg@rumms.uni-mannheim.de

Die Frage inhaltsvalider Diagnostik von Wissensbestaenden stellt sich bei akademischen Pruefungen und Zeugenaussagen. Eine kognitionspsychologische Analyse der kognitiven Belastung bei der muendlichen und schriftlichen Wissenswiedergabe sagt eine diagnostische Ueberlegenheit der schriftlichen Modalitaet vorher, die sich in bedingungsanalytischen Experimenten bislang replikationsstabil nachweisen liess. Es wird ueber ein Experiment berichtet, in dem der Nachweis gefuehrt werden konnte, dass die diagnostische Ueberlegenheit der schriftlichen Wiedergabemodalitaet auf geringere Belastungen des Arbeitsgedaechtnisses zurueckzufuehren ist. Mit zunehmendem Lebensalter abnehmende Kapazitaeten des Arbeitsgedaechtnisses sind mittlerweile ein vielfach dokumentierter Befund. 60 Probanden im Alter von ueber 60 Jahren sowie 60 Studierende (Alter < 30) hatten die Aufgabe, unter einer von vier Bedingungen ansteigender kognitiver Belastung (normales Schreiben, Schreiben mit unsichtbarer Tinte, Diktieren, normales Sprechen) alle europaeischen Staaten und ihre Hauptstaedte anzugeben. Durch einen Cued-recall-Nachtest konnten die potentiell verfuegbaren Wissensbestaende erhoben werden. Analysiert wurden das Ausmass des Underachievement in der jeweiligen Experimentalbedingung im Vergleich zur Cued-recall-Leistung. Erwartungsgemaess findet sich neben der Replikation des Haupteffektes zugunsten der schriftlichen Wiedergabemodalitaet eine ordinale Wechselwirkung mit dem Altersfaktor: Waehrend die aelteren Probanden den juengeren in den Cued-recall-Leistungen nicht unterlegen sind, vergroessert sich das Underachievement in den Bedingungen, in denen eine hoehere kognitive Belastung angenommen wird. Weitere Unterstuetzung erfaehrt die Annahme variierender kognitiver Belastung der Wiedergabemodalitaeten dadurch, dass sich ein ebenfalls erhobenes Listening-span-Mass als signifikante Kovariate erweist. Neben dem erneuten Nachweis des Schriftlichkeitsueberlegenheitseffekts, der zumindest bei listenaehnlichen Wissensbestaenden einen Validitaetsvorteil der schriftlichen Wiedergabemodalitaet beschreibt, erweist sich somit auch die theoretische Rueckfuehrung dieses Effekts auf kognitive Belastungsparameter als zutreffend.

Referat in der Gruppe Wissenspsychologie, Mittwoch, 31. März 1999, 09:30, HS 15

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